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»Ihr lügt doch alle!«

Public Value Bericht 2015/16: Dr. Klaus Unterberger – ORF, Public Value


Mit derartigen Vorwürfen wurden Journalistinnen und Journalisten in den letzten Monaten konfrontiert. Grund dafür waren die angespannte Situation an unseren Grenzen und die Auseinandersetzung mit asylsuchenden Menschen. Die über Wochen strapazierte Kritik der »Lügenpresse« war beobachtbar ein Teil bewusster Hetze rechtspopulistischer Kampagnen, drückte aber auch ein Glaubwürdigkeitsproblem der Medien aus.

Die Frage, wie objektiv Berichterstattung tatsächlich ist, ob Information durch Zuverlässigkeit und Authentizität und nicht durch Moral überzeugt, ist für Qualitätsmedien entscheidend. Daher ist ihre Fähigkeit zu Selbstkritik und Reflexion gerade in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche von besonderer Bedeutung.

Krisenerfahrungen und soziale Spannungen schaffen aber nicht nur Verunsicherungen, sondern öffnen auch den Blick für neue Herausforderungen. Das gilt insbesondere für öffentlich-rechtliche Medien. Wie Gesellschaften auf globale Migration, auf ungewollte soziale Veränderungen reagieren, ob ihre politische Kultur angesichts inszenierter oder tatsächlicher Bedrohungsszenarien erodiert, ist ein Testfall für die Tragfähigkeit und Belastbarkeit ihrer Demokratie. Hält der »Kitt der Gesellschaft« oder zerfallen nationale und europäische Gemeinschaften in fragmentierte Einzelinteressen, die von gezielter Empörungsbewirtschaftung angetrieben werden? Halten die Verbindungen zwischen den Menschen, zwischen den Nationen, in dem neuen, bis vor Kurzem weitgehend grenzenlosen Europa oder droht ein historischer Rückfall in autoritäre Schutzreflexe und aggressive und populistische Politrhetorik? Tatsache ist: Die Qualität der Demokratie ist immer von der Qualität der Öffentlichkeit abhängig. Daher ist entscheidend, ob sich Menschen im offenen Diskurs oder in »Echokammern« unterhalten, ihre Nachrichten aus vertrauenswürdigen journalistischen Quellen oder aus unüberprüfbaren »Gesichtsbüchern« beziehen. Der Vorwurf der »Lügenpresse« und die zahlreichen, mittlerweile sichtbar gewordenen Negativeffekte der Kommunikation im Netz könnten somit Bedingungen schaffen, die zu einer geradezu historischen Chance für öffentlich-rechtliche Medien führen. Wenn sich der Reality Check der Medien auf Glaubwürdigkeit, auf überprüfbare Kompetenz, auf Wert und Nutzen, auf gesellschaftliche Effekte und demokratiepolitische Funktionen bezieht, dürfen sich Public-Service-Medien an ihre originären Aufträge und Qualitäten erinnert fühlen: Offener Zugang für alle, Inklusion, kompetenter Journalismus, überprüfbare Qualitätsstandards, Vermittlung von Orientierungswissen, Reduktion der Komplexität, Bürgernähe, die Kooperation mit der Zivilgesellschaft und der Kreativwirtschaft, kulturelle und regionale Vielfalt, Bildungs-und Kulturauftrag und eine kritische Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Wandel sind nicht nur Ansprüche und Selbstverpflichtungen, sondern müssen sich auch in den Programmen und Formaten wiederfinden.

Warum also nicht zwei, fünf, Dutzende »Club 2.0«, die die gesellschaftliche Vielfalt authentisch abbilden und zu Wort kommen lassen?! Warum kein trimediales »Lexikon des gesellschaftlichen Wissens«, das neuen und alten Österreicherinnen und Österreichern vermittelt, wie Österreich in seinen demokratischen Strukturen, seinen Traditionen, seiner regionalen, religiösen, ethnischen und kulturellen Vielfalt und nicht zuletzt im internationalen Kontext funktioniert? Warum keine Kompetenzzentren für investigativen Journalismus, für Medienentwicklung und Medienkompetenz, für Dokumentation und Reportage? Warum keine »Kreativ-Labors« mit der Kreativwirtschaft und Zukunftslabors mit den Schulen und Universitäten? Google und Co. sind nicht die einzigen »Driver of Change« im digitalen Medienzeitalter. Wer in eine Zukunft will, die nicht nur von Geschäftsmodellen, der Spekulation auf Gewinne und Absatzmärkte getrieben wird, braucht vor allem Ideen dafür, wie Gemeinwohl in die Welt von Morgen kommen kann. Mögen »Bullen und Bären« die Börsen der Welt antreiben, die soziale Welt wird immer noch von Menschen und ihren Bedürfnissen bestimmt. Die Perspektive eines gemeinwohlorientierten Public Value sucht – über die Medienpraxis hinaus – Antworten darauf, wie wir unsere Gesellschaften nicht nur technologie- sondern vor allem menschenverträglich machen können. Wie Politik, Demokratie und unsere Wirtschaft sozialverträglich werden kann. Das ist der große Horizont, der gerade in Zeiten der Krisen eine Vorstellung von Gesellschaft möglich macht, die über Populismus, Resignation und Fragmentierung hinausgeht. Der »Wert über Gebühr«, den öffentlich-rechtliche Medien erbringen, kann dabei den Blick auf die Gesellschaft als Ganzes und – bei aller Gegensätzlichkeit – als verbindendes, gestaltbares Element öffnen: nicht als Mosaik von Märkten, sondern als zukunftsorientierter Möglichkeitsraum.

Der Autor
Klaus Unterberger ist Journalist, leitet in der ORF-Generaldirektion das Public-Value-Büro und ist Mitglied des ORF-Ethikrats.


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