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Der Unterschied: Barrierefreier Programmzugang

#Robert Sperling und #Johannes Karner, Humanitarian Broadcasting


Die Beiträge, Betrachtungen und Bekenntnisse der ORF-Mitarbeiter/innen in dieser Broschüre ergeben in Summe mehr als einen „Bericht“. Sie sind wortwörtliche Belege für jenes breite Programmspektrum, welches das Medienunternehmen ORF seinen Nutzer/innen bietet. Sie beleuchten dabei auch die gesellschaftspolitische Rolle, die erhebliche Relevanz, die den ORF von seinen – ausschließlich kommerziellen Interessen verpflichteten – Mitbewerbern unterscheidet.

Als eine Art Best Practice Beispiel dafür sei hier im Folgenden die Schaffung barrierefreien Programmzugangs für seh- oder hörbeeinträchtigte Menschen genannt. Egal ob Spielfilme oder TV-Serien, egal ob der Wiener Opernball, das Abfahrtsrennen auf der Streif, die Fußball-Champions League oder der Eurovision Song Contest: Gesellschaftliche und sportliche, fiktionale und nichtfiktionale Großereignisse elektrisieren TV-Zuseher und schaffen die Basis für Diskussionen. Doch wie soll man mitdiskutieren, wenn man die Ereignisse nicht sehen oder hören kann? Der ORF geht in Sachen Barrierefreiheit einen konsequenten, offensiven Weg und bietet blinden und hörbeeinträchtigten TV-Konsumenten ein umfangreiches und qualitativ hochwertiges Fernsehangebot. Trotz Sinneseinschränkung soll es möglich sein, einen großen Teil des Programms zu verfolgen. Das ist einerseits Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF und seit der Novellierung des ORF-Gesetzes 2010 dort auch festgeschrieben. Das ist aber ebenso Ausdruck jenes Selbstverständnisses des ORF und seiner Mitarbeiter, das Programmangebot an möglichst viele Menschen im Land zu richten: Mittlerweile werden rund 70% der TV-Programme des ORF für hörbeeinträchtigte Menschen untertitelt. Und blinde oder sehbeeinträchtigte Menschen haben im Schnitt über vier Stunden täglich die Gelegenheit, Hörfilmfassungen zu Spielfilmen und TV-Serien oder live audiokommentierte Sportevents und Shows auf einer eigenen Tonspur zu konsumieren. Denn für Menschen mit Sinneseinschränkung ist es eminent wichtig, selbst bestimmen zu können, welches Programm sie konsumieren. Während Untertitel für hörbeeinträchtigte Menschen schon seit Jahrzehnten im ORF und in anderen deutschsprachigen öffentlich-rechtlichen Sendern angeboten werden, ist die Audiodeskription von Programmen für blinde oder sehbeeinträchtigte Menschen „jung“.

Vorreiterrolle bei Großereignissen
Ursprünglich in den USA ausschließlich für fiktionale Programme entwickelt, hat der ORF als erster deutschsprachiger Broadcaster 2010 die Audiodeskription von Programmen zu einer zentralen Aufgabe gemacht. Während ZDF, ARD, die dritten Programme und ARTE bei der Aufbereitung von fiktionalen Inhalten zu Hörfilmen mittlerweile zum ORF aufgeschlossen haben, nimmt der ORF bei der Live-Audiokommentierung von Sportübertragungen, Shows und gesellschaftlichen Großereignissen nach wie vor eine Vorreiterrolle ein: Bereits 2009 beschreiben geschulte Audiokommentatoren Fußball-Länderspiele der österreichischen Nationalmannschaft – in Kooperation mit dem ÖFB – erstmals im TV auf einer zweiten Tonspur. 2010 folgt dann eine umfassende Programminnovation: Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika werden sämtliche Spiele live audiokommentiert und damit blinden und sehbeeinträchtigten Fußballfans jede einzelne Sekunde des Sportspektakels barrierefrei zugänglich gemacht.

Weder die BBC noch diverse amerikanische Sender, die sich des Themas Audiodeskription angenommen haben, können hierbei mithalten. Mit der audiodeskribierten Fußballweltmeisterschaft liefert der ORF eine weltweite Premiere. Das Feedback auf diese Innovation ist derart positiv, dass die Live-Audiokommentierung als fixer Bestandteil in das Programm aufgenommen wird und heute fest in der Programmplanung und –umsetzung implementiert ist. Die Qualität wird im ständigen Austausch mit Interessensvertretern aus den Zielgruppen erhöht, die Quantität sukzessive gesteigert. Das live-audiokommentierte Programmangebot hat sich seit 2010 versiebenfacht, das Angebot an audiodeskribierten Sendungen hat sich insgesamt mehr als verdreifacht. Die anderen öffentlich-rechtlichen Sender im deutschsprachigen Raum ziehen hier nur zögerlich nach: 2013 wird mit „Wetten, dass … ?“ im ZDF und ORF Europas größte Unterhaltungsshow live audiokommentiert.

Barrierefreiheit erfordert Teamwork
Auf sportlicher Ebene findet die Live-Audiokommentierung erstmals bei der UEFA Champions League 2015 im ZDF ihren Einzug. In der ARD werden zunächst die hauseigenen Hörfunkreportagen auf der zweiten TV-Tonspur parallel ausgestrahlt, was sich – wenig verwunderlich – nicht bewährt. Erst später wird auf „echte“ Live-Audiodeskription gesetzt. Private Sender verzichten bis dato überhaupt auf das Angebot von Audiodeskription – in ihren Programmen finden sich weder Hörfilmfassungen noch Live-Audiokommentierung. Der Gehörlosenservice im ORF sorgt für eine aktuelle Benchmark von 70 Prozent Untertitelung. In der Redaktion arbeiten aktuell 36 Menschen daran, dass dieses quantitativ und qualitativ starke Offert täglich auf Sendung gehen kann. Bei den Olympischen Spielen in Südkorea waren bis zu 13 Re-Speaker gleichzeitig im Einsatz, um live jene Texte einzusprechen, die dann auf der Teletextseite 777 als Untertitel abgerufen werden konnten. In den Redaktionen, die hinter dem barrierefreien TV-Angebot des ORF stehen, wird vor allem ein Wort großgeschrieben: Teamwork! Es braucht motivierte Menschen, die für blinde oder sehbeeinträchtigte TV-Konsumenten live audiokommentieren oder in Teams gemeinsam mit sogenannten „Referenzblinden“ Bildbeschreibungen in Script-Fassung bringen, diese redigieren und daraus mittels aufwendiger Tonmischungen Hörfilme produzieren – oder für hör- beeinträchtigte Menschen Untertitel vorab produzieren oder live einsprechen. Zum anderen sind es ebenso viele Menschen, die in den unterschiedlichen Redaktionen bei der Administration mithelfen und Bewusstsein für die Bedeutung barrierefreien Fernsehens entwickelt haben. All diese Menschen ermöglichen es den blinden, seh- oder hörbeeinträchtigten ORF-Kunden, selbstbestimmt zu entscheiden, ob, und wenn, welche Sendungen sie aus dem barrierefrei zugänglichen Programmangebot des ORF konsumieren – gelebte Inklusion!


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Der Unterschied: Barrierefreier Programmzugang
#Robert Sperling und #Johannes Karner, Humanitarian Broadcasting
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Barrierefreiheit im Sport
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