Von: Mitschka Konrad
Gesendet: Dienstag, 16. Februar 2016 17:36
An: Kulis Gernot
Betreff: AW: Fragen
Glaubst Du, dass das Prinzip: Du bringst sie zum Lachen, sie lachen, und nach ein paar Minuten ist es vorbei, zukunftsträchtig ist? Es gibt ja intensive Debatten zu Bürgerbeteiligung, Partizipation, User-generated Content. Betrachtet man die Entwicklung in den sog. „Social Media“, würde man ja auf die Idee kommen, dass die Zukunft der Medien jedenfalls interaktiv ist. Hinzu kommt, dass das Bedürfnis nach Mediennutzung dann, wann man will, zu steigen scheint, und wir dürfen online Content ja nur sieben Tage lang anbieten, dann muss er gelöscht werden … das gilt auch für Deine Comedy … – als Frage formuliert: Muss es weiterhin ausschließlich „professionelle“ Medienmacher/innen geben, oder sollte die „Bürgerseite“ verstärkt werden, sinngemäß also: mehr Humor der Hörer/innen auf Sendung inklusive öffentlichem Langzeitarchiv?
Von: Kulis Gernot
Gesendet: Mittwoch, 17. Februar 2016 12:02
An: Mitschka Konrad
Betreff: AW: Fragen
Ja, und das tun wir jetzt schon. Wir beziehen bei der Comedy das Publikum sehr oft ein. Es kommen sogar viele Vorschläge aus der Hörerschaft. So fallen Barrieren zwischen Publikum und Comedian. Wie bei mir auf der Bühne, inklusive unmittelbarer Reaktion. Aber auch on air ist durch Social Media etc. das Feedback unmittelbarer geworden. Die Social-Media-Bereiche sind wichtig, da das den Talk-about-Faktor erhöht. Gute Comedy wird „geteilt“, also sowohl im Büro weitererzählt, als auch im Social-Media-Bereich geshared. (Geshared! Ha! Alleine das Wort ist Comedy – Früher sind nur Schafe geschert worden …) Auf alle Fälle verschwindet Humor / Comedy nicht einfach, sondern bleibt auf ewig erhalten! Geschichte schreibt man nur dann, wenn sie auch niedergeschrieben wird. Langzeitarchive, Dokumentationen sind wichtig.
Von: Mitschka Konrad
Gesendet: Mittwoch, 17. Februar 2016 16:31
An: Kulis Gernot
Betreff: AW: Fragen
Versteh ich Dich richtig: Du willst, dass sich möglichst viele beteiligen? Und sag, wie muss ein Vorschlag sein, damit Du ihn aufgreifst (gibt es zum Beispiel Grenzen in Sachen Humor, wo Du sagen würdest: Nein, das machen wir nicht)? Und wo wendet man sich hin, wenn man eine Idee hat?
Von: Kulis Gernot
Gesendet: Mittwoch, 17. Februar 2016 17:53
An: Mitschka Konrad
Betreff: AW: Fragen
Humor bzw. Comedy im Radio soll schon denen überlassen werden, die es als Profession ansehen. Aber es ist ein schönes Zeichen, wenn sich Menschen inspiriert fühlen und mitmachen wollen. Wenn eine gute Anregung zu Ö3 kommt (z. B. über E-Mail an hitradio@oe3.at), setzen wir sie auch gerne um. Da sagen wir nicht nein und sind auch nicht beratungsresistent. Ein Vorschlag sollte schnell erklärt sein, oft reicht sogar nur ein kleiner Wink (ein Hinweis).
Manchmal ist es eine lustige Pointe, die Potenzial zu einer längeren Story hat. Es gibt keine Grenzen – außer sozusagen das Bloßstellen Einzelner, die nicht von vornherein in der Öffentlichkeit stehen. Die Nachrichten erzählen die Fakten, die Comedy versucht satirisch die Hintergründe aufzuarbeiten. „Aber es muss politisch korrekt sein“, hört man oft. Gute Satire, eine Pointe, spielt aber damit, manchmal nicht politisch korrekt zu sein. Politische Korrektheit würde die gesamte Satire in Frage stellen. Beliebigkeit und Langeweile wären das Ergebnis. Humor darf alles – darf er das? Ich denke ja, und überall. Mit oben beschriebener kleinen Einschränkung – jemanden wegen einer Pointe verletzen, das darf und soll nicht sein. Auch und erst recht nicht im öffentlich rechtlichen Radio. Schwierige Themen lassen sich vor allem mit Humor gut transportieren. Woody Allen hat recht, wenn er sagt: „Tragödie plus Zeit ist Comedy.“ Gute Comedy bringt uns zum Lachen UND zum Nachdenken. Eine gute Comedy muss aber natürlich nicht immer einer Tragödie nacheilen. Wir leben von Klischees, von Beobachtungen, von menschlichen Entwicklungen, von Alltagssituationen und, und, und … Manchmal ist es sogar umgekehrt. Unser Bildungssystem ist vielleicht „nur“ eine mittlere Katastrophe, aber wir versuchen mit Humor darauf aufmerksam zu machen, dass es vielleicht eine Tragödie werden konnte. Das gehört verbreitet! Ist nahezu ein öffentlich-rechtlicher Auftrag :) Das ist so ein schönes Thema, da konnte man Stunden diskutieren. Bei Grenzen geht es darum, wer der Empfänger der Pointe ist. Manche Pointen sind hart, aber fair. Dann ist es für mich ok.
Der Autor
Gernot Kulis ist auf Ö3 als Ö3-Callboy, Professor Kaiser und mit seinem Comedy-Wochenrückblick
zu hören. Mit seiner Stand-up-Comedy „Kulisionen“, seinem ersten Live-Programm, steht Kulis auf den Bühnen Österreichs.