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Journalismus in der Krise

Transkription
„Ich denke, die Gefahr einer Krise für den Qualitätsjournalismus ist relativ groß. Weil einerseits durch die konjunkturellen Entwicklungen weniger Geld da ist. Stichwort „Werbung“ aber auch Stichwort „Was können die Leserinnen und Leser, die Rezipientinnen und Rezipienten zahlen. Und dazu kommt eine strukturelle Veränderung: Neue Medien, Internet, Allzeitverfügbarkeit, scheinbare Allzeitverfügbarkeit von Informationen. Das setzt bei den klassischen Medien, den klassischen Massenmedien, Druck auf.“

Ottfried Jarren, Medien- und Kommunikationswissenschaftler an der Universität Zürich. Das Wort von der Krise des Qualitätsjournalismus macht die Runde. Experten, Verleger und Medienschaffende diskutieren und suchen nach Auswegen. Die Wirtschaftskrise, der Rückgang der Werbeeinnahmen, die sinkende Bereitschaft des Publikums für Medienkonsum zu bezahlen, die Konkurrenz durch Gratisangebote. Die Krise scheint hauptsächlich ökonomische Gründe zu haben. Qualitativ hochwertiger Journalismus als eine Säule der Demokratie, folgt jedoch keiner ökonomischen Logik.

„Medien kann man, wenn man sie als Güter betrachtet, als spezifische öffentliche Güter ansehen. Sie sind relevant -niemand bestreitet es - die Relevanz aber einer Einzelinformation, eines Einzelbeitrages, einer einzelnen Analyse, wird erst deutlich, wenn ich diese rezipiert habe. Nach der Rezeption kann ich entscheiden, ob die Information wirklich relevant oder wichtig war. Das Gut ist also so etwas wie Bildung, wo ich vielleicht in dem Moment, wo ich Bildung genieße, noch nicht weiß, ob die Bildung mir etwas bringt, eine „Rendite“ abwirft. Diese Besonderheit dieser öffentlichen Güter ist, dass sie deswegen häufig auch staatlich bereitgestellt werden. Also es gibt sozusagen ein Problem in der Wahrnehmung der Rezipienten zwischen Leistung, Kosten für diese Leistung – also Erstellung - und Preise, die man dann zahlt.“

Zum einen wissen die Menschen also nicht so recht, ob und was ihnen Medienkonsum wert ist. Zum anderen sind Medien längst zum Business geworden, in dem nur eines zählt: Profit. Und der permanente Blick auf Shareholder-Value und Renditen.

„Überall in der industrialisierten Welt wurden in den letzten 30, 40 Jahren Medienunternehmen von internationalen Konzernen aufgekauft. Diese Konzerne sind nicht an Propaganda oder redaktioneller Einflussnahme interessiert. Viel Geld verdienen ist das, was sie wollen.“

In seinem Buch „Flat Earth News“ diagnostiziert der Britische Journalist Nick Davies den weltweiten Niedergang journalistischer Qualitätsstandards. Als Ursache sieht er die strukturellen Veränderungen bei den Medien, die zunehmend zu Medienfabriken werden.

„Die Kommerzialisierung zeigt sich darin, dass die Eigentümer der Medienunternehmen in den Newsrooms Kosten einsparen wollen. Daher reduzieren sie die Zahl der Nachrichtenreporter. Gleichzeitig wollen sie den Output jedes einzelnen Journalisten erhöhen. Wir haben eine groß angelegte Untersuchung in britischen Newsrooms gemacht und uns sowohl die Beschäftigtenzahlen als auch die Anzahl der Seiten angeschaut, die zu füllen sind. Dieser Vergleich hat ergeben, dass ein durchschnittlicher Reporter einer britischen Zeitung heute dreimal so viele Seiten füllen muss, als das 1985 der Fall war.“

Das bedeutet, ein Journalist hat heute viel weniger Zeit um eine Story zu recherchieren und zu schreiben. Die Studie, die zusammen mit dem „Journalismus Department“ der Universität Cardiff durchgeführt wurde, ist die Basis für Nick Davies Recherchen darüber, was im Journalismus schief läuft.

„Autos können billiger hergestellt und daher auch billiger verkauft werden, wenn es gelingt die Produktion zu beschleunigen. Das erhöht die Verkaufszahlen. Mit dem erzielten Gewinn kann mehr Geld in noch effizientere Maschinen gesteckt werden. Für die Autofirma läuft es dadurch besser und besser. Aber diese Logik funktioniert im Journalismus nicht. Für uns Journalisten ist Zeit das wichtigste Kapital. Wenn man uns Zeit wegnimmt, ist das so, als würden wir Autos ohne Stahl machen. Sie würden auseinanderfallen. Das heißt, uns wird die Basis unserer Arbeit entzogen. Wir können gar nicht mehr hinausgehen und Geschichten finden, weil wir an unsere Computertastaturen angekettet sind. Der Druck, eine Story nach der anderen raus zu blasen, ist enorm. Wir sind viel zu gestresst, um das Büro zu verlassen. Wir vernachlässigen unsere Kontakte und sogar unsere Pflicht, die Fakten zu überprüfen.“

Nick Davies schreibt regelmäßig für den Guardian und hat bereits mehrere renommierte Preise für seinen Investigativen Journalismus erhalten. Für die Cardiff-Studie wurden nicht nur Boulevardblätter wie „Daily Mail“, sondern auch Qualitätszeitungen wie „Guardian“, „Times“, „Daily Telegraph“ oder „Independent“ unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse geben zu denken. So haben die Forscher herausgefunden, dass rund 60 Prozent der Artikel hauptsächlich aus Meldungen von Nachrichtenagenturen oder PR-Material bestehen. 20 Prozent speisen sich teilweise aus diesen Quellen. Und: Nur noch 12 Prozent waren eigene, von Reportern selbst recherchierte Stories. Ein weiteres dramatisches Ergebnis der Cardiff-Studie: Auch das Überprüfen von Fakten und Quellen spielt bereits eine Nebenrolle.

„What´s happening is that instead of being like active gatherers and checkers of news, more and more, journalists are reduced of being passive processors of second hand information, which just flows into their offices and is turned out into – what we lovingly call – stories.”

Der Journalist als passive Textbearbeiter, der die auf ihn einströmende Second Hand Information weiterverarbeitet und sie immer schneller hinausschießt. Nick Davies hat für diese Entwicklung den Begriff „Churn“ geprägt. Das Englische Wort für peitschen, buttern oder am laufenden Band produzieren.

„We use this word ´churning´ to mean you just turning something out without really thinking about it. There is a lot of “churnalism” replacing “journalism”.

Aus Journalismus wird im Wortspiel “churnalism”, frei übersetzt: Fließbandproduktion oder „Rausbutterei“. „Churnalism“ führt zu Falschmeldungen, Unwahrheiten und einer verzerrten Berichterstattung. Dies belegt Nick Davies in seinem Buch „Flat Earth News“ mit Beispielen. Etwa mit der Panikmache vor dem Millenniumstag oder die Meldung über die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak. News, die weltweit verbreitet wurden und die sich im Nachhinein als falsch erwiesen haben. Wie lautet das Credo seriösen Journalismus: Check und Doublecheck. Also prüfen und nochmals prüfen. Recherchieren, die Fakten checken, abwägen, analysieren, aufklären, unparteiisch bleiben, beide Seiten anhören. Journalistische Gebote, die für den „Churnalism“, wie ihn Nick Davies erklärt hat, nicht mehr gelten.

Christoph Keller, Redakteur beim Kultursender DRS2 des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der Schweiz, erklärt am Beispiel der jüngsten Minarett-Abstimmung, weshalb guter Journalismus demokratiepolitisch notwendig ist.

„Ein Journalismus, der aufklärerisch wirkt, der nicht tendenziös ist. Ein Journalismus, der sich an die Fakten hält und dort auch Fragen stellt, wo sich die allerersten Phrasen in den öffentlichen Diskursen einzustellen beginnen. Wie zum Beispiel die Phrase „Ein Minarett ist Ausdruck eines radikalen Islams“. Da Fragezeichen zu stellen und da immer beharrlich weiter zu forschen, bis man zu einer Lösung gekommen ist, das wäre tatsächlich Qualitätsjournalismus.“

Doch auch das Goldsmiths Leverhulme Media Research Center bestätigt mit seinen Studien, dass Qualitätsstandards und Meinungsvielfalt zunehmend unter Druck geraten. James Curran, Direktor des Medien-Forschungszentrums, schreibt gerade an einem Buch über die Zukunft des Journalismus. Darin untersucht er unter anderem die Auswirkungen des Internets auf das Mediengeschäft.

„Die Verbreitung des Internets führt zu einer Entkoppelung von Werbung und Nachrichtenproduktion. Der Grund dafür ist, dass Werbebudgets zunehmend vom Fernsehen und Zeitungen ins Web abwandern. Und zwar in Bereiche, die nichts mit Nachrichten zu tun haben.“

So bucht die Tourismusindustrie ihre online Werbeschaltungen gleich direkt auf Reiseseiten, anstatt im News-Bereich. Immobilienanbieter schalten ihre Inserate lieber auf Wohnungs- oder Community-Plattformen, als in Regionalzeitungen, berichtet James Curran. Doch dieses Geld fehlt den herkömmlichen Medien. Die sparen dann zunächst beim Personal. Und so gibt es heute in Großbritannien weniger Journalisten als vor 10 Jahren.

„Die britische Northcliffe Mediengruppe hat etwa tausend Journalisten gekündigt, die Daily Mail Gruppe will dieses Jahr zwölfhundert Redakteure entlassen. Auch beim Privatfernsehsender ITV gibt es große Personal-Sparmaßnahmen. Diese Entwicklungen finden Medienübergreifend in vielen Ländern statt.“

Christoph Keller sieht eine weitere strukturelle Änderung im klassischen Journalismus. Während noch vor 20 Jahren die Journalisten die großen Aufklärer der Welt waren, werde diese Rolle heute zunehmend von NGOs, also von Nicht-Regierungsorganisationen eingenommen. Diese sind zumeist global vernetzt und verfügen über die Infrastruktur, die dem klassischen Journalismus zunehmend abhandenkommt.

„Die Nicht-Regierungsorganisationen haben heute mit ihrem Sachverstand, mit ihren Kompetenzen, auch mit ihren großen Presseabteilungen, mit ihren großen Ressourcen, die sie aufbringen, ein Stück diese Rolle des klassischen Journalisten / der Journalistin übernommen und haben sich im Laufe der letzten 20, 30 Jahre ein Kompetenzfeld erarbeitet, wo wir Journalistinnen und Journalisten nur noch neidisch hinterherblicken können und eigentlich ein Stück weit dazu verkommen sind oder dazu mutiert sind, ein bisschen die „sekundär Narratoren“ zu werden von dem, was ohnehin schon auf dem Tisch liegt. Das heißt, dieser Impetus von „Ich geh jetzt raus und ich recherchiere und ich nehme mir jetzt einmal drei Wochen Zeit um etwas rauszufinden“, den viele von unseren Journalisten- und Journalistinnen-Kollegen hatten - dieser Versuch, eben einen Scoop zu landen und die Wahrheit herauszufinden, ich glaube diese Rolle wurde zu einem großen Teil von diesen NGOs übernommen.“

So stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Rolle, die der Journalismus heute spielt und spielen kann.

„Wenn man nicht so sehr normativ an die Sache rangeht, sehe ich nicht so sehr ein Problem des Qualitätsjournalismus, sondern ich sehe ein Problem des Journalismus überhaupt.“

Josef Seethaler, vom Zentrum für Sozialwissenschaften an der österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien:

„Wenn im Netz immer häufiger und von verschiedensten Trägerinnen und Trägern aus Blogs aktiviert und geführt werden, wenn soziale Netzwerke online entstehen, jenseits und abseits der traditionellen Massenmedien, aber genauso gut hier erstens: Information über die Inhalte dieser Netzwerke transportiert wird, aber auch Information über die Werbebanner, die die jeweiligen Provider vorgeben, transportiert wird. Und da müssen wir uns fragen, welche Rolle kann Journalismus überhaupt noch spielen?“

Manche sehen im sogenannten „Bürgerjournalismus“, dem intensiven bloggen vieler Menschen im Netz, die Zukunft des Journalismus. Ja, dessen Demokratisierung. Andere sehen in Blogs digitale und zumeist ausufernde Leserbriefe. Wieder andere meinen, in Blogs die journalistische Zukunft zu sehen, würde einen ganzen Berufsstand ad absurdum führen. Oder, wie jemand einmal formuliert hat: Man würde doch auch nicht mit einem Bürgerpiloten fliegen wollen. Denn, was bei diesen Publikationen wegfällt ist das, was einst die klassische Aufgabe des Journalismus war: die Welt aufzubereiten und verständlich zu mache.
Meinrad Rahofer, der langjährige Geschäftsführer des Kuratoriums für Journalistenausbildung, zeigte sich in einem Interview kurz vor seinem Tod im Februar 2010 davon überzeugt, dass die Menschen das auch wollen.

„Das heißt die Leute wollen Informationen, die ihnen helfen, Dinge einzuordnen. Die Leute wollen auch Kommentare, was soll ich denn davon halten? Da sind wir ganz stark im journalistischen Bereich. Und das hat noch nichts zu tun mit den Medienkanälen, die es gibt, sondern das ist eine sehr grundsätzliche Sache. Wenn wir dann anschauen, welche Kanäle können was leisten, dann bin ich ja dort, dass das Internet sehr, sehr viele Fakten und Daten bringen kann. Aber keine wirkliche Einordnung, keine Systematik, nichts wirklich Hilfreiches außer Daten. Und Daten sind noch kein Wissen.“

Auf diese klassischen journalistischen Grundfragen, sollte sich der Journalismus denn auch wieder mehr rückbesinnen, meint Christoph Keller, Redakteur beim Schweizer Radio DRS2.

„Wir sollten eigentlich vom Interesse der Leserinnen und Leser, der Hörerinnen und Hörer ausgehen und wir sollten davon ausgehen, was eigentlich die Aufgabe der Medien ist in einer demokratischen Gesellschaft. Das sollte eigentlich unsre Richtschnur sein, daran sollten wir uns tagtäglich orientieren und nicht daran, wie viele Auflagen jede unserer Zeitungen hat. Ist sicher auch wichtig. Wir sollten uns auch nicht am Schulterklopfen unserer Kolleginnen und Kollegen orientieren, die uns für einen schnellen Scoop vielleicht mal gratulieren, obwohl das nur eine Eintagsfliege ist, die wir am nächsten Tag wieder dementieren müssen. Wir sollten uns wirklich auf die Grundfragen unserer Berufsexistenz zurückbesinnen und uns tagtäglich fragen: Was ist eigentlich das Ziel und die Aufgabe unserer Tätigkeit?"

„Die Chance besteht darin, mich auf das zu konzentrieren, was die anderen Medien nicht können. Das Internet kann nicht den Hintergrund liefern, die Glaubwürdigkeit liefern, all diese Dinge. Die Glaubwürdigkeit im Internet liegt wieder nur bei den Brands – also bei den Marken – der etablierten Medien. Das heißt, wenn Sie schauen, wer schaut welche Nachrichtenseiten, dann sehen wir sehr schnell, Sie sehen in Wirklichkeit die, die Sie aus dem Printbereich, aus dem Fernsehbereich oder sonst woher kennen. Man schaut bei der BBC oder man schaut bei CNN, oder man schaut bei uns, wies bei uns ist, bei den Zeitungen oder beim ORF.“

Auch darin besteht die gegenwärtige Krise. In einer Abkehr vom Kerngeschäft und in einer zu großen Diversifizierung. Alle setzen auf Multimedia. Printmedien machen Radio und Fernsehen. Öffentlich-rechtliches Fernsehen wildert in Showformaten von Privatsendern.

„Die Rendite in der Branche, das muss man immer deutlich sagen, waren sehr gut. Sie waren sehr gut, sie sind auch heute trotz Krise sehr anständig. Das Problem ist glaube ich, dass man eine Art Monopolstrategie verfolgt hat. Man hat zwei Dinge gemacht: man hat geglaubt, alles was an neuen Medien kommt, ist eigentlich Zeitung und hat versucht, es in diese Häuser zu integrieren. Dabei haben sich meines Erachtens viele übernommen, weil die Medien Internet, Radio und Fernsehen eben verschieden sind. Da laufen auch ganz verschiedenste Dinge ab. Man hat aber überall investiert, hat die Multimediaverlags- oder Medienhäuser entstehen lassen und hat sich meiner Meinung nach überfordert.“

Die neuen Medien haben die derzeitige Krise wohl beschleunigt, können dafür per se aber nicht verantwortlich gemacht werden. Bei Qualitätsjournalismus geht es um Inhalte und nicht ob diese auf Papier, elektronisch oder digital vermittelt werden. Diese Strategie fährt auch die renommierte Neue Züricher Zeitung, die wohl als herausragendes Beispiel für Qualitätsjournalismus im deutschsprachigen Raum gilt. Längst ist aus der NZZ die Mediengruppe NZZ geworden, die zahlreiche Blätter in der Schweiz aufgekauft hat und zum Produktportfolio des Unternehmens gehören Radio und Fernsehen ebenso wie Zeitschriften, Buchverlage und eine ganze Reihe von Onlinemedien. Auch die NZZ fährt einen strikten Sparkurs in ihrer Personalpolitik, spart bei Infrastrukturen wie Korrespondentenbüros. Betrachtet man das Internet lediglich als neues und zusätzliches Transportmittel für sorgfältig aufbereitete journalistische Informationen, dann könnte man auch die Debatte anders führen, meint Markus Spillmann, Chefredakteur der Neuen Züricher Zeitung.

„Letztlich gilt es heute stärker denn je darum, dass wir Inhalte herstellen müssen. Die Verteilung oder die Distribution dieser Inhalte über verschiedene technische, analoge, digitale Träger – also sprich Printprodukte, Zeitung, Wochenzeitung, Magazine, aber eben auch Onlineangebote wie e-Papers, mobile Anbindung, bis hin zum Fernsehen, zum Radio – die sollten den Qualitätsstandard nicht definieren sondern allenfalls die Ausprägung des Angebots, das ja Medium gerecht sein muss. Sie können nicht online gleich betreiben wie ein Printprodukt. Und das ist sicher die Zäsur.“

Eine Zäsur, die sich einerseits auf das Berufsbild des Journalisten, der Journalistin auswirkt und andererseits auf die Finanzierung.

„Der Redakteur hier in Zürich hat heute eine andere Funktion, oder muss handwerklich mehr können als noch vor 20 Jahren. Es gab ein Produkt, eine Zeitung und das war´s. Und heute haben sie halt mehrere Ebenen auf denen sie diese Form von publizistischer Qualität leisten müssen. Und das ist anspruchsvoll und das hat sich zweifellos verändert. Am Ende entscheidet der Konsument wieder, die Leserin, der Leser, über welchen Kanal sie oder er diese Form von Qualität beziehen will und betriebswirtschaftlich gesprochen ist die Herausforderung zurzeit die: kriegen wir für diesen Inhalt einen fairen Preis unabhängig vom Träger.“

Zumal in einer Zeit, in der viele Informationen gratis angeboten werden. Mit seriösem Journalismus haben diese in vielen Fällen zwar nichts zu tun, dem Qualitätsjournalismus schaden sie allemal. Und die Konzerne schneiden sich ins eigene Fleisch.

„Man hat angefangen, sich selbst, wenn man so will und hart formuliert, zu kannibalisieren. Verlage, wie hier auch in der Schweiz, die kostenlos jeden Morgen eine doch relativ aufwendig gemachte Zeitung verschenken und verteilen, müssen natürlich in Kauf nehmen, dass sich ihre Leserzeit, also die Zeit, die man den Printmedien zuwendet, stagniert oder gleich bleibt. Sie können vielleicht eine gewisse Teilpopulation erreichen, aber die Teilpopulation, die ohnehin stark mit dem Internet aufwächst – das sind ja die jüngeren – werden sich fragen, „warum soll ich eigentlich so viel Geld für die NZZ, oder für den Standard oder die Presse aufwenden?“. Also man macht sich in gewisser Weise Preis-Leistungs-Verhältnisse kaputt und man hat Schwierigkeiten, dann höhere Preise durchzusetzen.“

Auch Markus Spillmann hat nicht die Lösung parat, wie man gleichzeitig eine Qualitätszeitung machen und damit Geld verdienen kann.

„Da gibt’s die einfachen Rezepte, die ja von Rupert Murdoch über Axel Springer bis hier eben jetzt auch in Zürich bei einer NZZ diskutiert und gewälzt werden, nämlich wir müssen auch im Online Inhalte bezahlt machen. Oder aber eben Diskussionen wie können wir auf der Marke, quasi auf der Absenderkompetenz mit vertikalen Angeboten, also segmentspezifischen Angeboten, Zusatznutzen schaffen für den Konsumenten, für den er bereit ist, überdurchschnittlich viel zu bezahlen?“

James Curran, Direktor des Goldsmiths Leverhulme Media Research Center in London, halt nichts davon, die Leserschaft für Inhalte im Internet zur Kassa zu bitten. Als Beispiel bringt er die New York Times, die ihre Inhalte im Internet kostenpflichtig machen wollte. Das habe nicht funktioniert.

„The effect of charging is that there will be a sharp reduction in the number of visitors to those sites. That will entourage the advertising that comes with them.”

Wenn es etwas kostet geht die Zahl der Internetbesucher auf diesen Seiten drastisch zurück. Was wiederum die Werbeeinnahmen reduziert, so Curran. Nur Pornographie und Finanzinformationen sind verkaufbare Daten, meint er.

„It seems that there are two categories of information that can be charged for: One is pornography and the other is financial information.”

„Diese Finanzierung von Infrastrukturen, die wir ansonsten wie in der Bildung oder im Bereich der öffentlichen Sicherheit akzeptieren – wir hoffen nie, dass es brennt. Aber wir sind bereit zu zahlen, dass es eine Feuerwehr gibt, dass es Rettungsdienste gibt und andere Dinge mehr – dieses Denken glaube ich, das müssen wir für die Medien erst aufbauen. Das man weiß, man braucht so etwas gesellschaftlich, es sollte auch marktlich bereitgestellt werden, dann muss man auch bereit dazu sein, einen gewissen Preis dafür zu zahlen.“

Ähnlich optimistisch ist auch Markus Spillmann, Chefredakteur der Neuen Züricher Zeitung. Qualität wird sich durchsetzen, ist er überzeugt.

„Ich bin vor allem sehr zuversichtlich, dass es genügend Leserinnen und Leser gibt, die weiterhin Qualität wollen und auch bereit sind für diese Qualität zu bezahlen.“

Im Sinne der demokratiepolitischen Bedeutung von Qualitätsjournalismus, ist es zu wünschen, dass es auch weiterhin eine Leser-, Hörer- und Seherschaft gibt, der seriöser Journalismus etwas wert ist, meint der Züricher Medien- und Kommunikationswissenschaftler Ottfried Jarren.

„Es kommt ja eigentlich darauf an, die Medien in den Checks und Balances der Gesellschaft zu sehen, zur Politik wie zur Wirtschaft. Und dafür brauchen sie autonome Spielräume, und das können eigentlich nur gut qualifizierte Journalistinnen und Journalisten, die autonom agieren können und dürfen, mit den entsprechenden Ressourcen ausgestattet leisten.




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