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Journalisten im Spannungsfeld der PR

Report beleuchtet diese Thema anlässlich der Veröffentlichung des Public-Value-Berichts 13/14

Transkription
Geradezu liturgischen Ernst prägt die Szene, wenn sich Kanzler und Vize den Medien präsentieren, begleitet und beschützt von zwei Sprecherinnen.
„Herzlich willkommen zum Pressefoyer nach dem Ministerrat. Herr Bundeskanzler, bitte.“
Erfunden hat diesen allwöchentlichen Termin Bruno Kreisky. Der Trubel war groß, die Akustik schlecht wenn er auf Tuchfühlung ging mit den Journalisten. Im Laufe der Zeit wurden die Requisiten mehr, der Abstand größer und Kreiskys Begründung verblasste. „Jeder von uns, der im öffentlichen Leben steht und so hohe Funktionen bekleidet muss sich gefallen lassen, dass das was er tut auch außerhalb seines Amtes der öffentlichen Beurteilung unterliegt.“ Die Zahl der Kameras und Mikrofone hat sich seither vervielfacht und ebenso die Schar der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für einen sehr geordneten Ablauf sorgen. „Herr Pándi, bitte.“ „Ja, Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, wenn sie jetzt retrospektiv die Budgetdebatte über die Bildung noch einmal zurückverfolgen und sie sich selbst Haltungsnotgen geben müssten, was ist denn da schiefgelaufen? Ist es inhaltlich schiefgelaufen, kommunikationstechnisch oder beides?“ „Es ist leichter in einem Land zu sagen, wir müssen sparen, damit wir uns das weiter an Qualitäten leisten können was wir benötigen, als das dann im Einzelfall durchzuführen.“ Im direkten Meinungsaustausch, wie er bis zu Kanzler Vranitzky üblich war, kam es immer wieder zu Dialogen wie jenem legendären zwischen ORF-Reporter Ulrich Brunner und Kreisky. „Lernen sie ein bisschen Geschichte, dann werden sie sehen, Herr Reporter, wie das in Österreich sich damals im Parlament entwickelt hat.“ „Herr Bundeskanzler, mir sind die Ereignisse der ersten Republik bewusst aber wir sind ja jetzt in der Zweiten Republik.“ „Das ist ja kein Grund, das ist eine sehr primitive Formulierung, da müssten sie überhaupt keine Geschichte mehr lernen, dann hat sie überhaupt keinen Sinn.“ Jeder Minister verfügt heute über mehr Pressesprecher als einst der Kanzler. Die Vor-, Auf- und Nachbereitung jeder Politikeraussage ist Routine. Ja selbst Staatssekretäre haben mehrere Mitarbeiter, die für sie sprechen. Öffentlichkeitsarbeit, Public Relations oder kurz PR ist der Trend – in der Wirtschaft noch viel mehr als in der Politik. Zugleich sinkt die Zahl der Journalistinnen und Journalisten, die sich um die Auswahl und Bewertung von Informationen kümmern können. Große Unternehmen beschäftigen oft mehr PR-Mitarbeiter als Journalisten in Fachressorts arbeiten, weiß der FH-Professor: „Das Verhältnis von Journalisten zu PR-Leuten hat sich dramatisch verändert. Es war in den USA im Jahr 2010 1 zu 2,5 und jetzt ist es 1 zu 4,5 und vor 20 Jahren war es überhaupt ziemlich genau 1 zu 1, also ausgeglichen. „Wir beobachten jetzt eine steigende Asymmetrie. Auf der einen Seite die Unternehmen, die wahnsinnig viel Geld in PR und Lobbying investieren und auf der anderen Seite die Medien die, wie wir ja sehen, wahnsinnig sparen müssen. Printredaktionen, aber auch im Online-Bereich wird gespart, Radio – und damit sehen wir da auf der einen Seite eine Flut an Informationen auf uns einbrechen, es wird immer schwieriger da zu selektieren, eine Auswahl zu treffen. Wo das Geld zuhause ist wird offensichtlich, wenn Unternehmen wie die Signa Holding zum lockeren Austausch von Informationen und Ideen ins Innenstadtpalais laden. Wenn Immobilienunternehmer René Benko ruft, folgen die Großen aus PR, Wirtschaft und Medien. Noch wichtiger als solch klassisches Lobbying und Medienbearbeitung wird die Verbreitung nützlicher Informationen auf einer Vielzahl eigener Kanäle. Das Internet bietet eine rasch wachsende Zahl von sozialen Netzwerken, Blogs und Foren an, die ein Teil des Publikums zur Alternative zu klassischen Medien annimmt. „Das Internet bietet eine Fülle von Informationen an, aber die Quelle ist nicht nachprüfbar. Dort kann jeder hineinstellen was er will, das können Lobbyorganisationen sein, das können Unternehmen sein und damit wird es für den Konsumenten nicht nachvollziehbar, wie seriös und wie unabhängig eine Information ist. Während die traditionellen Medienkanäle Fernsehen, Rundfunk, Printmedien garantieren, dass eine Information überprüft von Journalistinnen und Journalisten recherchiert an die Medien, an die Medienkonsumenten transportiert wird.“ Doch auch traditionelle Medienhäuser wie die Moser Holding produzieren neben der Tiroler Tageszeitung auch bezahlte Inhalte für Unternehmen. Bei Styria gehört das frühere Redaktionsgebäude des Wirtschaftsblattes in Wien nun ganz allein der Tochterfirma Styria Multi Media und ihren Titeln. Selbst Verlage wie Falter oder Der Standard besitzen Unternehmen, die journalistische Auftragsarbeiten für Firmen und Institutionen erledigen. Im selben Haus, doch streng getrennt von der Standard-Redaktion entsteht hier eine breite Palette von Auftragswerken. „Corporate Publishing ist ja das Storytelling der Unternehmenskommunikation, das heißt wir verbinden journalistische Inhalte mit emotionalen Bildstrecken zu Kundenzeitschriften, zu Mitarbeiterzeitschriften aber auch zu Spenderzeitschriften. Und die Wertschätzung auch besonders für gedruckte Magazine ist nach wie vor eine sehr hohe.“ 17 Leute hat die Agentur, 450 die Standard Medien AG insgesamt. Können solche Geschäfte nicht doch die Unabhängigkeit der Zeitung gefährden? „Dieses Thema kennen wir seit es Anzeigen gibt. All diese Firmen sind ja schon Kunden gewesen, bevor wir Corporate Publishing gemacht haben, sie sind Anzeigenkunden. Hier haben wir gelernt als unabhängiges Medium nicht erpressbar zu sein. Ich sehe da meine Aufgabe als Geschäftsführer auch der Redaktion den Rücken frei zu halten. Wenn ein Unternehmen glaubt, wegen unserer Berichterstattung stornieren zu müssen, dann sollen sie das tun. Wir haben erfreulicherweise eine wichtige andere Einnahmenseite, das sind unsere Abonnenten, die uns unsere Unabhängigkeit garantieren.“ Auch der nächste Trend kommt online. ‚Native Advertising‘ ist die Umschreibung für Werbung die in der Aufmachung von Artikeln ihr Publikum sucht. Auch angesehen internationale Medien machen hier mit. Wie behält man da den Durchblick? „Der Konsument kann erstens aufmerksam lesen, denn meistens ist das Ganze irgendwo klar gekennzeichnet. Wenn man aber nicht wirklich genau schaut übersieht man die Kennzeichnung Werbung oder ‚promoted content‘ oder wie das dann immer heißt. Der Konsument kann also genau schauen und er sollte wahrscheinlich eher die Medien konsumieren und kaufen, die solche Dinge nicht machen. Übersichtlicher waren die Verhältnisse früher, nicht notwendigerweise besser. Bruno Kreisky wusste die Medienleute immer gut zu bedienen. Der geniale Medientaktiker beschrieb schon vor drei Jahrzehnten das Dilemma des heimischen Journalismus in höchst verständnisvollen Sätzen. „Ich weiß selber wie schwierig es mir oft fällt, mich in eine Materie hineinzuversetzen und da ihre Herausgeber so geizig sind und sich nicht mehr Redakteure leisten muss es dazu kommen, das sie also immer wieder nur an der Oberfläche oft haften bleiben, weil es ja nicht geht. Sie haben ja keine Zeit, sich so mit einem Problem zu befassen wie es notwendig wäre, das ist meine Erklärung des Dilemmas in dem sich der österreichische Journalismus befindet.“ Journalisten sollten seine subtil verpackte Kritik an ihrer Oberflächlichkeit beachten. „Herzlichen Dank für ihr kommen, auf Wiedersehen.“ Die Rituale haben sich gewandelt, die Ansprüche an solide, seriöse Berichterstattung hingegen nicht.

In der Informationsgesellschaft vervielfacht sich das verfügbare Wissen, und immer wichtiger wird die Frage, wer diese Informationen verteilt, sammelt und aufbereitet. Der langfristige Trend ist unübersehbar: Einer schrumpfenden Zahl von Journalistinnen und Journalisten stehen immer mehr Pressesprecher in Ministerien und Interessenvertretungen gegenüber, und rasch wachsende Kommunikationsabteilungen von Unternehmen produzieren und kontrollieren Nachrichteninhalte selbst. Im Rahmen des Public-Value-Programmschwerpunkts des ORF analysiert Robert Wiesner diese aktuellen Herausforderungen für den Qualitätsjournalismus.


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