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Brücken bauen

Public Value Bericht 2015/16: Mag. Peter Baminger – ORF-»Thema«


Bürgerbeteiligung und Partizipation waren die großen politischen Schlagworte der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Seit den nuller Jahren ist das Prinzip, das diesen Begriffen zugrunde liegt, in den »New Media« angekommen und bildet seither die Grundlage sozialer Netzwerke, die den traditionellen Medien im Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit zunehmend Marktanteile abnehmen. Deshalb ist es wichtig, dass sich die »Old Media«, wie analoge TV-Sendungen, um dieses Prinzip bemühen. Dass sie dabei nicht nur Unterhaltungsformate wie Casting-Shows oder den Song Contest berücksichtigen, sondern auch Info-Formate, ist für mich das Gebot der Stunde. Es geht um echtes, authentisches Bemühen, Anliegen und Fragen von Bürgerinnen und Bürgern ernst zu nehmen, aufzugreifen und in den öffentlichen Diskurs einzuspeisen.

Die Redaktion der Fernsehsendung »Bürgerforum« hat es sich von Beginn an zur Aufgabe gemacht, einen Brückenschlag zu versuchen: Bürgerinnen und Bürger sollen mit jenen Menschen auf Augenhöhe gebracht werden, die sie regieren oder die zumindest wesentliche Bereiche ihres, also des öffentlichen Lebens mitbestimmen.

In der Praxis wird in der Sendungsvorbereitung zuerst das Thema präzisiert. Dabei ist es der Redaktion wichtig, nur solche Themen auszuwählen, die gleichzeitig an Stammtischen im ganzen Land, von Bregenz bis Eisenstadt, diskutiert werden. Weniger wichtig ist die Aktualität. Dafür hat ORF 2 schon aktuelle Sendungen wie den »Runden Tisch« oder »IM ZENTRUM«.

Das »Bürgerforum« muss also nicht zu Beginn eines gesellschaftlich breit diskutierten Themas stattfinden. Es muss nicht einmal um den Höhepunkt dieser Diskussion sein. Er reicht, wenn es zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem man meint, alles, was dazu zu sagen ist, wurde bereits gesagt. Dann denkt der ORF an die Bürgerinnen und Bürger und daran, ob die das Thema auch noch anders betrachten und bewerten können als die vielen Expertinnen und Experten, die sich dazu bereits geäußert haben.

Seit 2008 haben 15 Sendungen stattgefunden und praktisch jede Ausgabe war ein Beispiel dafür, dass der/ die »einfache Bürger/in« von der Straße den Fokus aktueller Diskussionen neu setzen kann: die Finanzkrise 2008, die Eurokrise 2010, die Diskussion um »die Türken« 2011, die Wehrpflicht 2013 oder zuletzt die Flüchtlingskrise 2015 – die erfolgreiche Partizipation der Bürgerinnen und Bürger zeigt sich auch durch die hohe Akzeptanz des Publikums. Hohe Reichweiten und Marktanteile, die politische Diskussionssendungen üblicherweise nicht erreichen, sind der Ausweis für das Gelingen des Konzepts.

Aber es geht beim »Bürgerforum« nicht nur um diesen quantitativen Erfolg. Die Redaktion lässt jedes Thema von einer Meinungsumfrage begleiten, um so auch objektivierte Ergebnisse auf den Märkten der Meinungen zu finden. Die Umfragedaten werden dann abgeglichen mit möglichst vielen Gesprächen, die die Redaktion vor Reportage-Kameras auf den Straßen und Plätzen, Einkaufszentren und Flaniermeilen quer durch ganz Österreich führt. Das »Matchen« dieser Ergebnisse führt dann zum Rekrutieren des Publikums.

Ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger kann sich im Studio aktiv einbringen, Fragen stellen und Meinungen äußern, zwei Drittel können klatschen oder murren. Immer versucht die Redaktion mit dem Publikum ein Bild Österreichs zu zeichnen. Stets sind ein wenig mehr Frauen im Studio als Männer. Trotzdem melden sich meistens die Herren vermehrt und die Damen zurückhaltender. Dem Moderator Peter Resetarits und seiner langjährigen Moderationserfahrung ist es zu danken, dass am Ende stets eine fast punktgenaue Verteilung der Wortmeldungen erfolgt – im Publikum, wie bei den Verantwortungs- und Entscheidungsträgerinnen und -trägern. Die Qualität des TV-Formats definiert sich aus der Summe der redaktionellen und journalistischen Vorbereitungen, der Strukturierung durch Beiträge und Grafiken und vor allem durch die Gäste der Sendung: Die, die im Zentrum stehen, genauso wie die, die aus der hintersten Reihe auch endlich einmal zu Wort kommen dürfen. Nichts ist gestellt, nichts ist bezahlt, alles ist authentisch. Das ist Public Value im ureigenen Sinn und öffentlich-rechtlich par excellence.

Der Autor
Peter Baminger verantwortet »Thema« und »Bürgerforum« und ist Vizepräsident des österreichischen Journalistenclubs.




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