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Annäherung statt Anbiederung

Public Value Bericht 2015/16: Patrick Rina – ORF Südtirol


Mit einiger Verwunderung hab ich den Beginn der heurigen Ausgabe des RTL-»Dschungelcamps« registriert. Die Tatsache, dass es in Deutschland eingeschworene Fanclubs dieses absonderlichen Guckkastens gibt, hat mich grübeln lassen. Ist der »Dschungelcampismus« ein gesellschaftliches, ja ein zivilisationshistorisches Phänomen, auf welches auch öffentlich-rechtliche Medien reagieren sollten? Ist das Ausstrahlen solcher Sendungen ein Zeugnis einer ehrlichen Annäherung an die Unterhaltungswünsche des Publikums? Darf Quantität die Qualität auch im ORF verdrängen, nur weil die orakelhafte Einschaltquote als apodiktischer Gradmesser interpretiert wird? Vielen zeitgenössischen Fernsehgestaltern zum Trotz würde ich alle drei Fragen mit einem klaren »Nein« beantworten. Die Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Mediums ist nicht das Hinterherlaufen hinter ephemeren Tendenzen, sondern das Kennenlernen der wahren Stimmungen, die beim »Volk« – einer zweifelsohne schwierig zu definierenden Masse – vorherrschen.

Es gilt, die »echten« Stimmungen ausfindig zu machen – nicht jene, die ein Produkt der Medien sind. Das, was der Kulturkritiker Günther Anders einst auf das Fernsehen bezogen hatte, kann heute auch auf das Internet umgemünzt werden: Die von Medien erschaffenen Bilder suggerieren, Abbilder der Realität zu sein. Der Mensch beginnt, sich dem anzupassen. Das Zerrbild der Wirklichkeit wird für viele zur Realität. Journalistisch professionell agierende Medien haben die Aufgabe, dieses Zerrbild zu zerlegen. Das Verlangen des Publikums nach Seriosität ist groß. Zum Glück gibt es auch heute noch Zuschauer/innen, Hörer/innen und Online-Leser/innen, die von einem Service Public Exklusivität und Niveau erwarten. Denn nicht jede/r traut der hybriden Figur des »Prosumers« (Producer und Consumer in einer Person), der die Wirklichkeit auf YouTube fernab der »Lügenpresse« und vor allem »ungefiltert« deuten will. Öffentlich-rechtliche Medien können das Vertrauen ihrer Nutzer/innen nur dann festigen, wenn sie keine Bürgernähe durch seichte Unterhaltung und pseudodemokratische Votings heucheln, sondern Nähe zu den Menschen in der Berichterstattung leben.

Dazu zählt in erster Linie das Anwesendsein unter den Menschen und das Greifbarsein für die Menschen. Die sozialen Netzwerke haben zwar neue Formen der Kommunikation geschaffen, doch es ist ein Irrtum, in der Virtualität das allein selig machende Mittel zu erblicken. Ein guter Journalist verspürt den Drang, mit den Menschen, über die und für die er berichtet, in direkten Kontakt zu treten. Das persönliche Gespräch ist wichtiger als das anonyme Geplätscher im World Wide Web. Solche Gespräche sind seit jeher das Geheimrezept eines guten Regionaljournalismus. Fallbeispiele aus der eigenen Stadt oder dem eigenen Bundesland, die etwa dazu dienen, ein internationales Thema zu erläutern, helfen den Mediennutzerinnen und -nutzern bei der Verinnerlichung und Bewusstwerdung eines Sachverhalts. Information und Emotion fließen ineinander, lösen Empathie aus, vermitteln Nähe.

Halt und Orientierung schenkt einzig die Identifikation mit dem Vertrauten, mit der Herkunft. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die »Bundesland heute«-Sendungen wohl die einzigen österreichischen Fernsehformate sind, die es noch vermögen, den Kreis der Familie in einen Halbkreis zu verwandeln. Sie gaukeln den Zuschauerinnen und Zuschauern keine am Schreibtisch eines Drehbuchautors erdachte Wirklichkeit vor, sondern versuchen, Authentizität zu transportieren. Regionalität heißt Bürgernähe, weil Signifikat und Signifikant der Information eine spannende Einheit bilden, die von den Medienkonsumentinnen und -konsumenten verstanden wird.

Journalistisch korrekt wiedergegebene Regionalität schöpft aus dem Leben der Menschen, beugt sich nicht der einfältigen »società dell’applauso« (Gesellschaft des Beifalls), vor der der frühere Leiter der italienischen Nachrichtenagentur ANSA, Sergio Lepri, stets gewarnt hat. Regionalität entdeckt jeden Tag das Publikum neu. Wie der Kommunikationsexperte Peter Vorderer schon 1998 in seinem Standardwerk »Fernsehen als ›Beziehungskiste‹« dargelegt hat, kann vor allem das Fernsehen eine parasoziale Interaktion zwischen Mediengestalter/innen und -nutzer/ innen herstellen. Wenn ein Medium sein Augenmerk auf lokale Geschehnisse legt und sich dessen Journalistinnen und Journalisten »unters Volk« mischen, um zu eruieren, wo der Schuh drückt, wird aus der in Redaktionssitzungen salbungsvoll beschworenen »Bürgernähe« eine tagtäglich gelebte Realität. Erst dann gelingt eine Annäherung an die echten Bedürfnisse der Menschen. Eine plumpe Anbiederung an die vermeintlichen Zuschauerinteressen durch eine niveaulose Exkursion ins »Dschungelcamp« ist dann (zum Glück) überflüssig.

Der Autor
Patrick Rina ist Redakteur bei »Südtirol heute« im ORF-Fernsehen.


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