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Ein guter Jahrgang

Public Value Bericht 2015/16: Mag. Clemens Stadlbauer – Ö3


Da saßen sie also, der Manu und der Marco, auf ihren Barhockern in der gläsernen Wunschhütte am Grazer Mariahilferplatz, am Abend des 23. Dezember, und zupften nervös auf ihren Gitarren herum, weil Robert Kratky und Andi Knoll, die Moderatoren des Ö3-Weihnachtswunders, sie gleich ansagen würden. Eine absolute Weltpremiere für den Leadgitarristen und für den Sänger von Wanda, der angesagtesten und erfolgreichsten Rockband des Jahres. Noch nie zuvor haben sie einen ihrer Hits unplugged gespielt. Doch jetzt gleich würde es so weit sein. »Auseinandergehen ist schwer«, »Bologna« und »Bussi Baby« in der Akustikversion. Extra für diesen ganz besonderen Abend einstudiert. Der Auftritt war natürlich ein Triumph. Und er war ein Dankeschön. Ein Dankeschön von Wanda an Ö3 für den Support in diesem Jahr. Dafür haben die beiden sogar extra ihren Urlaub unterbrochen. Wir wissen das natürlich sehr zu schätzen. Gegenseitiger Respekt ist schließlich die beste Grundlage für eine gute Zusammenarbeit.

Und jetzt stests mit de Glasln au, würden Seiler und Speer zu einem anderen, für eine gute Zusammenarbeit auch nicht ganz unwesentlichen Aspekt überleiten. Denn gute Musik will, nein, muss auch gebührend gefeiert werden. So einen guten Jahrgang wie 2015 wird es wahrscheinlich so schnell nicht wieder geben. Nostalgiker üben sich schon in romantischen Vergleichen mit den Anfängen des Austropop. Wobei ein Wolfgang Ambros oder ein Peter Cornelius längst nicht so kometenhaft aufgestiegen sind wie Wanda oder Seiler und Speer, die sich binnen kürzester Zeit anschicken, getrennt voneinander, die Wiener Stadthalle auszuverkaufen.

Dass sie sich überhaupt getraut haben, die größte Konzert-Location Österreichs zu buchen, liegt zu einem wesentlichen Teil auch an Ö3. »Wenn Ö3 ›Bussi Baby‹ nicht so oft gespielt hätte«, sagt Wanda-Manager Stefan Redelsteiner, »dann hätten wir niemals in so kurzer Zeit aus der Alternativ-Szene heraus ein so breites Publikum im Mainstream gewonnen.« So gesehen amüsiert es uns sehr, wenn dauergrantige Musikfunktionäre wie Walter Gröbchen nicht müde werden, in diversen Aussendungen besserwisserisch darauf hinzuweisen, dass zum Beispiel Ö3 Seiler und Speer viel zu spät für sich entdeckt habe.

Zur Erklärung. Ö3 ist nicht Avantgarde. Es geht uns nicht darum, die Ersten zu sein. Das ist nicht unser Job. Ö3 ist Pop. Unser Ehrgeiz muss viel mehr darin liegen, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Als Ö3 begonnen hat, Seiler und Speer auf Rotation zu nehmen, hatte ihr Smash-Hit »Ham kummst« schon zwei Millionen Klicks auf YouTube. Kurz nach Beginn des Ö3-Airplays waren es fünf Millionen, mittlerweile steht das Video knapp vor der 10-Millionen-Grenze. Und Österreich war plötzlich das einzige Land auf der ganzen Welt, wo Adele mit ihrem Comeback-Hit »Hello« nicht wochenlang auf Platz eins der offiziellen Verkaufscharts einbetoniert war. So gesehen war unser Timing eigentlich ganz okay.

Und hier noch eine schöne Veranschaulichung, worum es wirklich geht. Auf der Facebook-Seite von Seiler und Speer hat Gregor Swoboda aus Wels am 28. Jänner 2016, also knapp neun Monate nach Veröffentlichung der CD, folgenden Eintrag gepostet: »Sehr geehrte Damen und Herren, ich muss mich auf diesem Weg bei Ihnen entschuldigen, dass ich jetzt erst auf Sie aufmerksam geworden bin, nachdem das öffentlich-rechtliche Radio Sie gespielt hat.« Hauptsache, der Song ist angekommen. Draußen in den Kfz-Werkstätten, in den Büros, in den Geschäften, in den Wirtshäusern und Zuhause bei den Müttern, Vätern und ihren Kindern. »Ham kummst« ist ein Gassenhauer, den nun alle mitsingen können. Auch all jene Menschen, die keiner coolen Szene angehören, sich aber dank Ö3 bequem am Laufenden halten können, was musikalisch in Österreich gerade so abgeht.

Und weil vorhin schon einmal der Name Wolfgang Ambros gefallen ist: Auch der hat 2015 ein Highlight gesetzt. Klar, seine Songs laufen nur noch selten auf Ö3, weil sie nicht in unser Format passen. Womit er selbst übrigens kein allzu großes Problem hat. Dafür hat es ihn umso mehr gefreut, als er im Rahmen einer großen Ö3-Programmaktion von Zehntausenden Hörerinnen und Hörern zum LateNight-Act am Nova Rock, Österreichs größtem Rockfestival, gewählt worden ist. Und als dann um 1.00 Uhr Früh 40.000 Kids auf den Pannonia-Fields in einer lauen Sommernacht lautstark und textsicher »Skifoan« mitgesungen haben, war das ein unglaublich emotionaler Moment. Weil er dem sichtlich gerührten Wolfgang Ambros so deutlich veranschaulicht hat, dass seine großartigen Lieder für immer in den nächsten Generationen weiterleben werden.

Jung und Alt vereint haben auch The Makemakes. Zumindest im gemeinsamen Unverständnis über die Null Punkte beim Eurovision Song Contest in Wien. Wie leicht wäre es gewesen, die Band danach wie eine heiße Kartoffel fallen zu lassen. Aber so etwas gehört sich nicht. Denn rein musikalisch sind die drei Jungs aus dem Salzkammergut eine Macht. Und im Hitradio geht’s nun mal in erster Linie um gute Musik. The Makemakes haben weiterhin abgeliefert, Ö3 hat sie weiterhin gespielt.

Und auch Conchita Wurst hat sich dank regelmäßigen Ö3-Airplays schon längst vom Eurovision Song Contest emanzipiert und als eigenständige Künstlerin etabliert. Conchita ist ein Star, auf den wir stolz sind. Genauso wie auf Tagträumer, auf Bilderbuch, Christina Stürmer, Klangkarussell, Parov Stelar, Julian Le Play, Krautschädl und auf James Cottriall, deren Karrieren wir von Anfang an begleiten – und somit vielleicht auch ein bisschen pushen – durften. Momentan beschäftigen wir uns sehr gerne mit Lemo, mit Filous, ZOE, Virginia Ernst, Mista M, Ro Bergman, mit den Purple Souls, den Nihils und anderen hoffnungsvollen österreichischen Talenten. Von all denen werden wir in Zukunft hoffentlich noch viel hören. Scheint so, als ob auch 2016 ein ganz guter Jahrgang für österreichische Popmusik wird.

Und tatsächlich. Dieser Text kommt ganz ohne das böse Wort Quote aus. Keine selbstverpflichtete Quote. Keine von außen auferlegte Quote. Keine Quote weit und breit. Vielleicht ist sie ja überflüssig? Weil Ö3 gute Musik aus Österreich sowieso spielt. Ganz selbstverständlich. Und mit großer Freude. Einmal mehr, einmal weniger, je nach kreativem Output der heimischen Musikszene. Die Qualität muss halt passen. Und sie sollte gefallen. Nicht den Musikfunktionären, sondern unserem Publikum, den Ö3-Hörerinnen und -Hörern. Nur ihnen fühlen wir uns verpflichtet. Bussi.

Der Autor
Clemens Stadlbauer ist Verantwortlicher des Musikjournalismus bei Hitradio Ö3 sowie Romanautor.






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