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Eine Frage der Haltung

Public Value Bericht 2015/16: Dr. Andreas Heindl MSc – ORF-Schulung


Als ich in den frühen 1990er Jahren meine ersten Fernsehbeiträge machte, gab es für mich keine schönere Arbeit, als mit dem Fernsehen Geschichten zu erzählen, Reportagen zu machen, an großartigen Sendungen mitzuwirken und am Tag nach der Ausstrahlung mit der U-Bahn zu fahren und zu hören, wenn darüber gesprochen wurde.

Laufend lernte ich von den Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion. Allerdings war das nicht selbstverständlich. Warum sollten sie mir etwas erklären, jemandem etwas zeigen, den man nicht kannte? Allzu eindringliches Nachfragen war dabei eher unbeliebt. Anerkennende Bewunderung, Interesse an der Technik, der Erfahrung und der Überlegungen für eine Entscheidung waren da schon hilfreicher – sowie zu zeigen, dass man es auch umsetzten konnte.

Es bestätigte sich in weiterer Folge, dass es leichter ist, sich aktiv einzubringen, nachzufragen und um Hilfe zu bitten, als zu warten, ungebeten belehrt und zum Lernen aufgefordert zu werden. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, zu wissen, was gebraucht wird, und zu erkennen, was man noch lernen soll. Mittlerweile ist es eine Grundtugend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im sich verändernden ORF, besonders für Führungskräfte und Projektverantwortliche. Sie sind selbst der Ungewissheit, die mit – etwa durch Digitalisierung, Konvergenz, allgemein: zum Teil disruptiven Umbrüchen im Medienmarkt – verursachten Veränderungen einhergeht, ausgesetzt und sollten gleichzeitig in ihrem Zuständigkeitsbereich steuernd und gestaltend einwirken. Zumindest wird es von ihnen erwartet. Es ist eine Frage der Haltung, nicht so sehr der Bildung und des Mutes. Auch wenn diese Eigenschaften dabei sehr förderlich sind. Es geht um die Haltung, sich für Veränderungen zu öffnen und ihnen neugierig und unvoreingenommen entgegenzutreten, in Erfahrung zu bringen, was sich ändern soll und was gebraucht wird, sich im Kontext zu reflektieren und das weitere Handeln entsprechend danach auszurichten. Es ist immer angenehmer, sich aktiv zu verändern, als sich ummodeln zu lassen.

Die Schulungsabteilung bietet für die laufenden Veränderungen im ORF entsprechende Schulungen und Unterstützungen. Sei es für den Umgang mit der neuen Technik, den Umgang mit der Informationsflut, dem neuen multimedialen Newsroom, der Zusammenarbeit in den neuen Büroräumen, der Förderung der Innovation oder der Kommunikation bei den laufenden Veränderungen.

Mit der ORF-Akademie wurde ein neues Ausbildungsschema für das multimediale Arbeiten etabliert. Das Programm hat sich bewährt. Der ORF öffnete sich wieder für die Jungen. Die Trainees, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Curriculums genannt werden, arbeiten im ersten Ausbildungsjahr in vier Abteilungen und absolvieren ein Ausbildungsprogramm im Umfang von 540 Lehreinheiten. Im zweiten Jahr arbeiten sie in einer Abteilung mit und erhalten vertiefende Schulungen. Die Trainees können nach der zweijährigen Ausbildung in allen Bereichen redaktionell und medienübergreifend arbeiten. Im Unterschied zu den Volontärprogrammen der ARD bildet der ORF nur so viele Redakteurinnen und Redakteure aus, wie er danach auch weiter beschäftigen kann. Aufgrund der positiven Resonanz und dem bewährten Ausbildungsformat wird das Konzept der ORF-Akademie 2016 erstmals auf die Technische Direktion ausgeweitet.

In diesem Sinn muss sich auch die Schulungsabteilung mit den ständigen Veränderungen auseinandersetzen, passende Konzepte für die jeweiligen Anforderungen anbieten. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist der ständige Dialog mit den ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern, mit den Führungskräften, den Schulungsabteilungen anderer Rundfunkstationen, den Fachhochschulen und Universitäten sowie den Trainings- und Beratungsinstituten. Die Trainingsprogramme müssen an die Bedürfnisse und Anforderungen der jeweiligen Direktion und Abteilung angepasst werden.

Schulungen bedürfen genauso wie ein Beitrag im Radio, Fernsehen oder Internet einer Recherche, einer Dramaturgie sowie einer sozialen Interaktion, in der das gemeinsam mit anderen sich Aufmachen und Denk- und Handlungsräume zu öffnen sogar stärker zur Geltung kommen als beim Fernsehen oder Radio. Es ist aufregend, in einer Gruppe, die sich möglicherweise das erste Mal in so einer Konstellation begegnet, eine Atmosphäre und einen Rahmen zu schaffen, in dem die Einzelnen den Anderen von vornherein so viel Vertrauen entgegenbringen, sich aufeinander einzulassen, sich in einer gewissen Hinsicht auch eine Blöße zu geben, auf die geschaut werden darf, ja, über die möglicherweise auch gesprochen werden soll. Erst dort, wo man seine Grenzen auslotet, möglicherweise auch überschreitet, sich der Möglichkeit zu scheitern öffnet, findet Lernen statt. Diese Möglichkeitsräume erfordern einen stabilen Rahmen und erfordern Vertrauen. Diesen Rahmen zu schaffen, ist die Aufgabe der Schulungsabteilung.

Nachdem ich nun doch schon einige Jahre im Schulungsbereich des ORF tätig bin und ihn seit sieben Jahren leite, weiß ich, dass ich mich in meinen Anfangsjahren im ORF geirrt hatte. Ich habe erfahren, dass es für mich etwas noch Schöneres gibt, als Fernsehbeiträge zu machen und Geschichten zu erzählen, nämlich andere dabei zu unterstützen, sich und den ORF zu entwickeln. Es ist herausfordernd, in Zeiten der raschen Veränderungen, der technologischen Entwicklungen und der knappen Ressourcen, passende Themen und Formate anzubieten und zu positionieren. Für mich wurde in diesen Jahren deutlich, dass Entwicklung nicht nur heißt, sich auf den Weg zu machen, sondern sich auch für das Neue aufzumachen. Aufmachen ist Bedingung für Neues.

Der Autor
Andreas Heindl leitet die ORF-interne Schulung.






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Digitalisierung und Multimedialität sind zentral
Vanessa Peiker, ORF-Schulungsabteilung
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Eine Frage der Haltung
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