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Ein unabdingbarer Lieferant

Public Value Bericht 2015/16: Univ.-Prof. Dr. Jens Lucht & Univ.-Prof. Dr. Mark Eisenegger – Universitäten Zürich und Salzburg


Der Informationsjournalismus befindet sich in einer strukturellen Krise. Vor dem Hintergrund von Digitalisierung und der sich damit ausbreitenden Gratiskultur im Medienbereich, welche die Finanzierungsgrundlagen des Informationsjournalismus gefährdet, und durch das Hinzutreten internationaler »Big Player« besonders im Online- und Social-Media-Bereich (z. B. Google oder Facebook), welche die durch die Kommerzialisierung der Medien hervorgerufenen Verdrängungs- und Konzentrationstendenzen noch verschärfen, gerät auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk vermehrt unter Druck und in die öffentliche Diskussion.

Immer häufiger wird gefragt, ob man sich im 21. Jahrhundert aufgrund der medientechnischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte eine solche Institution noch leisten soll oder muss. Es werden dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu hohe Kosten, Konvergenz mit privaten Anbietern oder zu große Staatsnähe vorgeworfen. Und neuerdings wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk verstärkt auch als Konkurrenz für die privaten Medienanbieter angesehen. Die Palette der Vorwürfe ist breit. Auf einen Nenner gebracht: Es wird gefragt, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk heute noch einen Public Social Value darstellt und zu einer funktionierenden Öffentlichkeit beitragen kann.

Was aber zur Beantwortung dieser Frage meistens fehlt, ist die ausreichende Beachtung der demokratietheoretischen Grundlagen moderner Staaten, aus denen hervorgeht, welche Funktionen in einer heutigen, ganz überwiegend massenmedial hergestellten Öffentlichkeit von den Massenmedien und hier speziell vom Informationsjournalismus erfüllt werden müssen. Des Weiteren fehlen in der Diskussion über die Massenmedien im Allgemeinen und über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Speziellen meist aus diesen Grundüberlegungen abgeleitete Qualitätsnormen, mit denen man Medieninhalte analysieren und ihre Wertigkeit für die Gesellschaft bestimmen kann. So ist es nicht erstaunlich, dass in dieser Diskussion empirische Belege, welche Leistungen von verschiedenen Medientypen erbracht werden, in der Regel Mangelware sind. Solche empirischen Belege zur Qualität und zum gesellschaftlichen Beitrag sind aber unerlässlich, um eine Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk valide zu führen. Dieses Manko ein Stück weit zu beheben, war das Anliegen der Studie.

Dabei konnte am Beispiel der Schweiz gezeigt werden, dass sich die Krise im Informationsjournalismus sowohl von Seiten der (Re-)Finanzierbarkeit der Informationsproduktion als auch von Seiten der Nutzerinnen und Nutzer, die sich vor allem bei den jüngeren Bevölkerungsgruppen vermehrt qualitätsschwachen Softnews-orientierten Medieninhalten zuwenden (was nicht zuletzt auch an der immer stärkeren Verwendung mobiler, digitaler Abspielgeräte liegt), weiter verschärft. Diese Zuwendung zu digitalen Angeboten führt dazu, dass klassische Medien wie der Rundfunk generell mit einem Nutzungsrückgang zu kämpfen haben, die Informationsformate des Rundfunks hiervon aber in besonderem Maße betroffen sind. Darüber hinaus wird durch diese Entwicklungen die Finanzierbarkeit von Fernseh- und Radioangeboten schwieriger, da Werbe- und sonstige Finanzmittel verstärkt in andere Kanäle und Branchen fließen, vor allem zu globalen Tech-Giganten wie Google oder Facebook.

Es konnte weiter gezeigt werden, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk trotz dieser Probleme nach wie vor qualitativ die besten Informationsangebote in der Schweiz bietet. Die privaten Rundfunkangebote oder die Angebote im Onlinebereich, die von einigen Kritikern als Substitut für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesehen werden, liegen in den Qualitätswerten weit hinter denen des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens. Auffallend dabei ist, dass gerade die Online-Medien nicht zuletzt als Folge des Tempodiktats häufig besonders schlecht abschneiden. Sie sind regelhaft von geringerer Qualität als ihr »Muttermedium«, was sich in den Online-Angeboten der Pressehäuser deutlich zeigt. Auch Social Media sind kein Ersatz für guten Qualitätsjournalismus, da Softnews-lastige Inhalte in solchen Netzwerken eine besonders große Chance haben, viral verbreitet zu werden.

Vor dem Hintergrund dieser empirischen Ergebnisse zeigt unser Beitrag, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in der digitalen Medienwelt des 21. Jahrhunderts ein unabdingbarer Lieferant von Informationen zu Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur bleibt. Er trägt somit maßgeblich zur Ermöglichung der politischen Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger und zur gesellschaftlichen Integration bei. Klar ist aber auch, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Entwicklungen im Medienbereich nicht ignorieren kann. Es müssen vermehrt Anstrengungen unternommen werden, um auch im digitalen Bereich mit gutem Informationsjournalismus präsent zu sein. Hier könnte sich die Zusammenarbeit mit Medienunternehmen anbieten, die ebenfalls im digitalen Sektor tätig sind, wenn dadurch weitere Verbreitungskanäle erschlossen werden könnten. So könnte man auch daran denken, in den Social-Media-Bereich verstärkt ein qualitativ hochwertiges journalistisches Angebot einzuspeisen, um vor allem die jungen Mediennutzer/innen wieder besser mit gutem Informationsjournalismus zu erreichen. Es erscheint wenig sinnvoll, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk genau in diesem Bereich zu beschränken, wie es zum Teil gefordert bzw. umgesetzt wurde. Im Gegenteil: Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Medienpolitik, die digitale Welt mit gutem Informationsjournalismus zu versorgen.

Die Autoren
Jens Lucht leitet das Projekt »Europäische Öffentlichkeit« am IPMZ/SUZ der Universität Zürich.
Mark Eisenegger ist Präsident des »fög« und lehrt in Zürich und Salzburg.

[Download Studie "Public Social Value"]
[Download Public-Value-Bericht]


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