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Die öffentlich-rechtlichen Medien als vertrauenswürdige Informationsquelle

Dr. Andreas Olbrich-Baumann, Universität Wien, Institut für Psychologie


Einen Diskurs über den Public Value von öffentlich-rechtlichen Medien zu führen ist für Sozialpsychologen ein leichtes Spiel – sollte man glauben. Denn es gibt in der Kommunikationsforschung sehr viele einschlägige Ergebnisse, die zeigen, dass Medien, die vom Publikum geschätzt werden, Einfluss auf die Informationsverarbeitung und auf die Meinungsbildung haben und dass die Informationsverarbeitung gründlich erfolgt, wenn die Information als relevant und wichtig dargestellt wird.

Eine gründliche Informationsverarbeitung führt zu einer stabileren Meinung und zu einer Verhaltensveränderung des Publikums in die gewünschte Richtung. Diese frühen Ergebnisse aus den 1940er bis 1980er Jahren sind oftmals experimentell belegt und bestätigt worden. Wenn wir uns auf ein Medium beschränken und wir davon ausgehen, dass das Medium weiß, was es will und was es macht, sind diese Aussagen dieser Studien ausreichend, um die öffentlich-rechtlichen Medien zu verteidigen und ihren »Mehrwert« für die Kommunikation zu propagieren. Doch ganz so einfach ist es leider nicht.

Wenn nämlich zwei Medien vorliegen, dann orientieren wir uns bei Fragen des »guten Geschmacks« und bei Einschätzungen (»Wer ist der größte Abfahrer aller Zeiten?«) an jenem Medium, das uns sehr ähnlich und sympathisch ist sowie unserer Sozialisation entspricht – und uns in gewisser Weise Spaß macht. Bei Faktenwissen hingegen orientieren wir uns eher an jenem Medium, das uns kognitiv ein bisschen »überlegen« ist.

Mit diesem Ergebnis sieht man, dass die öffentlich-rechtlichen Medien die Konkurrenz des Privaten benötigen. Der Public Value liegt somit in der Diskrepanz.

Wenn wir weiter davon ausgehen, dass öffentlich-rechtliche Information zu einer gründlichen Informationsverarbeitung und zu einer Internalisierung der Meinung und einer Verhaltensänderung führt, dann müssen wir uns auch die kolportierte Meinung, das Gezeigte bzw. das Gehörte ein bisschen näher anschauen. Und damit kommen wir auf den »Serien-Montag« und den »Krimi-Freitag« zu sprechen. Was sieht das p. t. Publikum an diesen Tagen im Fernsehen? Mord, Totschlag, Aggression, amerikanische Rechtssprechung. Oftmaliger Konsum von aggressiven Filmen und Serien führt zu Aggression bei den Zusehern. Bewusst und unbewusst. Und es führt zu einer Überschätzung der Mordrate und einer Reduktion des Sicherheitsgefühls in der Nachbarschaft. Dutzende Male wissenschaftlich untersucht, Dutzende Male bestätigte Aussagen (siehe die Meta-Analysen von Anderson 1997). Kritiker des öffentlich-rechtlichen Fernsehens würden daraufhin antworten: Raus mit den Krimis und Serien aus dem ORF! Spaß gehört zu den Privaten! Unterhaltung raus, Information rein! Doch so simpel ist es wiederum nicht. Wir müssen uns nämlich die Frage stellen, wie das p. t. Publikum lernen soll, mit Aktivierung und negativer Emotion (Aggression, Gefahr und auch Spannung = Suspense!) umzugehen, wenn es damit nicht konfrontiert wird? Hier besteht wieder der Mehrwert des Öffentlich -Rechtlichen. Durch Publikumsräte und Kontrollinstanzen werden Mechanismen eingebaut, welche die Präsentation der Gewalt auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Maß reduzieren.

Menschen sind bemüht in Harmonie zu leben, doch zu viel Harmonie wird auch nicht gewollt. In einer kaum beachteten sozialpsychologischen Untersuchung von Prischel aus den 1970er Jahren wurden Personen harmonische und disharmonische Geschichten zur Beurteilung vorgelegt. Die Versuchspersonen schätzten zwar einige Zeit lang die harmonischen Geschichten als sehr positiv ein, reduzierten diese Einschätzung aber, wenn es zu viele Geschichten von der gleichen harmonischen Art gab. Die erste disharmonische Geschichte, die unangenehme Gefühle auslöste, wurde dann als positiv gesehen. Die nächste disharmonische wurde wieder abgewertet und man kehrte gern wieder zu den harmonischen Geschichten zurück. Übersetzt auf den Alltag bedeutet das: Zu viel Rosamunde Pilcher führt zur Konsumation eines guten Krimis und umgekehrt! Und für unsere Diskussion über das Öffentlich-Rechtliche: Schauen Sie sich ruhig einen Privaten an, sie werden auch wieder zum ORF zurückkehren. •


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© ORF
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