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Werte schaffen Werte

#Bernhard Natschläger, Redakteur und Dramaturg Fernsehfilm


Am 2. März 2018 machte es in Wien Landstraße bei noch immer winterlichen minus fünf Grad um sieben Uhr in der Früh deutlich hörbar „Klack“.

Warum ist das wichtig? Und was war da passiert? Die Antwort: Der erste von insgesamt drei in diesem Jahr vorgesehenen ORF-TATORTen begann zu drehen. Die beiden Hauptdarsteller, an die dreißig Teammitglieder und ein paar früh aufgestandene Schaulustige waren dabei, als die erste Klappe von „TATORT – Glück allein“ geschlagen wurde. Auf den ersten Blick war das eine leicht überschaubare Gruppe unmittelbar Beteiligter und Betroffener. Wenn man jedoch tiefer in die Materie eindringt, wird die Streuung von Effekten, die das morgendliche „Klack“ nach sich zog und noch ziehen wird, rasch und um Vieles größer. Wieso? Weil jede Serie, jeder (Kino-)Film, an denen der ORF als Auftraggeber und Finanzier beteiligt ist, sowohl Werte schafft als auch vermittelt. Nur: Mit den Werten ist das so eine Sache. Manche sind eindeutig quantifizierbar, andere sind, was das betrifft, bedauerlicher Weise etwas widerspenstig. Was sich vermittels wirtschaftswissenschaftlicher Input-Output-Modelle inzwischen gut berechnen und belegen lässt, sind die direkten, indirekten und induzierten volkswirtschaftlichen Effekte des ORF-Fernsehens.

Die jüngsten Zahlen zu dieser Materie stammen immerhin aus 2012, die Systematik dahinter ist dagegen datumsunabhängig. Matthias Firgo und Oliver Fritz vom Wifo sowie Gerhard Streicher von Joanneum Research haben in einer genauen Analyse (Firgo, Matthias/Fritz, Oliver/Streicher, Gerhard: „Die volkswirtschaftlichen Effekte des ORF-Fernsehens (2013)) zahlreiche Effekte isolieren können: „Jeder Euro an Bruttowertschöpfung, der im ORF im Bereich Fernsehen in Form von Löhnen und Gehältern sowie Abschreibungen entsteht, trägt 3,20 Euro zur gesamtgesellschaftlichen Bruttowertschöpfung teil; auf eine im Bereich Fernsehen im ORF beschäftigte Person (in VZÄ) kommen 5 Beschäftigte in anderen Bereichen der österreichischen Wirtschaft“(A.a.O., Seite 11).

Der Schwerpunkt der Effekte konzentriert sich zwar auf Wien, allerdings sind auch deutliche regionale Effekte in den Bundesländern nachweisbar. Zwar konstatiert der österreichische Filmwirtschaftsbericht (http://filmwirtschaftsbericht.filminstitut.at/13/filmwirtschaft/unternehmenumsaetze-und-beschaeftigte/), dass die heimische Filmlandschaft im österreichischen Gesamtaufkommen eine relativ kleine Branche ist, welche aber höchst dynamisch und in ihrer Gewichtung signifikant wachsend ist, was vermutlich ebenfalls auf die bereits erwähnten indirekten und induzierten Multiplikator-Effekte zurückzuführen ist.

Förderung von Talent vor und hinter der Kamera
Was die volkswirtschaftliche Bedeutung und die durch das ORF-Fernsehen angestoßenen Effekte betrifft, herrscht in der Fachliteratur de facto Konsens. Die ökonomische Relevanz – und ja, auch die damit einhergehende Verantwortung – der Fernsehproduktionen des ORF ist hinlänglich klar belegbar. Allerdings produziert und schaffen das fiktionale Programm des ORF, die Dokumentationen, die vom ORF mitfinanzierten Kinofilme nicht alleine wirtschaftlich quantifizierbare Werte. Das alleine ist zwar im Sinne des verantwortungsvollen Umgangs mit Ressourcen und Geld eine unverzichtbare Basis – noch dazu eine belegbare Erfolgsgeschichte – es umfasst aber noch nicht alle relevanten Wertmaßstäbe. Um diese zu verdeutlichen, kehren wir gedanklich nochmals zum eingangs erwähnten Drehstart des ORF-Tatorts zurück und lassen uns von den Begriffen „Kreativität“, „Talent“ und „Diskurs“ leiten.

Jede Filmproduktion bindet und fordert ausnahmslos von allen daran Beteiligten ein hohes Maß an Kreativität – vom Autor/der Autorin, der Regie, der Bildgestaltung, der Ausstattung, Kostüm, Maske, selbstverständlich den Darstellerinnen und Darstellern, aber auch von Redaktion, Produzenten und Technikern. Je häufiger und je regelmäßiger kreativ Arbeitende bei Filmproduktionen zusammenarbeiten können, desto umfassender wird das Potential der österreichischen „Creative Industry“ ausgeschöpft und darüber hinaus mit Wachstumsimpulsen angeregt – gewissermaßen haben wir es auch hier im übertragenen Sinn mit Multiplikator-Effekten zu tun. Effekte, die sich wohlgemerkt nicht alleine auf die dabei generierten Umsätze beziehen, sondern auch auf die inhaltliche und künstlerische Qualität der vollbrachten Leistungen.

Damit keine Missverständnisse entstehen – hohe filmische Qualität entsteht natürlich nicht bloß aus Routine und regelmäßiger Wiederholung. Es ist gerade für den ORF ein großer Wert, den Kontakt zu Talenten zu suchen, ihnen Betätigungsfelder und Chancen zu bieten und von ihrer Innovationskraft zu lernen. Teams, in denen Erfahrene und Newcomer zusammenarbeiten, werden gerne zusammengestellt, regelmäßig bekommen junge Regisseurinnen und Regisseure in wichtigen Reihen und Formaten eine Gelegenheit, sich vor großem Publikum zu bewähren. Für Catalina Molina, die Regisseurin von „Tator – Glück allein“ war dieser Tatort nach dem Landkrimi „Die Drachenfrau“ erst ihr zweiter Fernsehfilm, Christopher Schier lieferte mit „Tatort – Wehrlos“ überhaupt sein Fernsehfilmdebut, sowohl Schier als auch Barbara Eder arbeiteten zuvor bei den „CopStories“ erstmalig in einer großen Serienproduktion.

Zur Anregung der österreichischen Kreativwirtschaft, zahlreichen volkswirtschaftlichen Effekten und der sorgfältigen Förderung von Talenten vor und hinter der Kamera kommt schließlich noch ein weiterer, im engsten Sinn inhaltlicher Aspekt zum Tragen: Die Fiction-Produktionen des ORF zielen immer in mehr als eine Richtung – sie zielen auf Bauch, Herz und Hirn. Im Optimalfall – und dem nähern wir uns zum Glück oft an – verbinden sich Emotion und Unterhaltung mit einem signifikanten Beitrag zur Steigerung des gesellschaftlichen Diskurses. Quer durch die Genres und Formate gilt die Prämisse „Hier geht es um etwas, das es wert ist erzählt, gezeigt und reflektiert zu werden“.

Es ist klar, solche prinzipiellen Überlegungen sind auf den ersten Blick recht weit entfernt von den volkswirtschaftlichen Modellen, mit denen Wirtschaftswissenschaftler analytisch an das ORF-Programm herangehen. Umso wichtiger und umso erfreulicher, wenn es zwischen ihnen, den programmatischen Ansätzen von Programmgestalterinnen und -gestaltern und nicht zuletzt auch der Akzeptanz beim Publikum Parallelen in der Einschätzung gibt: Werte zu vertreten und Wert zu schöpfen, beim ORF-Programm sind die direkten und indirekten Effekte positiv!


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