DE | EN
DE | EN
© ORF
[Eine Seite zurück]

Die Zukunft des Sports

#Reinhard Christl, Mitglied des Public-Value-Beirats der RTR


Eine einzige Zahl genügt, um die Situation auf dem Markt für Sportübertragungen zu beschreiben: In England kostet es umgerechnet mehr als zehn Millionen Euro, ein einziges Spiel der Fußball-Premier-League übertragen zu dürfen. Die Preise für Übertragungsrechte populärer Sportarten, allen voran Fußball, sind in den vergangenen Jahren explodiert. Sie haben sich innerhalb kurzer Zeit verdoppelt bis verfünffacht.

Die Folge: Öffentlich-rechtliche Sender haben es heute viel schwerer als in der Vergangenheit, Übertragungsrechte für populäre Sport-Events zu bekommen. So betrachtet, ist der Verlust der Fußball-Champions League und der Bundesliga, die der ORF 2017 zu beklagen hatte, im internationalen Vergleich nichts Besonderes. In hoch entwickelten Medienmärkten wie Großbritannien ist es seit Jahren eine Selbstverständlichkeit, dass die großen Fußball-Ligen nur im Pay-TV zu sehen sind. Ein Ende der Kostenexplosion in Sachen Übertragungsrechte ist derzeit nicht abzusehen. Welche Folgen hat diese Entwicklung für die Qualität des Sportjournalismus? Was bedeutet sie für das Publikum? Und wie sollen öffentlich-rechtliche Sender darauf reagieren?

Embedded Journalism ist ein Problem, auch im Sport
„Embedded Journalism“ hat nicht zu Unrecht keinen guten Ruf. Seit Journalisten im Irak-Krieg gemeinsam mit US-Streitkräften marschierten und zum Sprachrohr der US-Regierung wurden, gilt er als das Gegenteil von unabhängigem Journalismus.

Embedded Journalism gibt es nicht nur in der Politik. Auch im Sport haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr Abhängigkeiten, Verquickungen und Gegengeschäfte zwischen Objekten der Berichterstattung einerseits und Berichterstattern andererseits eingeschlichen. Pay-TV-Sender, vereinseigene TV-Programme und verschiedenste Social Media-Kanäle zeichnen immer öfter ein geschöntes und interessengeleitetes Bild von Sportevents. Zum Beispiel im Fußball. Bei der Fußball-Europameisterschaft 2016 etwa wurden Fan-Ausschreitungen von der Bildregie des Veranstalters UEFA konsequent ausgeblendet. Kritischer Sportjournalismus ist in den privaten Medien kaum zu finden und für die öffentlich-rechtlichen immer schwerer möglich. Eine Einordung dessen, was auf dem Rasen, auf der Piste oder auf der Rennstrecke passiert, in gesellschaftliche und politische Zusammenhänge wird in den neuen Medien und Privatsendern nicht wirklich geboten. Dabei gäbe es eine Menge zu hinterfragen und zu kritisieren: Korruption, undurchsichtige Vergabe von Olympischen Spielen, Wetterbetrügereien, Fanausschreitungen, Doping. Vieles davon wird von den privaten Medien verschwiegen, weil seine Erwähnung ihr Business- Modell stören würde. Wer embedded ist ins Geschäft, macht sich nicht dessen Grundlage kaputt.

Ein interessanter Spezialfall von „Emdedded Sports Journalism“ bereichert seit einigen Jahren die österreichische Medienlandschaft: der Red-Bull-Sender Servus TV. Er macht hochprofessionelle Sportsendungen, keine Frage. Die Sport-Show „Sport und Talk im Hangar 7“ ist derartig aufwändig produziert, dass sie sich der ORF in dieser Form kaum leisten könnte. Trotzdem sind die in der Sendung gebotenen Sport-Diskussionen oft erstaunlich langweilig. Der Grund dafür ist einfach: Manche Positionen sind nur selten zu hören, würden sie doch zu oft mit den Interessen von Red Bull in Konflikt geraten, wenn es etwa um Todesfälle in von Red Bull gesponserten Extremsportarten geht. Oder um die Krise der Formel 1. Andererseits stehen immer mehr Zuseherinnen und Zuseher der mit der Explosion der Übertragungsrechtekosten einhergehenden Überkommerzialisierung des Sports zunehmend kritisch gegenüber und wollen über dessen Hintergründe informiert werden.

Öffentlich-rechtliche Medien können solche Hintergrundberichterstattung bieten. Als Alleinstellungsmerkmale ihrer Sportberichterstattung können sie dabei auf ihre klassischen Qualitäten setzen: weniger „embedding“ und mehr journalistisch- kritische Zugänge zum Thema Sport, der nicht nur als Produkt, sondern auch als gesellschaftspolitisches Phänomen zu betrachten ist; kritischere Interview-Fragen als bei den Privaten; eine Bildregie, die auch negative und aus Marketing- Sicht unerwünschte Aspekte und Szenen eines Sport-Events, etwa Fan-Ausschreitungen auf den Tribünen, nicht ausblendet; eine ausführliche, die Live-Übertragungen ergänzende Hintergrundberichterstattung, die sich den Schattenseiten des Sports widmet.

Sportjournalismus braucht gute Journalist/innen
Lange Zeit waren im Sport analytische Hintergrundgeschichten, ausführliche Reportagen und kritische Dokumentationen auch bei öffentlich-rechtlichen Sendern wenig gefragt. Live-Übertragungen waren das einzige, was Quoten brachte. Seit einigen Jahren zeichnet sich international eine Trendwende ab: Das Publikum beginnt der Eventisierung und Über-Inszenierung der Sport- Events überdrüssig zu werden. Es wünscht sich wieder mehr Blicke hinter die Kulissen. Klassische Reportagen und Dokumentationen finden wieder mehr Zuschauer, etwa der sensationelle eineinhalbstündige WDR-Dokumentarfilm über Boris Becker („Der Spieler“) oder das legendäre ORF-Portrait zu Ernst Happels 20. Todestag („Als Jose Mourinho ein Österreicher war“). Von privaten Medien ist in dieser Hinsicht nicht wirklich viel zu erwarten. In den öffentlich-rechtlichen sollte es künftig (wieder) mehr davon.

Auch wenn solche hochwertigen Reportagen und Dokumentationen noch so gut gemacht sind, brauchen sie freilich ein entsprechendes Programmumfeld. Sie können Live-Übertragungen nur ergänzen, nicht ersetzen. Wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender keine massentauglichen Sport- Live-Übertragungen im Programm hat, wird er selbst für die großartigsten Sport-Reportagen und -Dokus kaum Zuseher finden. Und ein Sender, der keine Sportübertragungsrechte hat, wird sich schwer tun, Bildmaterial für Hintergrundreportagen zu finden. Fazit: Übertragungsrechte für populäre Sportarten bleiben für öffentlich-rechtliche Medien auch künftig unverzichtbar. Sie müssen sowohl Live-Übertragungen populärer Sport- Events als auch klassische Formate wie analytische Reportagen und Dokumentationen bieten.

Sie brauchen dafür künftig erstens ausreichende finanzielle Ressourcen. Zweitens ausreichend Personal, das regelmäßig und systematisch weitergebildet werden muss, um den veränderten Anforderungen gerecht werden zu können. Drittens schließlich rechtliche Rahmenbedingungen, die ihnen ermöglichen, ihr Sport-Publikum auch in den neuen Medien zu erreichen.



Dieser Beitrag wurde zuerst 2018 auf science.ORF.at veröffentlicht


TransFORM: Digital Sports, Im Gespräch mit Karoline Rath-Zobernig abspielen
TransFORM: Digital Sports
Im Gespräch mit Karoline Rath-Zobernig
"Augenhöhe und Normalität sind mir wichtig", Miriam Labus, Moderatorin "Ohne Grenzen" abspielen
"Augenhöhe und Normalität sind mir wichtig"
Miriam Labus, Moderatorin "Ohne Grenzen"
Menschen bewegen, Gabriela Jahn, Sport+ abspielen
© Grafik: ORF, Bild: ORF/Günther Pichlkostner
Menschen bewegen
Gabriela Jahn, Sport+
Behindertensport – was ist das, und wen interessiert’s?, Daniel Kudernatsch, Österreichischer Behindertensportverband abspielen
© Grafik: ORF, Bild: Daniel Kudernatsch
Behindertensport – was ist das, und wen interessiert’s?
Daniel Kudernatsch, Österreichischer Behindertensportverband
Mein Sportjahr 2018/19, Philipp Maschl, ORF Sport abspielen
© ORF/Maschl
Mein Sportjahr 2018/19
Philipp Maschl, ORF Sport
Die Zukunft des Sports, #Reinhard Christl, Mitglied des Public-Value-Beirats der RTR abspielen
© ORF
Die Zukunft des Sports
#Reinhard Christl, Mitglied des Public-Value-Beirats der RTR
Texte 21 - Sport in öffentlich-rechtlichen Medien, u.a. mit Beiträgen von Reinhard Christl, Verena Burk, Jörg-Uwe Nieland und Georg Spitaler abspielen
Texte 21 - Sport in öffentlich-rechtlichen Medien
u.a. mit Beiträgen von Reinhard Christl, Verena Burk, Jörg-Uwe Nieland und Georg Spitaler
Frankreich wir kommen!, Gerhard Lackner, TV-Sport abspielen
© ORF/Hans Leitner
Frankreich wir kommen!
Gerhard Lackner, TV-Sport
Ein starkes Team als Erfolgsfaktor, Public Value Bericht 2015/16: Benni Raich – Olympiasieger, Weltmeister, Weltcupsieger abspielen
© ORF/Roman Zach-Kiesling
Ein starkes Team als Erfolgsfaktor
Public Value Bericht 2015/16: Benni Raich – Olympiasieger, Weltmeister, Weltcupsieger
Es gehören immer zwei dazu, Public Value Bericht 2015/16:   Dr.in Gabriela Jahn – ORF SPORT + abspielen
© ORF/Günther Pichlkostner
Es gehören immer zwei dazu
Public Value Bericht 2015/16: Dr.in Gabriela Jahn – ORF SPORT +
Live-Kommentar und Expertise beim Ski-Weltcup aus Kitzbühel, Armin Assinger und Oliver Polzer abspielen
© ORF
Live-Kommentar und Expertise beim Ski-Weltcup aus Kitzbühel
Armin Assinger und Oliver Polzer
Hahnenkamm-Rennen: Herausforderungen für Mensch und Technik, Rainer Pariasek und Hans Knauss abspielen
Hahnenkamm-Rennen: Herausforderungen für Mensch und Technik
Rainer Pariasek und Hans Knauss
Unterhaltung bewegt etwas, Schauspielerin Ulrike Beimpold abspielen
© ORF/ Milenko Badzic
Unterhaltung bewegt etwas
Schauspielerin Ulrike Beimpold
Österreichwert oder mehr Wert, Dr. Georg Spitaler, Intitut für Politikwissenschaft, Universität Wien abspielen
Österreichwert oder mehr Wert
Dr. Georg Spitaler, Intitut für Politikwissenschaft, Universität Wien
Das Naserümpfen der Eliten, Mag.a Dr.in Karin Pühringer, Universität Salzburg abspielen
Das Naserümpfen der Eliten
Mag.a Dr.in Karin Pühringer, Universität Salzburg
Vielfalt weckt Interesse, MBA Mag.a Barbara Spindler, Bundesportorganisation abspielen
Vielfalt weckt Interesse
MBA Mag.a Barbara Spindler, Bundesportorganisation
Verantwortung als Format der Zukunft, Mag. Matthias Bogner, Österreichischer Behindertensportverband abspielen
Verantwortung als Format der Zukunft
Mag. Matthias Bogner, Österreichischer Behindertensportverband
Zwischen Auftrag und Kommerzialisierung, Univ.-Prof. Dr. Minas Dimitriou, Universität Salzburg abspielen
Zwischen Auftrag und Kommerzialisierung
Univ.-Prof. Dr. Minas Dimitriou, Universität Salzburg
ORF-Experten/-Expertinnengespräch 2013, Konrad Mitschka, ORF Public Value abspielen
ORF-Experten/-Expertinnengespräch 2013
Konrad Mitschka, ORF Public Value
Texte 11 - Sport und Medien, u.a. mit Beiträgen von Georg Spitaler, Minas Dimitriou und Anita Rieder abspielen
Texte 11 - Sport und Medien
u.a. mit Beiträgen von Georg Spitaler, Minas Dimitriou und Anita Rieder
Sportberichterstattung mit kritischem Charakter, Assoz. Pro. Dr. Minas Dimitriou, Universität Salzburg abspielen
Sportberichterstattung mit kritischem Charakter
Assoz. Pro. Dr. Minas Dimitriou, Universität Salzburg
Die ganze Vielfalt des Sports, Mag.a Barbara Spindler, Generalsekretärin der Österreichischen Bundes Sport-Organisation (BSO) abspielen
Die ganze Vielfalt des Sports
Mag.a Barbara Spindler, Generalsekretärin der Österreichischen Bundes Sport-Organisation (BSO)
Die Jugend motivieren, Dr. Peter Mennel, Generalsekretär des Österreichischen Olympischen Comité (ÖOC) abspielen
Die Jugend motivieren
Dr. Peter Mennel, Generalsekretär des Österreichischen Olympischen Comité (ÖOC)
Zur Bewegung bewegt, Mirna Jukic, ORF Sport + abspielen
Zur Bewegung bewegt
Mirna Jukic, ORF Sport +