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Das Privileg nicht erpressbar zu sein

#Peter Resetarits, "Bürgeranwalt"


In der angeregten Diskussion um die Notwendigkeit eines Öffentlich-Rechtlichen sind bereits alle möglichen „Für und Wider“ herangezogen worden. Ich möchte aus eigener Wahrnehmung ein Pro-Argument vertiefen, das meiner Ansicht nach zu wenig gewürdigt wurde.

Es ist eine Tatsache, dass bei einem starken öffentlich–rechtlichen Rundfunk, der einen durch diverse gesetzlichen Regelungen definierten klaren Auftrag hat, journalistische und wirtschaftliche Interessen streng getrennt werden können. Was ein wenig spröde klingt, ist ein altehrwürdiger hoher Anspruch, der in der modernen Medienwelt wohl ein wenig in den Hintergrund gerückt ist. Man tut sich heutzutage als Medienkonsument oft schwer, redaktionell und werblich Dargebotenes auseinanderzuhalten. Oft geht das auch deswegen nicht, weil Gekauftes und journalistisch Inspiriertes eine seltsame Mischform eingegangen sind. In der ORF-Berichterstattung über Beschwerden aller Art, die Bürger/innen gegen Versicherungen, Banken, Konzerne und sonstige übermächtige Gegner/innen erheben, musste ich noch nie Rücksicht darauf nehmen, dass ein potenter Werbekunde, eine Werbekundin vielleicht vergrämt werden könnte. Wir mussten uns bei den Bürgersendungen über angeblich geprellte, betrogene, schlecht operierte, mangelhaft aufgeklärte, unfreundlich behandelte oder sonst wie „eingefahrene“ Beschwerdeführer/innen nie darum sorgen, dass eine geplante lukrative Werbung im ORF wegen unserer Berichterstattung vielleicht gestoppt oder reduziert werden könnte, oder dass vielleicht eine „Kooperation“ aufkündigt wird.

Mir ist natürlich bewusst, dass dies eine privilegierte journalistische Basis ist, von der aus wir im ORF arbeiten können. Eine, von der Kolleg/ innen in kommerziellen Medien, aber auch in mancher sogenannten Qualitätszeitung nur träumen können. Aber ich halte es für wichtig, dass es eine starke publizistische Stimme im Land gibt, die sich nicht darum kümmern muss, ob ein wirtschaftlich potenter Beschwerdegegner von Konsument/innen verstimmt oder verärgert ist, wenn er öffentlich kritisiert wird. Wir erfahren in aller Regel nicht einmal, ob ein/e Kollege/in von der Marketing- oder Werbeabteilung weinend zusammenbricht, weil unsere Berichterstattung eine potente Werbekund/in vergrault. Wenn dem so sei, weint man heimlich, konfrontiert uns Journalist/innen aber nicht mit den bitteren Vorwürfen. Uns ist natürlich bewusst, dass wir mit dieser publizistischen Macht sorgsam umgehen und genau prüfen müssen, ob das Substrat von Vorwürfen, die wir in die Öffentlichkeit tragen, ausreichend ist, um deshalb eine öffentliche Diskussion oder Auseinandersetzung zu starten. Denn ein zu Unrecht zugefügter Imageschaden ist nur schwer wiedergutzumachen. Es ist uns daher wichtig, niemanden grundlos anzupatzen. Deshalb prüfen wir die bei uns einlangenden Beschwerden, die oft das letzte verzweifelte Mittel „kleiner Leute“ sich zu wehren sind, sehr genau. Nach rechtlichen, aber auch moralischen und journalistisch-ethischen Gesichtspunkten.

Widerstand gegen Konzerne
Gott sei Dank haben wir noch das Personal dafür, dass wir aus den tausenden von Beschwerdefällen, die an uns herangetragen werden, die Spreu vom Weizen trennen können, und allen, denen wir absagen müssen, keine Schimmelbriefe schicken, sondern in schicklicher Weise antworten und sie vielleicht an für sie geeignetere Stellen weiterverweisen können. Aber wir können auch dann, wenn die Gefahr droht, dass sich solche Auseinandersetzungen zu Gericht verlagern, als starker „public watchdog“ anders agieren als kleinere Medienunternehmen. Gut betuchte Konzerne, Immobilieninvestoren, Glückspielautomatenbetreiber, Krankenhausträger, zum Teil Versicherungen oder Banken versuchen nämlich neuerdings mit auf Medienrecht spezialisierten Rechtsanwält/innen kritische Berichte zu verhindern. Meiner Erfahrung nach wird strategisch gezielt der Auftrag an diese Staranwält/innen erteilt, bei unerwünschten Berichten sofort mit teuren Klagen zu drohen und dann tatsächlich zu klagen, was nur irgendwie klagbar ist. Strafrechtlich, zivilrechtlich, bei der Medienbehörde. Auf üble Nachrede, Kreditschädigung, Unterlassung, Widerruf usw. Dadurch soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Berichterstattung in diesen Fällen unerwünscht, teuer, langwierig und sehr mühsam für Journalist/innen und Medienunternehmen ist.

Im Klartext lautet die Forderung, die an uns gerichtet wird: „Spielt das nicht, sonst klage ich euch“. Kleinere Medienunternehmen halten diesem Druck, diesen Prozessen, Kosten und der Drohung „sonst machen wir bei Ihnen keine Werbung mehr“ vermutlich nicht lange Stand. Vielleicht ist dem einen oder anderen unter den geneigten Leserinnen und Lesern dieser Zeilen schon aufgefallen, dass es über bestimmte Branchen erstaunlich wenige kritische Berichte gibt. Ein starker öffentlich-rechtlicher ORF mit Redaktionen, die gute rechtliche Rückendeckung haben und durch ein Redakteursstatut abgesichert sind, können derartige heikle Themen noch umfassend recherchieren, senden, was ihnen journalistisch nötig erscheint und allfällige Klagen mit hohem Streitwert hinnehmen, ohne gleich um ihre Existenz/ ihren Arbeitsplatz zittern zu müssen.

Dieser Journalismus, der jenen eine Stimme gibt, die ansonsten kaum gehört werden, ist nicht überall beliebt, aber es ist wichtig, dass er nicht abgedreht wird.


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