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WERT ÜBER GEBÜHR? Medienethik, Medienverantwortung und Public Value in der pluralistischen Gesellschaft

Univ.-Prof. Dr. h.c. Ulrich H. J. Körtner


von Moral und moralhältigen Themen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der explizit, z. B. durch Diskussionssendungen, und implizit – z. B. durch die Bearbeitung moralhältiger Themen in Spielfilmen und Serien, aber auch durch die „Philosophie“ von Spiel- und Castingshows – zur ethischen Meinungsbildung der Gesellschaft beiträgt. Zum anderen: Was bedeutet das Konzept der Public Values für ethische Unternehmenskultur öffentlich-rechtlicher Sender?

Konzentrieren wir uns auf die zweite Frage. Hier kann man sagen, dass das Konzept der Public Values anschlussfähig für Konzepte einer Medienethik ist, welche diese als Teilbereich der Wirtschaftsethik begreifen. Medienethik erweist sich in der Tat als unzureichend, wenn sie lediglich individualethisch als Journalistenethik oder als Publikumsethik konzipiert wird, die sich auf das individuelle Verhalten der Programmmacher und ihres Publikums beschränkt. Medienethik braucht einen systemischen Ansatz, und das heißt auf der mittleren Ebene: Sie ist als Unternehmensethik zu konzipieren, welche die strukturellen Rahmenbedingungen journalistischer und künstlerischer Arbeit in den Medien kritisch reflektiert.

Nun legt es der Wertbegriff nahe, die theoretische Basis einer unternehmerischen Medienethik in einer materialen Wertethik zu suchen, wie sie im 20. Jahrhundert von Max Scheler und Nikolai Hartmann entworfen worden ist. Nun stammt der Wertbegriff aus der Ökonomie, weshalb die Gefahr einer Wertethik darin besteht, dass die Logik des Ökonomischen, des Auf- und Abwertens, auch die Ethik zu dominieren beginnt. In diesem Fall werden unternehmensethische Grundsätze in einem Wirtschaftsunternehmen lediglich so weit propagiert, wie sie das Betriebsklima fördern und die Akzeptanz der Firma und ihrer Produkte am Markt verbessern. „Ethische“ Produkte oder eine auf Ökologie und Nachhaltigkeit ausgerichtete „Unternehmensphilosophie“ können sich durchaus rechnen. Wieweit aber werden ethische Werte und Normen nicht nur als Faktor der Stabilisierung und Optimierung des Medienbetriebs, sondern auch als Basis möglicher Kritik und Selbstkritik begriffen? Konkret gesagt besteht die Gefahr, dass die ethischen Werte, für die ein Medienunternehmen einstehen möchte, ganz in den Sog der ökonomischen „Zielwerte“ gerät, von denen das ORF-Gesetz dauernd spricht. Das ORF-Motto „Wert über Gebühr“ hat darum etwas Schillerndes, ganz gleich, ob nun gemeint ist, öffentlich und moralische Werte würden auf dem Weg über einen gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefördert, oder aber, dass im Zweifelsfall solche Werte mehr Gewicht als ökonomische Interessen haben.

Auch im Blick auf die strittigen Ligaturen einer pluralistischen Gesellschaft bereitet der Wertbegriff Probleme. Wie schon Max Weber feststellt hat, führt die Rhetorik der Werte zur „Benutzung der ‚Ethik‘ als Mittel des ‚Rechthabens‘“. „Werte“, so warnt der Philosoph Krysztof Michalski, „verbinden nicht, Werte trennen.“ Die Berufung auf Werte führt nämlich immer zur Abgrenzung gegenüber irgendwelchen „anderen“, die aus der eigenen Gemeinschaft ausgeschlossen werden; „erst durch diese Ausschließung wird eine bestimmte, wird jede menschliche Gemeinschaft zu dem, was sie ist, bekommt sie ihren spezifischen Charakter.“ (Michalski).

Statt eines wertethischen Konzepts plädiere ich für ein verantwortungsethisches Konzept von Medienethik. Medienverantwortung im Sinne eines solchen Konzepts beschränkt sich nicht auf die Individuen und ihren Umgang mit den Massenmedien, sondern schließt die systemische Frage nach der ethischen Verantwortung von Medienunternehmen wie auch der Medienpolitik ein. Medienethik in diesem Sinne ist freilich nicht nur als Teilbereich der Wirtschaftsethik zu begreifen, sondern auch eine zivilgesellschaftliche Herausforderung ersten Ranges. •


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WERT ÜBER GEBÜHR? Medienethik, Medienverantwortung und Public Value in der pluralistischen Gesellschaft
Univ.-Prof. Dr. h.c. Ulrich H. J. Körtner
Texte 8, u.a. mit Beiträgen von Ulrich J. Körtner, Josef Seethaler und Helmut Denk abspielen
Texte 8
u.a. mit Beiträgen von Ulrich J. Körtner, Josef Seethaler und Helmut Denk