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Don’t waste the crisis. Public Value als Chance

Klaus Unterberger, ORF Public Value Kompetenzzentrum


Kritiker, Gebührenzahler, ja sogar Politiker haben recht: Wer von der Öffentlichkeit finanziert wird, muss Rechenschaft ablegen, wie diese Gelder verwendet werden. Das gilt für Regierungen, für Universitäten, für alle durch Steuergelder finanzierte Institutionen, es sollte wohl auch für Banken gelten, die durch milliardenschwere staatliche Hilfspakete „gerettet“ werden, jedenfalls gilt es für öffentlich-rechtliche Medien. Der Wert ihrer Medienproduktion erklärt sich längst nicht mehr von selbst. Die überwältigende Konkurrenz kommerzieller Programmanbieter, die Vielzahl der empfangbaren Sender, vor allem aber die Flut an Information und Unterhaltung durch die Online-Medien haben nicht nur ihre ehemals dominierende Position europaweit relativiert, sondern auch das Wissen und das Verständnis über Umfang, Sinn und vor allem den Wert öffentlich-rechtlicher Medien nachhaltig verringert. Ein Reality-Check mit Publikum, Öffentlichkeit und Politik zeigt vor allem eines: Gebührenfinanzierte Medien müssen mehr als je zuvor erklären, wofür sie stehen, worin ihre originäre Qualität, ihr Wert und ihr Nutzen für jene liegt, die sie finanzieren. Das ist zweifellos mühsam und gerät häufig zu einer Abwehrschlacht mit Argumenten, die nur eines im Sinn haben: Platz zu schaffen für die Geschäftsmodelle des kommerziellen Marktes. Erst auf den zweiten Blick ist zu erkennen: Der Legitimationsdruck auf öffentlich-rechtliche Medien könnte im aktuellen Kontext der gesellschaftlichen Entwicklung zu einem entscheidenden Wendepunkt zu ihren Gunsten werden. Finanz- und Medienkrise, soziale Spannungen und Zukunftsängste erschüttern nachhaltig die Gesellschaften Europas. Wann, wenn nicht jetzt, ist zuverlässige Information und Orientierung in schwer verständlichen, komplexen Lebenswelten gefragt? Wann, wenn nicht gerade mitten in der massiven Verunsicherung und Überforderung durch die unübersichtliche Datenmenge im weltweiten Netz, die von einzelnen Mediennutzer/innen kaum mehr auf ihre Authentizität zu überprüfen ist, sind öffentlich-rechtliche Medien als Referenzquelle vertrauenswürdiger Information nachgefragt?


Wer die aktuellen Krisen zu nützen versteht und die gesellschaftliche Nachfrage nach Vertrauen, Zuverlässigkeit und Verantwortung der Medien in Produktqualität umsetzen kann, könnte die Medienentwicklung der nächsten Jahre entscheidend prägen. Tatsache ist: Vieles, was dazu an Wissen, an Erfahrung, an Kompetenz und nicht zuletzt an Infrastruktur nötig ist, liegt in den Händen der öffentlich-rechtlichen Medien. Ihre Funktionsaufträge definieren Aufgaben, die einem Anforderungsprofil eines aktuellen Krisenbekämpfungsmanagements entnommen sein könnten. Die Frage ist: Werden sie rechtzeitig die Chancen erkennen, die damit verbunden sind? Wird es ihnen gelingen, die Qualitäten, die sie in den Nachkriegsjahren stark gemacht haben, zu nützen? Sind sie lernfähig? Bringen sie es zustande, den Nutzen ihrer Programme in die Wirklichkeit der digitalen Medienwelt zu übersetzen? Können sie die Öffentlichkeit von ihrer Leistungsfähigkeit überzeugen? Sind sie in der Lage, den Dialog mit ihrem Publikum, insbesondere den jungen Generationen, aufzunehmen? Vor allem aber: Schaffen sie aus einer nicht immer fremdverschuldeten Defensive heraus, der Öffentlichkeit einen visionären Entwurf für die Zukunft europäischer Medien anzubieten? Wenn ja, wird es Zeit, auch davon zu reden.

1. Der Auftrag: Gemeinwohl statt Renditenwirtschaft

Tatsache ist: Die Kommerzialisierung unserer Lebenswelten hat ein Ausmaß angenommen, das die Grundlagen demokratischer Gesellschaften ernsthaft zu bedrohen imstande ist. Dass der Wert der Menschen anhand ihrer individuellen Kaufkraft und ihrer systemimmanenten Verwertbarkeit gemessen wird, mag Betriebswirte, Märkte und Geschäftsmodelle stimulieren, für egalitäre Gesellschaften müssen andere Beurteilungsmaßstäbe herangezogen werden. Das gilt auch für die Medien, deren historische Entwicklung nicht von Aufklärung, Demokratie und ihrer Funktion als „Vierte Gewalt“ zu trennen ist. Die Kommerzialisierung der Rundfunkmedien hat dazu nur wenig beigetragen. Wer ernsthaft die Qualität von Programmen und Medieninhalten beurteilen will, wird sich - 20 Jahre nach der Einführung des kommerziellen Fernsehens - auch mit dessen Qualität und Wirkung auf die Gesellschaft beschäftigen müssen, etwa der Frage, welchen Beitrag zur Medienqualität ein bis zu 40%iger Werbe- und Promotionanteil und die regelmäßige Unterbrecherwerbung in den Programmen der kommerziellen Sender leistet. Sollte anspruchsvolles Fernsehen nicht ausschließen statt zur Selbstverständlichkeit erklären, dass Drehbuch, Schauspiel, Drama und Fiktion zur willfährig zerstückelbaren Unterlage für kommerzielle Interessen verkommt? Eine substanzielle kritische Analyse der Leistungen oder eben Nivellierungen des Privatfernsehens, eine Bilanz seines ursprünglichen Versprechens nach mehr Qualität und Vielfalt stehen weitgehend noch aus. Kommerzielle Medien werden häufig aus Qualitätsverpflichtungen mit dem Hinweis „entlassen“, für sie bestünde eine nachvollziehbare Gewinnorientierung am Markt. Als ob das die Frage medienpolitischer Verantwortung und die Frage der Wirkungen der Medien auf die politische Kultur und das Selbstverständnis der Menschen in einer demokratischen Gesellschaft außer Kraft setzen würde. Vielleicht ist es Zeit, deutlicher als bisher einer beinahe dominant gewordenen Entwicklungsdynamik entgegenzutreten: dass Medien zunehmend als Waren verhandelt werden, sich ihr Inhalt in einer immer schwerer auseinanderhaltbaren Mengenlage an Werbung und redaktionellem Inhalt darstellt, das Publikum lediglich als anonyme Quotendarsteller und kaufkräftige Zielgruppen wahrgenommen wird. Der kommerzielle Markt ist unübersehbar Teil unserer Wirtschaft und Medienstrukturen, darf aber die gesellschaftlich relevante Funktion der Medien nicht verdrängen: zur Qualität der Öffentlichkeit und politischen Kultur sowie eines gesellschaftlichen Klimas beizutragen, das zu Verständigung und Toleranz befähigt. Die Produktion meritorischer Güter für eine Öffentlichkeit, die die Gesamtheit der Gesellschaft und nicht nur fragmentierte Zielgruppen meint, ist keine kommunikationswissenschaftliche Spitzfindigkeit oder schöngeistige Theorie, sondern vorrangige Aufgabe der Medien. Menschen auf die Komplexität des Lebens vorzubereiten, Orientierungswissen zu schaffen, durch investigativen Journalismus populistische und autoritäre Versuchungen, schleichende Korruption und Missbrauch der Demokratie erkennbar zu machen, dafür zu sorgen, dass Unterhaltung die Lebenswirklichkeit der Menschen widerspiegelt, ist Aufgabe aller Qualitätsmedien. Für Öffentlich-Rechtliche ist es ein erklärter Auftrag, der angesichts der aktuellen Krisen und Verunsicherungen ein weites Spektrum an Chancen eröffnet, Krisenbewusstsein nicht nur lukrativ zu bewirtschaften, sondern dem zunehmend konfliktträchtigen Wandel der Gesellschaft mit Aufklärung und nicht nur mit Geschäftssinn zu begegnen.


2. Erinnerungen an die Zukunft: Werte statt „Anything goes“

Es ist nicht anachronistisch oder hausbacken konservativ, sondern angesichts der digitalen Flut an Information und Unterhaltung ein wirkungsvolles Rezept für eine wahrnehmbare Unterscheidbarkeit gegenüber kommerziellen Medien: eine überprüfbare Wertekultur mit nachvollziehbaren Leistungsmerkmalen, die zurecht von öffentlich-rechtlichen Medien erwartet wird: Relevanz, Unabhängigkeit, Glaubwürdigkeit, Vielfalt, Zuverlässigkeit, Kompetenz und Innovation sind zentrale Eckpfeiler einer Medienproduktion „im Auftrag der Gesellschaft“. Was als nachfrageorientiertes „Anything goes“ der marktgetriebenen Medien dargestellt wird, ist bei Licht besehen schlicht Nivellierung und Spekulation mit der Zuschauergunst, die bereit ist, auf Inszenierung statt auf Authentizität zu setzen und vor der Zurschaustellung privater Lebensumstände nicht zurückschreckt. Gerade weil sich kommerzielle Konkurrenz diesen Aufgaben weitgehend entzieht, sind Selbstverpflichtungen und das klare Bekenntnis zu definierten Werten und Ansprüchen entscheidende Gründe für die Öffentlichkeit, das kostbarste Gut im Verhältnis mit Medien aufzubauen: Vertrauen. Dass stimmt, was berichtet wird, dass nichts durch „unsichtbare Arme“ von Markt und Politik verfälscht wird, dass Zuverlässigkeit und Kompetenz zählen und nicht vorrangig kommerzieller Erfolg. Dass der „Wurm dem Fisch schmecken muss und nicht dem Angler“ (ein Bonmot eines der „Väter“ des deutschen Privatfernsehens, Helmut Thoma) offenbart vor allem Hochmut und Ignoranz gegenüber dem Publikum, das lediglich schlucken soll, was ihm vorgesetzt wird. Öffentlich-Rechtliche haben allen Grund zu widersprechen: Die Rendite der Investoren nützt nicht dem Publikum, die Ausrichtung auf lukrative Geschäftsmodelle garantiert nicht die Qualität der Medien. Medienregulierung im Verständnis von Wettbewerbspolitik erhöht nicht die Qualität der öffentlichen Kommunikation. Eine klare, unmissverständliche Haltung, die sich nicht nur in Defensivpositionen erschöpft, sondern klar zum Ausdruck bringt, wofür sie steht, trägt dazu bei, den originären Gehalt öffentlich-rechtlicher Medien wieder erkennbar und gegenüber kommerziellen Medien unterscheidbar zu machen. Jedes Unternehmen, das seinen USP verliert, verliert auch Wiedererkennbarkeit und Attraktivität. Gebührenzahler/innen müssen wissen, was sie (für ihr Geld) bekommen und welchen Wert und Nutzen diese Leistungen haben. Daher ist es für Public-Service-Medien in ganz Europa entscheidend, ein markantes Profil zu definieren und es als gemeinsame europäische Herausforderung zu kommunizieren, um den ideellen, aber vor allem praktischen Wert ihrer Arbeit deutlich zu machen.


3. Tabus brechen: Realszenarien statt Wunschkonzert

Kein Krankenhaus der Welt vermag es zu bewirken, dass seine Patient/innen auf Zuruf gesund und munter, fit und tatkräftig werden, Übergewichtige plötzlich mit Topmodellfigur brillieren und der Sixpack aus der Werbung auf den eigenen Körper hüpft. Wäre wünschenswert, ist aber erkennbar nicht realistisch. Ähnlich uneinlösbaren Erwartungen steht öffentlich-rechtlicher Rundfunk gegenüber. Die Begehrlichkeiten und Forderungen der Kritiker nach mehr Hochkultur, nach mehr Volkskultur, nach mehr Sport, nach weniger Sport, nach mehr Jugendprogrammen, nach mehr Seniorenprogrammen, nach mehr oder weniger Unterhaltung sind - jede für sich genommen - nachvollziehbar, aber in Summe unmöglich in einem einzelnen Angebot zu realisieren. Öffentlich-rechtliche Medien entsprechen immer einer Infrastruktur, einem Bündel an Angeboten, aus dem sich Mediennutzer/innen ohne auf erhobene edukatorische Zeigefinger achten zu müssen und zunehmend zeitunabhängig bedienen. Spartenkanäle bieten zielgruppenorientierte, besondere Qualitäten für suchende Mediennutzer/innen, Vollprogramme sind der auftragsgemäße Versuch, die gesamte Bevölkerung zu erreichen. Statt sich von überbordenden, unrealistischen Forderung treiben zu lassen, die zwingend in

die Defensive führen, wäre es nicht klüger, klar zu formulieren, was möglich und was unmöglich ist? Der Vergleich macht sicher: Müssen Wiener Fußballfans tatsächlich enttäuscht sein, dass ihre Teams nicht die Champions League gewinnen? Garantieren die Universitäten jedem Studierenden eine glänzende, hochbezahlte Karriere? Versorgt die allgemeine Krankenversicherung die Menschen mit ewiger Jugend? Öffentlich-rechtliche Medien sind kein Wunschkonzert, das auf Zuruf jede Melodie spielt, keine Wundertüte, aus der jeweils das herausfällt, was gerade gefällt. Die Wahrheit ist den Menschen auch in ihrer Rolle als Mediennutzer/innen zumutbar: Von einer Bildungselite darf erwartet werden, dass sie es aushält, dass sich neben hochwertigen, anspruchsvollen Angeboten im Gesamtprogramm auch Formate finden, die ihren Nachbarn, Eltern, den Bewohnern anderer Stadtviertel gefallen, denn auch sie gehören zur Gesellschaft und sind Gebührenzahler/innen. Kritikern ist zuzumuten, dass sie den gebührenfinanzierten Rundfunk nicht mit dem legendären eierlegenden Wollmilchschwein verwechseln. Medienregulierung darf an dem Anspruch gemessen werden, dass sie nicht nur Schiedsrichter zwischen Geschäftsmodellen und öffentlicher Aufgabe spielt, sondern klar und unmissverständlich zum Schutz und zur Förderung von Medienqualität beiträgt. Die über ganz Europa hinweg etablierten Public-Value -Tests für öffentlich-rechtliche Medien sind ein Beweis dafür, dass Evaluierung und Kontrolle nicht immer zu gewünschter Rechtssicherheit, sondern auch zu erheblichen finanziellen Kosten, zu mehr Bürokratie, zu langwierigen Verfahren und letzten Endes dazu führen können, die Innovation und den Leistungsumfang der gebührenfinanzierten Medien zu schwächen. Das ist kein Aufruf für einen Freibrief für Public-Service-Rundfunkanstalten, aber sehr wohl ein Hinweis auf die Verhältnismäßigkeit, die Relevanz, die Wirkung, mit einem Wort die Qualität von Kontrolle. Wie wäre es etwa mit einem Public-Value-Test für die Justiz, für die Universitäten, für alle Lehrer und Professoren? Einem Gemeinwohl-Test für Medienbehörden? Behindern nicht auch die öffentlichen Spitäler oder die Polizei kommerzielle Geschäftsmodelle? Wer Gemeinwohl (ob in den Medien oder anderswo) unter den aktuellen, zunehmend restruktiven Bedingungen und des Abbaus sozialstaatlicher Leistungen einfordert, tut gut daran ihre Existenz zu sichern und nicht durch selektive Überforderung zu dekonstruieren, während sich kommerzielle Geschäftsmodelle, Banken und Investorencluster weitgehender Liberalisierung und öffentlicher Zuwendungen erfreuen.



4. Money matters: Investition in Qualität statt Downsizing

Medienqualität hat einen Preis: Wer den Wert von Medien schätzt, die als 4. Gewalt die Mächtigen und Regierenden in Politik und Wirtschaft durch unabhängige und professionelle journalistische Kompetenz kontrollieren, die Welt analysieren und zu erklären versuchen, muss überall dafür zahlen: Entweder im Abonnement, am Zeitungskiosk oder durch Gebühren. Qualitätsjournalismus ist defintiv kein „free lunch“. Der ORF etwa erhält (nach Abzug u. a. der Landesabgaben) für sein gesamtes Produktspektrum in TV, Hörfunk und Online pro Gebührenzahler und Tag 51 Cent. Der Preis einer einzigen österreichischen Qualitätstageszeitung beträgt durchschnittlich 1,21 Euro. Wer von öffentlich-rechtlichen Medien neue Angebote und hohe Leistungsdichte fordert, hat zweifellos recht. Man muss aber nicht Medienökonom sein, um zu erkennen: Mehr Qualität mit immer weniger Menschen und Ressourcen - diese Rechnung geht nirgendwo auf. Eine Gesellschaft, in der junge Menschen eher eine Jobchance in der PR-Branche finden als in Qualitätsmedien, die Beraterbranche astronomische Honorare verschlingt, während Redaktionen in Qualitätsmedien personell aushungert werden, vernachlässigt den Wert ihrer politischen Kultur. Daher ist die Finanzierung der Medien, insbesondere des nichtkommerziellen Sektors, eine Frage mit enormer gesellschaftlich relevanter Bedeutung. Investition in Medienqualität, so ist den politisch Verantwortlichen mit Nachdruck vorzurechnen, rechnet sich zum Vorteil einzelner Mediennutzer/innen, der Gesellschaft und der politischen Kultur der Gesellschaft. Fremdenfeindlichkeit, blinder Nationalismus, verantwortungsloser Populismus verschwinden nicht per Dekret. Ausreichende Immunität dagegen kann nur eine aufgeklärte Öffentlichkeit bieten.
Dazu leisten öffentlich-rechtliche Medien einen substanziellen Beitrag: Investigativer Journalismus, gesellschaftskritische Dokumentation und Reportage, Befassung mit der eigenen Geschichte, Unterhaltung mit Haltung, Kultur- und Bildungsauftrag, zuverlässige Information, Themenschwerpunkte, die Menschen helfen sich in komplexen Lebenswelten zu orientieren, das alles entspricht Medienqualität, die vor Abgründen zu schützen imstande ist. Es ist ein verheerender Eindruck, wenn Menschen glauben, dass all das im Gegensatz zu Kabelanschluss, DVD-Box und Flatscreen zum Billig- oder Nulltarif zu haben ist. Die einfache Wahrheit, dass Qualität einen Preis hat, ist der Öffentlichkeit mit überzeugenden Argumenten vorzurechnen, politisch Verantwortlichen ist abzuverlangen, dass sie ihre Bekenntnisse zu Medienqualität nicht vom vermeintlichen Einfluss auf Managements abhängig machen, die Chefetagen der Öffentlich-Rechtlichen selbst sind zu einem sichtbaren Schulterschluss mit ihren Leistungsträger/innen in den Redaktionen verpflichtet. Nicht aus Großzügigkeit, sondern aus dem Kalkül heraus, dass billiges „Copy and Paste“ und ein zynisches Downsizing der Journalist/innen das eigene Produkt massiv beschädigt.


5. Let’s roll: Chancenmanagement statt Jammertal

Nichts ist mehr selbstverständlich unter den Bedingungen digitaler Kommunikationstechnologien und den aktuellen Wettbewerbsbedingungen am Markt. Alle Positionen sind umstritten und die Gunst des Publikums ist nicht auf Zuruf zu erwerben. SmartTV wird die Gesellschaft vielleicht nicht klüger machen, aber die öffentliche Kommunikation noch ein Stück weiter in Richtung Geschäftsmodell treiben. Öffentlich-Rechtliche sind daher an vielen Fronten gefordert. Der notwendige Wandel des traditionsreichen „Rundfunks der Gesellschaft“ zu reform- und innovationsbereiten „Medien der Gesellschaft“ erfordert klare Aussagen und Perspektiven, die der Öffentlichkeit vermitteln, dass Public Service nicht die Reste eines ehemals mächtigen Rundfunksektors verwaltet, sondern Kanten und Konturen, eine Vision für die Zukunft, ein attraktives Angebot für sein Publikum hat. Dafür ist vor allem ein Möglichkeitssinn zu aktivieren, der attraktive Optionen kommuniziert, die Freiräume, Beteiligungschancen und Qualitätsallianzen eröffnen. Erfolg wird sich wohl nur dann einstellen, wenn die Generationen der jungen Medienmacher/innen mit ihren vielfältigen, neuen Horizonten und einem Gestaltungswillen, der noch nicht an verhärteten Fronten abgearbeitet ist, die Public-Serivce-Medien als ihre Plattformen entdecken, als „Zukunftswerkstätten“, die sich auf das gesellschaftliche Zusammenleben beziehen.


Man muss kein Prophet sein um vorherzusagen: Die neuen Technologien der weltweit agierenden Gerätehersteller und Medienkonzerne werden unsere schöne, alte Medienwelt noch unzählige Male auf den Kopf stellen. Wir sind eingeladen uns davon beeindrucken zu lassen. Wir können glauben, dass sich irgendwo, auf Knopfdruck, bezahlt oder gratis, die richtige Nachricht schon findet, irgendwer schon dafür sorgt, dass stimmt, was berichtet wird, dass Unterhaltung mit dem Leben der Menschen zu tun haben wird, dass sich irgendwo zwischen den Werbeblöcken ein redaktioneller Inhalt findet und sich davon unterscheidet. Oder wir können die Möglichkeiten, die Erfahrungen, die Strukturen, die Kapazitäten nützen, die gemeinwohlorientierte Medien jetzt und in Zukunft bieten.

„Don’t waste the crisis“ ist eine Erinnerung an die Verbindlichkeit und Wirksamkeit des öffentlich-rechtlichen Auftrags und zugleich eine Ermahnung, die damit in Verbindung stehenden Chancen auch wahrzunehmen. Genau das meint Public Value: Medienqualität zu schaffen, die Menschen nützt. •

Der Artikel ist in TEXTE I (2012) erschienen.


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