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Ziel: Motivation

Univ.-Prof.in Dr.in Anita Rieder, Medizinische Universität Wien


Wie schafft man es, ein passives, aber doch an Sport interessiertes Publikum in ein selbst aktiv bewegliches Publikum zu transformieren? Das ist eigentlich der Anspruch, den Public-Health-Expertinnen und -Experten im Sinne der Gesundheitsförderung und Prävention an das öffentlich-rechtliche Medium haben.

Die Gesundheitsprobleme in der Bevölkerung sind vorrangig von Themen beherrscht, die Bewegungsmangel als Risikofaktor ausweisen, wie zum Beispiel Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, häufige Krebserkrankungen. Bewegungsaktivitäten bedeuten darüber hinaus Förderung der Autonomie und Gesundheit älterer Menschen durch Verbesserung und Stärkung der Muskelkraft, durch Förderung des Gleichgewichts, der Sicherheit und so auch der Sturzprävention, unabdingbare Ziele in Bezug auf die demografische Entwicklung. Der Anteil an Bewegung am präventiven Potenzial ist enorm und wissenschaftlich entsprechend nachgewiesen.


Die Sportbegeisterung in der Bevölkerung im passiven Zustand ist vermutlich wesentlich stärker ausgeprägt als der Drang, sich aktiv am Sport zu beteiligen, das zeigt jede Statistik, die das Bewegungsverhalten der österreichischen Bevölkerung untersucht.

Bei Kindern nimmt die Bewegungsaktivität ab dem zehnten Lebensjahr ab, Mädchen neigen stärker dazu, sich relativ rasch in eine gesteigerte Sportvermeidungshaltung zu begeben. Mit zunehmendem Alter nimmt die Bewegungsaktivität und -häufigkeit auch bei den Erwachsenen deutlich ab. So kommt es zu Zahlen, die zeigen, dass weniger als 50 % der Frauen und unter 60 % der Männer einmal pro Woche als Minimum Bewegung in der Freizeit machen, bei der sie ins Schwitzen kommen und die somit gesundheitsrelevant ist. Die Risikofaktoren wie Übergewicht und Adipositas haben sich in der Bevölkerung zu relevanten Risikofaktoren aufgrund der signifikant gestiegenen Häufigkeit entwickelt, und mehr Bewegung kann dem entschieden entgegenwirken.

In der gesamten Sportberichterstattung ist noch erheblich Raum, diesem Potenzial von Sport und Bewegung gerecht zu werden. Gesundheitsförderungs- und Präventionsexpertinnen und -experten wie auch Gesundheitspolitiker/innen versuchen, den deutlich zu niedrigen Aktivitätslevel der Bevölkerung durch zahlreiche Präventionsprogramme, Anreizsysteme, oder Motivationsprogramme zu heben, zur besseren Nutzung des nachgewiesenen präventiven Potenzials. Es werden dafür oft große Informationskampagnen benötigt und es müssen möglichst alle Social-Marketing-Register gezogen werden. Radio, Fernsehen und Internet spielen dabei als ein Element jeder solchen Kampagne eine besondere Rolle. Kampagnen sind zeitlich befristet, und die gesteigerte Aufmerksamkeit sowie das gesteigerte Problem-oder Gesundheitsbewusstsein sinken bis zu einer nächsten Kampagne wieder ab, die Nachhaltigkeit ist kaum gegeben. Zudem sind groß angelegte Kampagnen teuer und im Bereich öffentliche Gesundheit nicht zu jedem Zeitpunkt leistbar.


Öffentlich-rechtliche Medien stellen hier einen der wesentlichsten Kommunikationskanäle für die bevölkerungsrelevanten Gesundheitsbereiche und für die Prävention dar. Die Sportberichterstattung ist eine davon besonders betroffene Sparte, da diese auf den Zielfaktor fokussiert.

Es handelt sich um Medien, die täglich zur Verfügung stehen und zu denen auch fast alle Zugang haben. Die Aufgabenstellung lautet: Wie kann man gesundheitsfördernde, evidenzbasierte Bewegungsempfehlungen der Bevölkerung kommunizieren, ohne eine teure kurzfristige Kampagne schalten zu müssen? Solche einfachen, aber präventiv wirksamen Empfehlungen sind zum Beispiel die des Fonds „Gesundes Österreich“1 für mindestens 150 Minuten Bewegung in der Woche bei Erwachsenen und für mindestens 60 Minuten täglich bei Kindern, die nachhaltig in die Zielgruppen diffundieren sollen.

Gesundheitsförderung/Prävention bedarf der Zusammenarbeit mit den Medien, da es ohne diese fast unmöglich ist, bevölkerungsrelevante Inhalte zu vertreten und die Umsetzung zu kommunizieren. Dazu braucht es die Expertise, wie sie ein öffentlich-rechtliches Medium in Bezug auf Medienarbeit, spartenspezifischen Journalismus, Marketing und PR hat, und nicht zu vergessen, die große Reichweite des ORF dafür ist. Er stellt somit als Medium einen der wichtigsten Partner für die Bereiche der Prävention und Gesundheitsförderung für die öffentliche Gesundheit dar.

Die Strategien der Gesundheitsförderung/Prävention funktionieren nur, wenn sie nachhaltige Effekte produzieren, sie sind von der aktiven Beteiligung der betroffenen Zielgruppe abhängig, Prävention/Gesundheitsförderung ist kein passiver Vorgang.

Die Fragen, die man sich gemeinsam mit den öffentlich-rechtlichen Medien stellen sollte, sind, wie man es schafft, durch Sportberichterstattung den Stellenwert, den persönlichen Mehrwert, die vielen positiven Effekte, einschließlich der sozialen Komponenten, sowie die Machbarkeit täglicher Bewegung und das langfristige (sportliche) Aktiv-Sein zu transportieren. Wie gelingt es, diejenigen zu motivieren, die sonst nur die passiven Sportkonsumentinnen und -konsumenten sind, die sich schon lange nicht mehr zutrauen, auch selber noch bewegungsaktiv zu sein, die verlernt haben, Sport zu betreiben oder noch nie Sport gemacht haben.

Eine vielfältige Sportberichterstattung, eine kontinuierliche Beitragsgestaltung mit dem Ziel der Motivation und Information, die auch zur Wissensvermittlung genützt werden soll, sind sicher wichtige Elemente dafür. Es stellt sich die Frage nach role models, Alltagscelebrities, Identifikationszielgruppen und -personen. Welche Altersgruppen sind als Zielgruppen unterrepräsentiert, sind Frauen als Zielgruppen ausreichend angesprochen? Wobei Sport hier insgesamt im weitesten Sinn verstanden werden muss.

Einem öffentlich-rechtlichen Medium stehen vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, die es zu nützen gilt, damit Präventionsprogramme und Bewegungsempfehlungen ernstzunehmende Teilnehmer am Spielfeld sein können. Welcher Rolle sich die öffentlich-rechtlichen Medien verpflichtet fühlen und welche Verpflichtung sie tatsächlich haben oder übernehmen wollen, ist besonders im Bereich der Thematik Gesundheit und Sport intensiv zu diskutieren. Dabei soll der Gedanke der Gesundheitsförderung natürlich nicht auf Sportübertragung und -bericht beschränkt bleiben: Es gilt, im Gesamtprogramm, also auch in Magazinen, Filmen, Serien auf Förderung der Gesundheit hinzuwirken. Der ORF tut dies vielfach in Hörfunk, Fernsehen und Internet; Potenzial nach oben ist gleichzeitig gewiss vorhanden.

Die Erwartungen, wie man Prävention im Bereich Sportübertragungen und Berichterstattung leben kann und was öffentlich-rechtliche Medien dazu beitragen können, sind seitens der Fachleute aus der Gesundheit sicher hoch. Gemeinsame Zielfindung und -anpeilung mit öffentlich-rechtlichen Medien für einen Teilbereich der Sportberichterstattung könnten einen „common ground“ bilden.

Fussnote:

1 Fonds Gesundes Österreich. Österreichische Empfeh-lungen für gesundheitswirksame Bewegung, Band 8 aus der Reihe Wissen. FGÖ, Wien 2012

Dieser Artikel ist in TEXTE 11 (2014) erschienen.


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