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© Grafik: ORF, Bild: Christian Stipkovits
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Zita Bereuter, FM4


FM4 versteht sich als Kulturradio für junge Erwachsene. Als solches will es junge Kunst- und Kulturschaffende in Musik, Film, neuen Medien und vor allem auch Literatur fördern und unterstützen. Herzstück für diese wichtige öffentlich-rechtliche Aufgabe wird dabei 2019 „Wortlaut“, sein, der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb für Autorinnen und Autoren. Mittlerweile zu einem der wichtigsten Nachwuchswettbewerbe der österreichischen Literaturwelt geworden, bot er schon bisher etlichen Newcomer/innen im Wortlautbuch ihre erste Veröffentlichung. Aus prämierten Texten entwickelten sich Romane und Kinofilme. Eine freudige Erfolgsgeschichte.

Wortlaut sei für ihn ein Booster gewesen, erzählt David Fuchs. 2016 gewann er den FM4-Kurzgeschichtenwettbewerb mit einem Text um die Teenager Ben und Ambros. Zwei Jahre später wurde aus der Geschichte der Roman „Bevor wir verschwinden“, der im österreichischen Verlag Haymon erschienen ist. Die zweite Auflage wurde schon nach einem Monat nachgedruckt. Mit „Bevor wir verschwinden“ war David Fuchs auf der Shortlist für den Österreichischen Buchpreis 2018 in der Kategorie Debüt. Gewonnen hat den Preis übrigens Marie Gamilschegg, die 2012 zu den Wortlautgewinnerinnen gehörte. Das ist die jüngste Erfolgsgeschichte von Wortlaut, dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb. Was radio FM4 besonders glücklich macht: es ist nicht die einzige. Aus dem kleinen Wettbewerb hat sich eine renommierte Marke von FM4 entwickelt, die zu einer fixen Größe in der österreichischen Literaturszene geworden ist.

Begonnen hat Wortlaut in einer kleinen Wohnung im fünften Wiener Gemeindebezirk. Die drei Redakteurinnen Elisabeth Gollackner, Pamela Russmann und ich waren überzeugt, dass viele FM4 Hörerinnen und Hörer selbst schreiben, und dass diese Texte Gehör finden sollten. Dass der österreichische Literaturnachwuchs eine Öffentlichkeit, ein Publikum, eine Plattform bekommen sollte. Junge Kreative motivieren, sie mit anderen Mitstreitenden vernetzen und die Neugierde des öffentlichen Ohrs und Auges wecken – das war das Ziel von Wortlaut. Mit ihrem Konzept, vor allem aber mit sehr viel Engagement und Optimismus konnten wir drei schnell FM4-Senderchefin Monika Eigensperger überzeugen. Am 28. April 2002 riefen sie erstmals zu Wortlaut auf:

Du, deine Ansichten, deine Aussichten.
Das Leben, die Liebe, die Laster.
Die Freunde, die Feinde.
Die Regeln und der ganze Rest.

Es war der Aufruf zu einer der erfolgreichsten Aktionen von FM4. Rund 800 Kurzgeschichten erreichten den Sender jährlich, mitunter sogar 1.000. In all den Jahren also über 13.000 Texte. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Eine Kurzgeschichte zu schreiben und diese auch abzuschicken, erfordert neben Konsequenz auch Mut und ein gewisses Vertrauen. Für all das sind wir unseren Hörerinnen und Hörern dankbar.

Das Prozedere hat sich in all den Jahren nicht geändert: Im Frühling wird das Thema bekannt gegeben. „Alles inklusive“, „werktags“, „ausgehen“, „von oben“, „verspielt“, „haarig“, „wild“ oder zuletzt „Sterne“ waren nur einige davon.

Gut acht Wochen haben die Hörerinnen und Hörer dann Zeit, ihre Kurzgeschichten zu schreiben. On air und auch online wird in dieser Schreibphase immer wieder an den Wettbewerb erinnert. Die einzelnen Jurymitglieder werden vorgestellt und erzählen von ihren Assoziationen zum Thema. Es gibt themenbezogene Musik oder auch Trailer und Jingles – vor allem, um an den Einsendeschluss zu erinnern.

Im Bereich der Filmkunst, der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik ist besonders dem gegenwärtigen österreichischen Schaffen Raum zu geben. ORF-PROGRAMMRICHTLINIEN
Die zwanzig besten Texte, die sogenannte Longlist, werden anonymisiert, in ein einheitliches Layout gebracht und an die Jury geschickt. Die setzt sich zusammen aus jeweils fünf namhaften Autorinnen und Autoren, Literatur- oder Filmschaffenden oder auch Musikerinnen und Musikern, die auch schreiben. Das besonders Erfreuliche: Sie alle sind ohne Honorar in der Wortlautjury. Sie investieren ihre Zeit und Arbeit aus Überzeugung. Sie wissen, wie wichtig Wettbewerbe sind – gerade zu Beginn einer Schriftstellerkarriere. Und sie kennen und schätzen Wortlaut und FM4. Die Jurorin und Autorin Lucy Fricke, die 2018 übrigens den Bayerischen Buchpreis gewonnen hat, schreibt über ihre Tätigkeit als Wortlautjurorin: „Wie oft habe ich mich beworben, wie oft bin ich gescheitert, wie maßlos war und ist mein Hass auf diese Nixblicker, die über Preise entscheiden. Und immer dieser Wettbewerb. Immer besser sein wollen als die anderen, klüger, eleganter, witziger, origineller, lauter, leiser, schöner, wahrhaftiger, phantasievoller. Ja, was denn jetzt? Besonders sein müssen. Eigen sein. Den speziellen Ton haben, den unnachahmlichen. Wie seltsam ist es, nach dutzendfachen Ablehnungen, nach dieser so oft gelesenen hohlen Phrase: „Wir wünschen Ihnen für Ihr Schreiben viel Erfolg“, nach all den zerrissenen Absagen und ausgerufenen Flüchen, nun selbst in einer Jury zu sitzen, noch dazu mit dem Anspruch, es besser machen zu wollen.“

Die Wortlautjury hat es in all den Jahren besser gemacht. Besser, als wir uns das je erträumt hätten. Kompetent und fair waren die Diskussionen. Oder, um Lucy Fricke nochmal zu zitieren: „Wir haben diskutiert, gestritten, und waren uns überraschend oft einig. Trotzdem musste sich jeder von einem Favoriten verabschieden. Manchmal steht man mit seiner Liebe ganz allein da.“ An dieser Stelle seien Rosen gestreut für alle Jurymitglieder. Für Leute wie Alex Beer, Sybille Berg, Lucy Fricke, Arno Geiger, Stefan Gmünder, Gerhard Haderer, Paulus Hochgatterer, Wladimir Kaminer, Christian Kracht, Doris Knecht, Eva Menasse, Hans Platzgumer, Teresa Präauer, Clemens Setz, Stefan Slopetzky, Michael Stavarič, Dirk Stermann, Daniela Strigl, Tilmann Rammstedt, Julya Rabinowich, Angelika Reitzer, Tex Rubinowitz, Daniel Wisser, John Wray oder Yasmo, um nur einige zu nennen. Traditionell sitzt auch der Vorjahresgewinner oder die Vorjahresgewinnerin in der Wortlautjury. Auf diese Tätigkeit freue sie sich ganz besonders, meinte die Wortlautgewinnerin 2018, Mercedes Spannagel. Dass sie mit großen Autorinnen und Autoren über Texte reden könne, sei etwas vom Besten.

Die Jury einigt sich schließlich auf zehn Kurzgeschichten, die alle im Wortlautbuch gesammelt sind. In der Woche vor der Buchpräsentation und der Preisvergabe werden „Die großen Zehn“ on air und online vorgestellt. 2005 erschien die erste Wortlautanthologie. Die besten Texte der ersten drei Jahre wurden im damals noch sehr jungen Literaturverlag Luftschacht veröffentlicht. Ein idealer Partner: unabhängig und unkompliziert. Seither erscheinen jährlich die besten zehn Kurzgeschichten in einem Sammelband. Für junge Schreibende ist diese Veröffentlichung besonders wichtig.

FM4 freut sich schon auf „Wortlaut 2019“. Im Frühjahr werden das Thema und die Jury bekannt geben. FM4 freut sich auf die erscheinenden Bücher, die ihren Ursprung bei Wortlaut hatten. FM4 freut sich auf Wettbewerbe – allen voran das Wettlesen um den Bachmannpreis, bei dem nicht nur immer wieder ehemalige Wortlautautorinnen und -autoren teilnehmen, sondern auch erfolgreich sind. Gertraud Klemm und Cornelia Travnicek haben etwa den Publikumspreis in Klagenfurt gewonnen. FM4 freut sich auf die Einsendungen der Hörerinnen und Hörer. FM4 freut sich vor allem auch darüber, dass sich die Idee von Wortlaut erfolgreich entwickelt hat. „Wortlaut hat mir den Glauben an mich selbst gebracht.“ Schrieb Gertraud Klemm, die gleich drei Mal bei Wortlaut erfolgreich war – einmal unter Pseudonym. „Vorher war da ein leiser Verdacht: ‚Ja, du kannst vielleicht schreiben.‘ Aber dann sagt eine Jury, die dich nicht kennt: ‚Das ist gut.‘ Dann kriegst du das Schwarz auf Weiß und kriegst auch noch was dafür. Das war ein guter Start-Up.“ Über Derartiges freut sich FM4 ganz besonders! 


FM4-Wortlaut-Preisträgerin im Interview, Katherina Braschel, Autorin abspielen
FM4-Wortlaut-Preisträgerin im Interview
Katherina Braschel, Autorin
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