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© Grafik: ORF, Bild: ORF/Robert Gokl
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Nichts ist vergessen und niemand

Andreas Novak, „Menschen und Mächte“


Gedenkjahre sind für die „Menschen und Mächte“-Redaktion Höhepunkte telemedialer Erinnerungsarbeit. Dokumentationen gebündelt zu umfassenden Zeitgeschichteschwerpunkten, erweitert mit Live-Sendungen und Studiogästen, ermöglichen auch 2019 Geschichtsarbeit im Fernsehen.

Drei Jahrestage gilt es, 2019 zu beleuchten: Am 1. September 2019 wird es 80 Jahre her sein, dass Hitler mit dem Angriff auf Polen den Zweiten Weltkrieg auslöste. Zweitens befassen wir uns auch mit den Folgen der neuen Grenzen nach dem Ersten Weltkrieg: Am 6.Juni 1919 marschierten jugoslawische Truppen in Klagenfurt ein. Das nimmt der in Kärnten geborene ORF-Reporter Friedrich Orter zum Anlass, um sein Heimatbundesland zu bereisen. Daraus entsteht ein Roadmovie, der das Gestern mit der Gegenwart verknüpfen, politische Polarisierungen erforschen und die geschichtsträchtige Kärntner Orte ins Heute begleiten wird. Und drittens gilt es am 21. Juli, an die Mondlandung vor 50 Jahren zu erinnern. Der 21. Juli 1969 war auch für den damals noch jungen ORF unter Gerd Bacher mit fast 30 Stunden Liveübertragung eine enorme, aber gelungene Herausforderung. „Menschen und Mächte“ nähert sich darüber hinaus gesellschaftspolitisch relevanten Themen nicht aus parteipolitischer Perspektive an, sondern aus einer übergeordneten fachspezifischen Sicht, repräsentiert durch Expertinnen und Wissenschaftler. Und gerade deshalb ist es für eine Leiste wie „Menschen und Mächte“ selbstverständlich, sich mit einer der wichtigsten künftigen Fragen auseinanderzusetzen: Welchen möglichen Gefährdungspotenzialen ist die Demokratie in unserem Land, aber auch in Europa ausgesetzt? In Zeiten zunehmender selbstreferenzieller virtueller Erregungs-räume meist anonym bleibender Tabubrecherinnen und Fake-News-Spezialisten mit ihrem Subjektivitäts-Imperativen bedarf es einer derartigen dokumentarischen Auseinandersetzung. Auch im Sinne spürbarer „Eingemeindung“ von Populismus und Geschichtsrevisionismus.

Eine besonders wichtige Dokumentation für 2019 nennt sich „Männer, Macht und Mensuren“. Robert Wiesner, gemeinsam mit Gregor Stuhlpfarrer Gestalter der Dokumentation, dazu: „Ich habe während der Dreharbeiten eine fremde Welt wahrgenommen. Dass sie sich oft abschließt wie eine Parallelgesellschaft, liegt im besten Fall an der vagen Ahnung, dass sie aus der Zeit gefallen wirken könnte. Wir haben interessante Menschen kennengelernt, aber auch viel Zeit verbracht mit anderen, die einen auf die Idee bringen könnten, sie hätten etwas zu verbergen – oder Angst, es könnte ihnen zwischen den wohl vorbereiteten Formulierungen etwas herausrutschen. Gespräche wurden öfter als sonst brüsk abgelehnt oder Interviews zu- und wieder abgesagt, mit Verweis auf plötzliche Krankheiten. Es war nicht einfach, aber wir hatten Zeit und Ausdauer und Möglichkeiten. Auch das ist Dokumentation, ja muss Dokumentation sein.“ Die Idee für eine Dokumentation nimmt dort ihren Ausgang, wo die Schlagzeile endet, und wer eine Frage gründlich formuliert, findet zunächst nicht die klare Antwort, sondern wirft weitere Fragen auf: Was ist Einzelfall, was ist die Regel, wie geht es wirklich zu in den Buden der Korporationen? Wie konnten Männer, die die Ideale der Revolution von 1848 hochhielten, zu Köpfen der schlimmsten Diktatur werden, und welcher Tradition sind jene Burschen verpflichtet, die heute singen und sich kleiden wie einst? Aufgabe des kritischen Doku- oder Magazinjournalismus ist es, nicht aus jeder Kante eine abgeschliffene Ecke zu machen, denn das untergräbt nicht nur unsere Glaubwürdigkeit in Richtung seichter Beliebigkeit, sondern kann letztlich einen rasanten Erosionsprozess inhaltlicher Relevanz befördern. „Menschen und Mächte“ hat sich – wie die gesamte geschichtsdokumentarische Redaktion des ORF – der Aufgabe verschrieben, Zeitgeschichte im aktuellen Kontext aufzubereiten. Dieser Aufgabe wollen wir im Sinne der und für die Zuschauer/innen auch 2019 gerecht werden.

Bildinfo: Beim Dreh zu „1918 – Depression und Jubel“: Josef Fritzenwanker, geboren 1918 in Saalbach, mit Kameramann Martin Gerhartl.


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© Grafik: ORF, Bild: ORF/Robert Gokl
Nichts ist vergessen und niemand
Andreas Novak, „Menschen und Mächte“