DE | EN
DE | EN
© Foto: ORF
[Eine Seite zurück]

Liebe über Grenzen

Erich Schneller, ORF Burgenland


Für die heutige Generation ist es ganz selbstverständlich, jederzeit und allerorts über die Grenze zu gehen, zu joggen, zu fahren. Minenverseuchte Grenzstreifen, Soldaten mit Maschinenpistolen, Stacheldraht – was man noch vor wenigen Jahrzehnten ge­wohnt war, gehört nun der Vergangenheit an.

Die Entstehung bzw. Errichtung des „Eisernen Vorhangs“ Ende der 1940er Jahre im Herzen Europas, die jahrzehntelangen Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft, die starren Fronten und deren allmähliches Zerbröckeln, und schließlich das Ende dieser menschenverachtenden und vielfach todbringenden Episode der Zeitgeschichte vor 30 Jahren sind hinreichend dokumentiert. In „Liebe über Grenzen“ lenken wir den Blick gezielt auf das rein Zwischenmenschliche. Auf Männer und Frauen, deren Beziehung zueinander durch die Barriere des „Eisernen Vorhangs“ erschwert, fast verunmöglicht wurde, und wie sie es trotz widrigster Umstände geschafft haben, ihre „Liebe über die Grenze“ zu bewahren.

Vitus Mittl aus Bildein im Südburgenland kann davon erzählen. Seine Tante samt Familie musste jenseits des Eisernen Vorhangs auf ungarischer Seite leben. Vitus’Familie diesseits der Grenze. Eine schmerzliche Trennung, erzwungen im Jahr 1949. Soeben noch einen Steinwurf voneinander entfernt, lebten Tante, Onkel und Cousins plötzlich hinter dem Stacheldraht und den Minenfeldern. Und auf einmal ist der Weg von Bildein nach Pornóapáti (Pernau), zu Nachbarn, Freunden und Verwandten, 70 Kilometer lang, hin und zurück. Denn er führt über den Grenzübergang Köszeg. Ein Verwandtenbesuch im kommunistischen Ungarn – eine Tagesreise. Mit Schikanen und stundenlangen Wartezeiten an der Grenze – mit Angst als ständiger Begleiterin. Werden wir unbehelligt wieder zurück nach Österreich kommen? Und werden die im Radkasten versteckten Geschenke unentdeckt bleiben? Mit leeren Händen zu kommen, das ging nicht. Dann schon lieber ein bisserl fürchten! Der Stacheldraht, ein metallener Riss durch Dörfer, Familien und Partnerschaften, mehr als 40 Jahre lang. Wenn sich da ein österreichisches in ein ungarisches Herz verliebt hat, konnte das sehr kompliziert werden.

Zum Beispiel 1962. Als der Fußballverein Eberau erstmals ein „Freundschaftsmatch“ im benachbarten Ungarn bestritt, war es um den damals 17-jährigen Emil Paukovits geschehen. Gleich bei der Ankunft in Lenti stieg ein junges Mädel in den Bus, um die österreichischen Gäste mit einem Gedicht auf Deutsch zu begrüßen. Emil und die damals 15-Jährige sind heute noch ein Paar. Heiraten über die Grenze – da waren so einige Hindernisse zu überwinden.

1989, als binnen kürzester Zeit Zäune verräumt, Grenzposten abgebaut und Barrikaden entfernt wurden, wurde alles anders. Mit Tränen in den Augen habe man die Grenze plötzlich völlig unbehelligt passieren können, meinen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Eine Tatsache, der der Verstand erst allmählich hinterherkam. Diesseits und jenseits der Grenze wird heute ohne jede Ängstlichkeit „gemischt“ geheiratet. Laut Statistik sind es rund 600 Ehen pro Jahr österreichweit, Tendenz gleichbleibend. Insgesamt sind rund 20.000 Ehen seit dem Fall des Eisernen Vorhanges geschlossen worden. Eine davon wird mitgefilmt. Ein Österreicher und eine Ungarin sagen „Ja“ zueinander, im Dom zu Szombathely. Wir begleiten ein Paar, das die „eiserne“ Grenze nur aus Erzählungen und aus dem Geschichtsunterricht kennt. Stefan aus Oberwart und Veronika aus Steinamanger/Szombathely.

In der Jetztzeit angelangt richten wir den Blick auf grenznahe Dörfer. Wie lebt es sich, 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, unter Nachbarn? Beispiel: Eberau – Szentpéterfa, die gemeinsam eine EU-geförderte Kläranlage errichtet haben. Zweckgemeinschaft oder Liebesbeziehung? Und wie kommt es, dass es in Eberau eine Schule gibt, in der fast die Hälfte aller Schüler/innen aus Ungarn ist? Einer der Schüler ist Fabian Kainrath, „Produkt“ einer österreichisch-ungarischen Partnerschaft. Der Sohn eines burgenländischen Landwirts und einer ungarischen Kellnerin. Zweisprachig aufgewachsen, diesseits und jenseits der grünen Grenze.

Helmut Manningers Film erzählt die Geschichte von der Entstehung bis zum Fall des Eisernen Vorhangs anhand von grenzenlosen Liebes- und Beziehungsgeschichten. Ein emotionaler Zugang zu einer der dunkelsten Epochen österreichischer Zeitgeschichte. Eingebettet in historische Aufnahmen, vom Ungarn Aufstand 1956 bis zum Grenzfall 1989. •


So geht Brauchtum, ORF Burgenland abspielen
© ORF
So geht Brauchtum
ORF Burgenland
So geht Programm für Volksgruppen, Radio Burgenland abspielen
© ORF
So geht Programm für Volksgruppen
Radio Burgenland
Der Isolationsbereich des ORF-Burgenland, Thomas Brunner gibt einen Einblick abspielen
© ORF
Der Isolationsbereich des ORF-Burgenland
Thomas Brunner gibt einen Einblick
Liebe über Grenzen, Erich Schneller, ORF Burgenland abspielen
© Foto: ORF
Liebe über Grenzen
Erich Schneller, ORF Burgenland
Eine kultige Landpartie, Michaela Frühstück und Bettina Treiber, ORF Burgenland abspielen
© Grafik: ORF, Bild: ORF/LST B
Eine kultige Landpartie
Michaela Frühstück und Bettina Treiber, ORF Burgenland
Von Liszt bis Skapunk, Michaela Schöller, ORF Burgenland abspielen
Von Liszt bis Skapunk
Michaela Schöller, ORF Burgenland