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Wo der Professor rund um die Uhr „Hallo!“ sagt

Andreas Cichowicz, Chefredakteur NDR Fernsehen


Im Corona-Sommer 2020 kam ein kurzer Clip im Netz gut an. Darin zu hören: Der Virologe Professor Christian Drosten, von manchen verehrt, von anderen zum Sündenbock gemacht. Eine Quintessenz aus 50 Drosten-Interviews, allerdings reduziert auf die Begrüßungsworte. Wahlweise „Hallo!“, „Guten Tag!“ oder „Hallo, guten Tag“. Das ganze 48 Mal in Folge. Ein ironischer Seitenhieb auf den Rummel um den aktuell wohl bekanntesten Mediziner Deutschlands und ein Lacher in einer ansonsten ernsten Zeit. „Professor Drosten sagt Hallo!“, so der Titel. Mehr als 30.000 Mal wurde das Nonsens-Hallo bisher bei Youtube angeklickt. Das ist allerdings nichts gegen das Original. Fast 60 Millionen Abrufe erzielte „Das Coronavirus Update“, ein werktäglicher Podcast des Norddeutschen Rundfunks mit einem einzigen Gesprächsgast: Prof. Christian Drosten. Seit Ende Februar 2020 versorgt der Norddeutsche Rundfunk das Publikum regelmäßig mit den aktuellen Einschätzungen des Experten. Nie zuvor erzielte ein deutscher Podcast eine solche Reichweite und Beachtung. Dem verantwortlichen Team des NDR wurde inzwischen der Grimme-Online-Award verliehen.

Der richtige Interviewpartner zur richtigen Zeit, dazu der richtige Verbreitungsweg in dieser Zeit: So übertraf der Zuspruch alle Erwartungen. Prof. Drosten berät die Bunderegierung, beim NDR aber auch die Hörer*innen. Sein Podcast stieg in der Pandemie auf zu einer der populärsten Informationsquellen und macht Wissenschaft quasi live erlebbar. Gerade in Krisenzeiten haben wir für die Öffentlichkeit da zu sein. Ob als Audio oder in der guten alten „Tagesschau“. Sie mag betagt sein, aber sie ist vitaler denn je. In der Corona-Krise erreichte die Hauptausgabe um 20 Uhr bis zu 18 Millionen Zuschauer*innen – nur auf dem linearen Verbreitungsweg! Wegen Corona schuf die ARD auch eine neue Marke: „ARD Extra: Die Corona-Lage“. Eine tägliche Sondersendung des NDR und anderer ARD-Häuser im Ersten. Daraus wurde für viele ein Abendritual: Erst die „Tagesschau“, dann die vertiefende Information im „ARD Extra“. "Wir haben gemeinsam ein Programm gestemmt, wofür das Publikum uns extrem viel Zuspruch entgegenbringt", so fasst es der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow zusammen. Der Senderverbund wurde für die „Extra“-Sendungen zur Corona-Lage mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.

„Wenn’s drauf ankommt, hat’s die ARD noch drauf“ schrieb der Medienjournalist Danilo Höpfner. Gerade die Verunsicherung der Gesellschaft in der Corona-Krise habe gezeigt, wie aktuell die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland immer noch ist. „Das Publikum versammelt sich in der Not nicht im Netz, sondern bei seinem Leitmedium, dem es vertraut.“ Das folgert der ehemalige Leiter der Landesmedienanstalt NRW, Norbert Schneider. Und er schränkt zugleich ein: „Wenn und solange es sich ernsthaft um dieses Publikum kümmert.“ Ausruhen dürfen wir uns also nicht auf diesem Zuspruch. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann nur dann erfolgreich bleiben, wenn er dort ist, wo er die Nutzer*innen erreicht. Im Fernsehen, im Hörfunk, auf Online-Seiten und in den sozialen Netzwerken. Auch der Drosten-Podcast wird daher auf all diesen Ausspielwegen verbreitet. Ein Hörfunk-Interview im Fernsehen? Selbst das funktioniert, wenn es den Nerv der Zeit trifft. So erreichte der Podcast auch in bebilderter Form ein Publikum.

Mit zunehmender Dauer der Krise melden sich aber auch Stimmen, die die Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien problematisieren. So auch eine Studie zweier Medien- und Literaturwissenschaftler an der Universität Passau. In den aktuellen Formaten „ARD extra“ und „ZDF spezial“ erkannten sie eine „Verengung der Welt“. ARD und ZDF hätten in der Corona-Krise eine „permanente Problematisierung“ betrieben, die geeignet sei, „Panik in der Bevölkerung“ auszulösen. Im Spätsommer 2020 stelle ich fest: „Panik in der Bevölkerung“ ist bisher nicht ausgebrochen. Im Gegenteil: Ansätze von Hysterie, messbar etwa in Hamsterkäufen, haben abgenommen. Dies hat nach meiner Einschätzung viel mit der Verbreitung verlässlicher Information zu tun, die eben nicht immer nur alarmieren, sondern auch Ängste relativieren kann. ARD und ZDF haben dem hohen Informationsbedürfnis der Bürger*innen in einer historischen Krise nach Kräften entsprochen. Andernfalls hätten sie ihren Auftrag nicht erfüllt. Ich halte es für verkürzt, ein Qualitätsurteil über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk allein auf der Basis zweier aktueller Formate abzugeben. Einige Beobachter jedoch scheinen auf die kritische Bestandsaufnahme geradezu gewartet zu haben. Sie erheben den Vorwurf des „Staatsfunks“. Dabei lehnt es auch die Passauer Studie explizit ab, ARD und ZDF in pauschaler Form eine „Staatshörigkeit“ zu unterstellen. Sie hebt vielmehr auf die Folgen einer anhaltenden Krisenberichterstattung ab, die den „starken Staat“ als Akteur zwangsläufig ins Zentrum rücke. Ein Hinweis, über den es sich nachzudenken lohnt. Sachliche Kritik gilt es immer ernst zu nehmen. Gerade deshalb muss die Berichterstattung auf das Urteil anerkannter, unabhängiger Expert*innen aufbauen. Auch deren Einschätzung kann und darf selbstverständlich hinterfragt werden. Eine offene Diskussion über den richtigen Weg ist unerlässlich. Auch Zweifel und Bedenken finden daher ihren Platz im Programm. Wer hingegen Verschwörungstheorien und pseudo-wissenschaftliche Thesen verbreitet und mutwillig die Gesundheit anderer riskiert, kann keinen Anspruch auf Berichterstattung erheben.

Neben all diesen inhaltlich-journalistischen Fragen darf uns diese Krise nicht davon abhalten, mit der Zeit zu gehen. Auf die Anforderungen der modernen Medienwelt gilt es zügig zu reagieren. Gleichzeitig müssen wir unter den Rahmenbedingungen stagnierender oder sinkender Einnahmen flexibel handeln. Und dennoch kann und darf das Publikum mindestens die gewohnte Leistungsfähigkeit erwarten, wenn nicht sogar mehr. Das macht die Herausforderung an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus. Daher hat der NDR schon weit vor Corona entschieden, die zentralen Nachrichtenredaktionen von Hörfunk, Fernsehen und Online zusammenzulegen, um durch Synergieeffekte den Spielraum für nötige zukünftige Anstrengungen zu gewinnen. Für Mitte 2021 steht der Einzug der Nachrichtenredaktionen in ein gemeinsames multimediales Info-Haus an. Corona hat diesen Plan bisher nicht umstürzen können, der für die Zukunft des NDR von zentraler Bedeutung ist. Die Grenzen zwischen den klassischen Ausspielwegen werden aufgebrochen, die Inhalte in den Vordergrund gerückt. Themenzentrierte Planung soll das alte Denken in Ausspielwegen ersetzen.

Wir können die Lage in einem Jahr nicht vorhersehen. Wenn ich mir aber einen öffentlich-rechtlichen Sender nach Corona vorstelle, dann in Gestalt eines modernisierten Medienhauses, das gestärkt aus der Krise hervorgeht. Ein Sender, der dem Informationsanspruch der Nutzer*innen überall und zu jeder Zeit gerecht wird.


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