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Berichterstattung im Ausnahmezustand

Hannes Aigelsreiter, ORF Radioinformation


Berichterstattung in Coronazeiten war und ist ein schmaler Grat zwischen seriöser Aufklärung und Panikmache. Der ORF-Radioinformation ist es in dieser schwierigen Zeit offenbar gelungen, ihrer Informationspflicht nachzukommen und gleichzeitig den kritischen Blick nicht zu verlieren. Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig professionelle, glaubwürdige, korrekte und verständliche Nachrichten für die österreichische Bevölkerung sind. Die großartigen Radiotestergebnisse für die ORF-Radios und viel positives Feedback aus dem Publikum belegen das eindrucksvoll.
Glaubwürdiger Journalismus rund um die Uhr ist also gefragt wie nie. Das heißt aber nicht nur zu beschreiben und aufzuklären, was ist, sondern auch einzuordnen, zu sortieren, zu analysieren. In den Nachrichten, den Journalen, im TELETEXT, Online und in Sozialen Medien. Dem Publikum gesichertes Wissen zu vermitteln trägt dazu bei, aus Unsicherheit Sicherheit zu machen, Fake News zu enttarnen und Panik zu vermeiden. Doch ganz so einfach und eindeutig ist das auch wieder nicht.
Die permanente Berichterstattung in reichweitenstarken Medien wie den ORF-Radios über Fallzahlen, Todesfälle, politische Zwangsmaßnahmen, strenge Abstandsregeln, Clusterbildungen, Maskenpflicht, Hamsterkäufe, Rekordansteckungen usw. trägt natürlich zu einer gewissen Verunsicherung in der Bevölkerung bei. In der Psychologie heißt es, dass Menschen in Extremsituationen und Krisenzeiten eher zu emotionalen Reaktionen neigen. Gerade deshalb ist es besonders wichtig, verantwortungsvollen, professionellen Journalismus zu machen und so objektiv und ausgewogen wie möglich zu berichten. Aber wir Radiojournalistinnen und -journalisten sind auch nur Menschen, die genau dasselbe durchleben wie alle anderen auch. Dennoch haben wir eine besondere Verantwortung für die Gesellschaft. Wir müssen rational bleiben, auch wenn wir innerlich emotional Hochschaubahn fahren. Kühlen Kopf bewahren, weiter seriös aufklären, kritisch bleiben und unabhängig berichten.
Als Chefredakteur der Radioinformation habe ich das Privileg, ein Team zu führen, dass tagtäglich nicht nur großartige, journalistische Leistungen erbringt, sondern von dem ich überzeugt bin und glaube, dass es diese beispiellose Herausforderung auch weiterhin anzunehmen und zu meistern weiß. Denn eines muss uns klar sein: wir laufen keinen Sprint, sondern einen Marathon.

DER ANFANG: EIN TÄGLICHER STRESSTEST.
Zu Beginn der Corona-Krise mit dem Lockdown musste alles sehr schnell gehen. Die vordringlichste Aufgabe bestand darin – von jetzt auf sofort – die wichtigsten arbeitstechnischen Rahmenbedingungen für mobiles Arbeiten sicherzustellen. Das Homeoffice musste auf den aktuellen technischen Stand gebracht werden. Mobile Computing jederzeit, von jedem Ort.
Dank unserer Kolleginnen und Kollegen von Technik und Administration ist das gelungen und hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig gute Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bereichen ist.Gleichzeitig musste sichergestellt werden, dass die Moderatorinnen und Moderatoren in den Studios weiterhin sicher ihren Job machen können, ohne permanente Ansteckungsgefahr und Erkrankungsrisiko. Am Regieplatz nur noch eine Abwicklungstechnik und eine Chefin, ein Chef vom Dienst, im Studio keine Interviewgäste mehr. Interviews nur noch via Telefon, Skype oder Leitung. Auch Pressekonferenzen wurden aufgrund der Ansteckungsgefahr nicht mehr physisch wahrgenommen. Alle Informationen wurden telefonisch eingeholt, Audiomaterial von Livestreams übernommen. Alles in allem ein täglicher Stresstest für die gesamte Redaktion.
Für mich war auch klar, dass die Kolleginnen und Kollegen keine Versuchskaninchen für unausgereifte, unverhältnismäßige und kostenintensive Sicherheitskonzepte sind, sondern als verantwortungsbewusste Menschen sich und ihre Kolleginnen und Kollegen zu schützen wissen. Um die Berichterstattung bei möglichen personellen Ausfällen weiterhin in vollem Umfang sicherstellen zu können entschied ich mich daher für eine doppelte Sicherheitsstrategie, die sich glücklicherweise bewährt, als nachhaltig und verhältnismäßig herausgestellt hat. Zum einen Teamteilung im Funkhaus-Newscenter, zum anderen eine Isolation der Nachrichtenkolleginnen und Kollegen bei Ö3 in Heiligenstadt.
Im Funkhaus wurden die Ressorts, Nachrichten und Journale personell geteilt und wechselten alle vierzehn Tage vom Studio ins Homeoffice und umgekehrt: Wenn weniger Menschen im Studio arbeiten, kommen auch weniger Leute miteinander in Kontakt. In einem Erkrankungsfall wäre nicht gleich die gesamte Mannschaft lahmgelegt worden; Team 2 wäre in diesem Fall sofort aus dem Homeoffice ins Studio gewechselt.
Für die Ö3-Nachrichten arbeitete ein kleines Newsteam und lebte für jeweils vierzehn Tage in einem isolierten Bereich im Ö3-Haus in Heiligenstadt. Diese Sicherheitsstrategie hätte personell über einen langen Zeitraum aufrecht erhalten werden können, war kostenmäßig überschaubar und sozial vertretbar.
Warum sozial vertretbar? Weil der Sender Ö3, wie so oft bei schwierigsten Aufgaben, über sich hinauswächst. Senderchef Georg Spatt und sein Team organisierten binnen kürzester Zeit ein perfektes Umfeld zum Arbeiten, Leben und Senden in der Isolation. Wir haben aus unseren Erfahrungen gelernt und sind nach dem Lockdown zu einem entspannteren Teamteilungssystem übergegangen. Dennoch tragen wir im Studio bei den Redaktionssitzungen weiterhin Maske, halten Abstand und versuchen, die Zukunft zu planen.

WIE WEITER?
Solange die Covid-19-Pandemie existiert, werden wir nicht mehr zur Tagesordnung übergehen können. Wir haben gelernt, unsere Radiobeiträge überall aufnehmen zu können, wir kommunizieren per Skype und achten darauf, dass auch weiterhin die Verhaltensregeln eingehalten werden. Und wir halten an unseren gewohnten Qualitätskriterien fest. Wenn es aber gar nicht anders gehen sollte, werden wir die Menge unserer Informationsangebote reduzieren, nicht aber die Qualität unserer Beiträge, Nachrichten, TELETEXT-Storys und Onlineseiten.

Die Journalistinnen und Journalisten der ORF-Radioinformation haben in dieser komplizierten Zeit mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen wie alle anderen Menschen auch. Mit geschlossenen Kindergärten und Schulen, mit Ausgangsbeschränkungen, mit kranken oder pflegebedürftigen Angehörigen, mit Quarantäne. Wir müssen trotzdem funktionieren, denn die Österreicherinnen und Österreicher wollen und müssen informiert werden. Jederzeit. Die Radionachrichten und der TELETEXT des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sollen nie zusperren müssen.


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