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Die soziale Verantwortung der Medien

Meinhard Mühlmann, Ö3

Transkription
tagrtv: Herr Mühlmann, Sie haben für die Aktion, die schönste Muttertags-Aktion aller Zeiten, den Prälat-Ungar-Journalistinnen Preis erhalten. Wie ist es zu der Idee, zu dieser Benefizveranstaltung gekommen?
Mühlmann: Die Idee gründet sich eigentlich auf eine relativ schlichte Meldung von der Caritas Wien, nämlich dass im Jahr 2008 neun von zehn Müttern, die um Hilfe gebeten haben, weil sie sozusagen kein sicheres Dach mehr über den Kopf hatten, in den privaten Mütter-Kind-Einrichtungen in Wien abgewiesen werden mussten. Wir haben uns dann überlegt, was können wir als Medium da machen. Da sind wir dann eigentlich relativ schnell auf die Idee gekommen zu sagen, wenn, dann müssen wir die Sache präsentieren – die Situation der Frauen, die Situation ihrer Kinder – und schauen, wie die Ergebnisse und die Rückmeldung der Ö3-Hörer/innen sein wird.

tagrtv: Jetzt war das Ziel, in drei Tagen 500.000 Euro aufzustellen, eine große Herausforderung. Haben Sie zwischendurch Zweifel gehabt, dass das klappt?
Mühlmann: Die haben wir massiv gehabt. 500.000 Euro Spendengeld an drei Tagen, das ist, wenn man das in kleinere Summen aufteilt, sehr viel Geld. Und genau deswegen haben wir eben gesagt, wir müssen einen klaren Aufhänger finden, z. B. eben Muttertag. Wenn wir es an diesem Wochenende schaffen, ganz konzentriert unsere Hörer/innen mit dieser Problematik zu konfrontieren, dann, so haben wir gedacht, könnte es gelingen.

tagrtv: Es hat mehrere Reportagen gegeben, bei denen die Mütter zu Wort kommen, und eine ist Anita. Die hat etwas sehr Interessantes gesagt, nämlich dass sie sich sehr gefreut hat über die zahlreichen Spenden und dass sie auch überrascht war über die Art der Begründungen von den Spendern. Was hat sie da gemeint – was waren die Begründungen der Spender?
Mühlmann: Wir haben grundsätzlich überlegt, wie wir unseren Hörern die Problematik näherbringen können? Und da haben wir uns gedacht, es geht nur, wenn wir ihnen Frauen präsentieren, die in dieser Situation schon waren. Die Anita hat dann eben ihre Lebensgeschichte erzählt. Das war eine sehr bewegende Geschichte – sie hat vier Kinder, hat einen spiel- und alkoholsüchtigen Mann gehabt, ist irgendwann eines Tages nach Hause gekommen, die Tür war verschlossen, weil das Schloss ausgetauscht war. Sie hat nicht gewusst wohin, hat dann lang gesucht, und letztendlich war es dann so, dass die Anita eben diesen Platz doch bekommen hat, dort neue Kraft geschöpft hat und jetzt wieder voll im Leben steht. Diese Geschichte hat sie unseren Hörern erzählt. Und die Reaktionen darauf waren, dass viele gespendet haben, dass viele angerufen haben und nicht nur einfach gesagt haben ‚Ich spende 10 Euro, 20 Euro oder 50 Euro‘, sondern auch sehr bewegend ihre Motive geschildert haben, wieso sie helfen wollen. Sie haben gesagt: ‚Das kann nicht sein, dass das in Österreich passiert.‘

tagrtv: Sehen Sie eine soziale Verantwortung auch bei Mainstream-Medien?
Mühlmann: Wir sehen das so – gesellschaftliche Verantwortung aus dem heraus, wenn man über bestimmte schwierige Situationen informiert. Und solche Aktionen haben wir immer wieder im Programm und sehen es einfach als unsere Verantwortung, unsere Reichweite und die Möglichkeit, viele Menschen anzusprechen, so einzumünzen, dass sich möglicherweise dadurch etwas zum Besseren verändert.

tagrtv: Jetzt bin ich neugierig. Wie hat Ihre journalistische Karriere angefangen? Wollten sie schon immer Ö3-Reporter werden?
Mühlmann: Mein beruflicher Weg war eigentlich anders gezeichnet. Ich habe eigentlich Architektur studiert, wollte Architekt werden – das war mein eigentlicher Berufswunsch und Traum. Ich habe aber während relativ leidvoller Semester gesehen, dass es das nicht wirklich ist. Ich habe mich dann sehr schnell bei Ö3 beworben, das war für mich die interessanteste Option. Radiojournalismus hat mich unglaublich interessiert – der Umgang mit der Technik, der Umgang mit Interviews, der Umgang mit Menschen –, und ich bin beim Hörerservice untergekommen. Es war sehr interessant. Für mich war das eine große Chance, weil ich mir gedacht habe, das Hörerservice ist das, wo die unmittelbarste Rückmeldung auf das Programm kommt. Und von da weg habe ich mich relativ schnell in die Wort-Redaktion entwickelt, sozusagen als journalistischer Anfänger. Ich mach’ das mittlerweile seit elf Jahren und bin noch immer froh und glücklich.

tagrtv: Wenn Sie einen Wunsch an den ORF frei hätten: Was würden Sie sich wünschen?
Mühlmann: Journalismus, der sehr nahe am Hörer abbildet, wo Probleme liegen. Journalismus, der informiert, der nicht tendenziös ist, aber letztendlich so etwas hat wie das Potenzial, etwas zu verändern. Viel Zeit, letztendlich auch Budget, um das im guten Journalismus umzusetzen.

tagrtv: Dann habe ich noch eine letzte Frage. Haben Sie schon Pläne für den Muttertag 2010?
Mühlmann: Muttertag 2010, den werden wir eben in diesem neuen Haus verbringen, weil, wenn alles gutgeht, wird Muttertag 2010 das neue Mutter-Kind-Haus, das mit dem Geld der Ö3-Hörer ermöglicht worden ist und jetzt gerade in Bau ist. Das wird am Muttertag 2010 eröffnet werden, und wir werden dort sein, wir werden berichten, und ja – das wird mein Muttertag 2010 werden.

tagrtv: Meinhard, danke für das Interview und ganz herzliche Gratulation zum Preis!




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