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Univ.-Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Universität Innsbruck & Mag. Ricardo Parger, HM Hashtag Media GmbH Wege zu einem digital-partizipativen öffentlich-rechtlichen Rundfunk Der Autor des Manifests Future Public Media, Konrad Weber, stellt angesichts des steigenden wirtschaftlichen und politischen Drucks auf öffentlich-rechtliche Medien, eine interessante Frage: wie sollten öffentlich-rechtliche Medien organisiert sein und welche Produkte und Dienstleistungen müssten sie anbieten, falls wir heute eine solche Organisation gründen würden? Sie würden sich jedenfalls stärker an die Bedürfnisse des Bevölkerung orientieren, insbesondere der jüngeren Generation von Mediennutzer:innen. Interaktive und partizipative Plattformen schaffen Räume für Debatten, in denen sich die Zivilbevölkerung einbringen kann, um ihre Ansichten, Meinungen und Wünsche gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu artikulieren. Im Wesentlichen lassen sich aus der Untersuchung von über dreißig Beispielen zur Einbindung des Publikums im Bereich der Nutzung, der Erstellung und der Media Governance drei Anregungen für den Ausbau der Interaktion mit dem Publikum ableiten.

Das Ziel möglichst viele Menschen zu erreichen kann nur gelingen, wenn öffentlich-rechtliche Medien laufend nach neuen Wegen suchen, ihre Inhalte zu verbreiten und ihnen der Gesetzgeber diese Möglichkeiten auch eröffnet - sowohl rechtlich als auch finanziell. Gleichzeitig geht damit der Bedarf nach innovativen Ansätzen in der Gestaltung zukünftiger Medienformate einher, insbesondere hinsichtlich primärer Online-Angebote. Crossmediales Storytelling ist eine Variante für die Integration partizipativer Elemente in der News-Vermittlung. Eine andere Variante bietet die stärkere Einbindung des Publikums in Diskussionsformaten bei gleichzeitiger Möglichkeit der Teilhabe durch Online-Partizipation. Während die Bedürfnisse der Nutzer:innen zur Einbindung auf linearen Kanälen seit längerem beforscht werden, brauchen neue digitale Formate eine Probephase, um so schrittweise Know-how und Erfahrungswerte mit neuen Einbindungsformaten sammeln zu können. Hierfür bieten sich Kooperationen mit anderen Medienanbietern an, die bereits Erfahrungen mit neuen Organisationsformen und Prozessen partizipativer Online-Formate gesammelt haben.

Darüber hinaus eröffnen neue technologische Entwicklungen öffentlich-rechtlichen Medien auch neue Wege der Zusammenarbeit zwischen Publikum und Redakteur:innen. Öffentlich-rechtliche Medien wie der ORF sollten neue technologische Potenziale dafür einsetzen, das Publikum zunehmend als wertvolle Ressource im Rahmen von Crowdsourcing für Recherche- und Produktionsprozesse von Inhalten zu begreifen. Damit einher geht die Chance, mit vorhandener linearer Reichweite neue Online-Angebote unmittelbar zu hebeln, weil deren Nutzung in der Regel Voraussetzung für die Mitwirkung an Beteiligungsformaten ist. Die eigene Plattform wird damit zum Feature des medialen Angebots auf Ebene sowohl der Nutzung als auch der Erstellung von Inhalten.

Hinzu kommen neue Aufgaben für öffentlich-rechtliche Medien, die sich zunehmend auch als Plattformbetreiber verstehen. Zur Rolle als Plattformbetreiber zählt jene des Moderators, der dafür Sorge zu tragen hat, dass nutzergenerierte Inhalte geprüft und moderiert werden und ihre Nutzer:innen über Grenzen digitalen Medienfreiheit aufgeklärt werden. Hier gilt, dass die Potenziale wie Aufwände einer Plattformstrategie wie jener des von Seiten des ORF geplanten ORF-Players umso größer sind, je stärker dem Plattformcharakter durch Einbindung des Publikums sowohl bei der Nutzung als auch bei Erstellung von Inhalten Rechnung getragen wird.

Den Rufen nach mehr Transparenz und Repräsentativität im öffentlich-rechtlichen Rundfunk könnte anhand einer stärkeren Einbindung des Publikums in Entscheidungsprozesse gefolgt werden. Auf der Ebene der Media Governance bieten sich dafür innerhalb der Medienanstalten unabhängige Publikumsvertreter:innen an, die den transparenten Informationsfluss innerhalb und außerhalb der Organisation gewährleisten. Hier ist allerdings, auch was die Sicherstellung von unabhängigen Besetzungsverfahren betrifft, primär der Gesetzgeber gefragt. Bis dahin bleibt den öffentlich-rechtlichen Anstalten vor allem die Zusammenarbeit mit selbstorganisierten Publikumsverbänden und neuartigen Formen der Publikumsbefragung auch hinsichtlich grundlegender Fragen von Programmgestaltung und -ausrichtung.


Die Langversion dieses Artikels ist in der Public-Value-Jahresstudie "Die STUDIE: Digitale Transformation" (S. 97-120) erschienen.