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FH-Prof. Dr. Reinhard Christl, Medienökonom Öffentlich-rechtliche Medien und KI Die Skepsis gegenüber dem Einsatz von KI, die in den deutschsprachigen Medienunternehmen, insbesondere in den öffentlich-rechtlichen, lange geherrscht hat, weicht immer mehr der Erkenntnis, dass künstliche Intelligenz, richtig eingesetzt, mehr Chancen als Risiken bietet. Auch wenn das, was heute in der Medienbranche als künstliche Intelligenz bezeichnet wird, meist nur ein Vorgeschmack auf "echte" KI ist (und damit darauf, was in einigen Jahren möglich sein wird), handelt es sich dabei nicht nur um einen von unkritischen Technologie-Euphoriker_innen befeuerten Hype.

Künstliche Intelligenz wird die Medienbranche massiv verändern, auch weil KI-Technologien immer einfacher verfügbar und immer preiswerter werden. Medienunternehmen im deutschen Sprachraum brauchen eine Strategie, welche Ziele sie mit der KI-Nutzung verfolgen, wie sie die dafür erforderlichen Daten generieren und wie sie die Mitarbeiter_innen in diese Strategie einbinden.

Öffentlich-rechtliche Medien haben bei den letzten beiden Themen eine besondere Verantwortung: Sie müssen mit Daten besonders sparsam und sorgsam umgehen, und sie sollten bei ihrer Personalpolitik und -entwicklung immer darauf achten, dass die neuen technischen Möglichkeiten ausschließlich unter der Hoheit der Redaktionen und der journalistischen Qualität stehen.

Die automatisierte Produktion von Content, die ohne den Einsatz von künstlicher Intelligenz nicht möglich wäre, kann mehr und bessere Inhalte liefern. KI-Unterstützung in der Recherche kann die journalistische Qualität steigern. Neue Möglichkeiten der Personalisierung können die Kundenbindung verbessern und dazu beitragen, junge Publika zu gewinnen.

Wenn sich der ORF zu einer modernen Public Service-Plattform entwickeln will, werden die Möglichkeiten, die KI bei Regionalisierung und Lokalisierung bietet, die Chance eröffnen, die Landesstudios neu zu definieren und sie in eine moderne Plattformstrategie einzubinden. Dies freilich nur dann, wenn ein neues ORF-Gesetz entsprechende Möglichkeiten bietet und der öffentlich-rechtliche Auftrag als Public Service-Raum neu formuliert wird.
KI kann helfen, die öffentlich-rechtlichen Grundsätze und Public Value-Prinzipien in die Zukunft zu projizieren und so zu modernisieren, dass Public Service-Medien künftig nicht nur eine konkurrenzfähige europäische Alternative zu YouTube, Facebook, Netflix, Disney, Amazon & Co darstellen, sondern eine transparentere, intelligentere und qualitätsvollere Alternative zu diesen. Um eine solche zu bieten, muss eine neue öffentlich-rechtliche Balance gefunden werden: zwischen Datenschutz und journalistischer Qualität einerseits sowie kontrollierter Personalisierung und automatisierter Content-Produktion andererseits.
Richtig eingesetzt, kann KI dazu beitragen, die Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien offensiv neu zu interpretieren - nämlich dann, wenn es gelingt, die traditionellen journalistischen Werte und Qualitätsstandards mit den neuen digitalen Möglichkeiten zu verbinden und auf diese Weise bessere journalistische Produkte zu generieren.

Die Zeit drängt allerdings.

Die Langversion dieses Artikels ist in der Public-Value-Jahresstudie "Die STUDIE: Digitale Transformation" (S. 53-78) erschienen.