36 % der Schweizer/innen gehören zu den sogenannten "News-Deprivierten". Das sind jene Menschen, die Informationsangebote nicht oder kaum nützen. Diese Gruppe ist in den vergangenen neun Jahren um beträchtliche 15 Prozent gewachsen und Sie stellt heute die größte Mediennutzungsgruppe in der Schweiz dar. Unter den jungen Erwachsenen (16-29-Jährige) ist der Anteil noch höher. 53 % nutzen hier Nachrichten weit unterdurchschnittlich. Das sind 21 % mehr als im Jahr 2009. Das zeigt das aktuelle
Jahrbuch Qualität der Medien des Forschungsinstituts Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) in Zürich.
Mehr als ein Drittel der Schweizer Bevölkerung und mehr als die Hälfte der jungen Menschen nutzt also ausgesprochen wenige Informationsmedien. Sie sind auch weniger an gesellschaftlichen Themen wie Politik und Wirtschaft interessiert. Musik, Fitness, Gesundheit, Ernährung und Lokalnachrichten hingegen sind die Themen, die für diese Nutzer/innen interessant sind. Wenn sie sich informieren, dann über Social Media wie Facebook, YouTube und Co.
Die Gründe
Die Gruppe der News-Deprivierten wächst seit 2009 kontinuierlich und statistisch signifikant. Warum aber ist das so? Mark Eisenegger, Autor der Studie des FÖG äußert Vermutungen: "Die Zeit, die man in Medien investiert, geht förmlich durch die Decke. Allerdings fließt die Zeit nicht in Nachrichten, sondern in andere Dinge wie Socializing", sagt Eisenegger und spricht damit auch die intensive Nutzung von Social Media, vor allem am Smartphone, an. Es bleibt dann schlicht keine Zeit mehr für Nachrichten. Außerdem nimmt die Bindung zu klassischen Medienanbietern ab. Wer Inhalte - auch journalistische - vorwiegend auf Plattformen wie Facebook konsumiert, verbindet diese eher mit der Plattform als mit dem Medium, das den Content erstellt hat.
Das hat natürlich Folgen für die Medien. "Aus der Sicht der Schweizer Medienanbieter ist diese Entwicklung besorgniserregend", heißt es im Jahrbuch des FÖG. Es nimmt die Gruppe jener Personen zu, die nicht bereit ist, für journalistische Inhalte zu zahlen. Wenn sich mehr und mehr Nutzer/innen von Nachrichten im Internet abwenden, sinken die Klickzahlen und in weitere Folge die Werbeeinnahmen der Medien. Das macht die Finanzierung von qualitativem Journalismus immer schwieriger. Auch gesellschaftspolitisch kann die Entwicklung Folgen haben. Wenn sich die Menschen nicht über politische oder wirtschaftliche Themen informieren, hat das natürlich auch Auswirkungen auf das Bild, das sie sich von der Gesellschaft machen. Für eine starke Demokratie sind informierte, aufgeklärte Bürger/innen aber unverzichtbar.
Was tun?
"Ich gehe aber nicht davon aus, dass man diese Leute nicht zurückgewinnen kann", sagt Eisenegger. Deshalb verwendet der Bericht auch nicht den Begriff der "News-Abstinenten", der Menschen beschreibt, die Nachrichten vermeiden. Er denke nicht, dass die Menschen bewusst und absichtlich keine Nachrichten konsumieren. Man müsse dafür sorgen, dass wieder mehr Nutzungszeit in Informationsmedien investiert wird. "Hier sehe ich vor allem die Bildungsinstitutionen in der Pflicht", sagt Eisenegger. Die Schulen und Hochschulen müssen mehr Medienkompetenz vermitteln. "Wir müssen mehr journalistischen Content in Schulen nutzen, um den Unterricht zu bereichern und junge Erwachsene für Qualitätsunterschiede zu sensibilisieren", sagt er. So könne man ein Bewusstsein dafür schaffen, welchen Wert Informationsjournalismus hat und warum man dafür zahlen sollte.
Eisenegger sieht auch die öffentlich-rechtlichen Medien in der Pflicht. Sie müssen dafür sorgen, dass dort präsent sind, wo die Nutzer/innen unterwegs sind - also in den Sozialen Medien. Aus seiner Sicht braucht es dort mehr Dialog mit den Zielgruppen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse auch seine Aufklärungsfunktion im Internet stärker wahrnehmen und eingreifen, wenn Fake News im Umlauf sind. In Österreich ist der ORF im Internet und auf Social Media gesetzlich stark eingeschränkt. Erst dieses Jahr wurde ein Vorschlag für einen ORF-YouTube-Kanal von der KommAustria
abgelehnt. Auch in Veranstaltungen müsse der Öffentlich-Rechtliche stärker in Dialog mit den Zielgruppen treten, sagt Eisenegger. Der ORF gibt dem Publikum dafür zum Beispiel beim nächsten
DialogForum am 5. Dezember die Gelegenheit.
von Ricarda Kargl
Mehr Informationen:
Jahrbuch Qualität der Medien
Bescheid KommAustria
DialogForum "Mitreden!" am 5. Dezember 2018