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Markus Schächter, ehem. Intendant des ZDF
So geht Kontrolle
Qualitätssicherung: Eine tour d´horizon durch das öffentlich-rechtliche Europa
Es war ein besonderer Meilenstein, den der Stiftungsrat des ORF am 11.Mai 2011 in die europäische Landschaft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gesetzt hat. Das "Qualitätssicherungskonzept", das an diesem Tag beschlossen wurde und das im ORF die "Sicherstellung der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags" garantieren sollte, war in dieser Form das erste normative System eines Qualitätsmanagements im öffentlich-rechtlichen System der EBU, dem Zusammenschluss der Public Service-Sender in Europa.
Der Beschluss des Stiftungsrates hatte die Sollvorschriften des ORF-Gesetzes in eine stramme Medienpragmatik übersetzt. Das Gremium hatte darüber hinaus die einschlägigen Vorgaben des §4a der Legislative substanziell durch zusätzliche Maßgaben und weitergehende Forderungen verschärft. In einem System von Evaluierungs-Vorgaben, Programm-Untersuchungen und empirischen Befunden sollte Jahr für Jahr der Beleg erbracht werden, dass der Sender gegenüber den Vorgaben der Gremien, den eigenen Zielvorstellungen und aus der Sicht der Zuschauer seinen Kern-Auftrag erfüllt hat. Seit 2011 muss nun der Sender sich jährlich die Erbringung des ihm vorgeschriebenen Leistungsumfangs für die österreichische Gesellschaft testieren lassen. Mit einem genau definierten "Instrumentenkasten" sollte der Sender in jedem einzelnen Jahr (und damit in einer Zeitreihe vergleichbar) belegen können, dass er angebots- und publikumsorientiert eine methodisch saubere Evaluierung der Hervorbringungen seines Unternehmens durchgeführt hat. In diesen, für das Testat vorgegebenen Instrumentenkasten, gehören- seit dem Ergänzungsbeschluss des Stiftungsrates vom 20.November 2014 - sechs programmstrukturelle Untersuchungen: Zuerst die ORF-Qualitätsprofile (für Information, Kultur/Religion, Wissenschaft/Bildung/Lebenshilfe, Unterhaltung und Sport), also eine Reihe komplexer Studien, die ein Norm-Bild für diese Bereiche erstellen und dann dieses mit der Faktizität und der Meinung der Zuschauer darüber konfrontieren. Weiter gehören in den Instrumentenkasten die Publikumsgespräche und die Experten/innen- Diskurse, dazu die klassische ORF-Repräsentativbefragung, weiter ein Public Value-Bericht, sowie zur Sicherung der Vielfalt und Ausgewogenheit des Senderangebots eine ausführliche Programmstrukturanalyse für TV, Radio, Internet und Teletext. Die jährlich auf Vorschlag des Publikumsrates thematisch wechselnde ORF-Jahresstudie und die Jahresstudien mit besonderen Aspekten des Funktionsauftrages runden die methodischen Vorgaben an das Qualitätsmanagement des ORF ab.
Dieser ORF-Kanon an Pflichten und Aufgaben ging damals sowohl von der gesetzlichen Schärfe als auch im Umfang, zum Teil weit über die rechtlichen Verpflichtungen der im EBU-Verbund organisierten öffentlich-rechtlichen Sender in Europa hinaus. Vorherrschend in den Jahresberichten der Unternehmen dort waren im Hinblick auf das Qualitätsversprechen zumeist Ausführungen eines Selbstverpflichtungskatalogs (wie bei der ARD und dem ZDF) oder Reflexionen der Geschäftsleitung über Umsetzung einer als Marketingmaßnahme verstandenen Public Value-Strategie (wie bei der BBC).
Als im Jahre 2012 die Generalsekretärin der EBU, Ingrid Deltenre, auf der Jahresversammlung der 72 Mitglieder ein Papier über das Selbstverständnis des Public Service und die Qualitäts-Kriterien für die Sender vorgelegt hatte, intensivierte sich bei den einzelnen Mitgliedern die methodische Strukturierung eines Qualitätsmonitorings. Federführend waren neben den deutschen Sendern ARD und ZDF das finnische YLE, die BBC und die SRG .In der Hauptsache ging es bei diesen Festlegungen um die "core values" und die Schlüsselqualitäten des öffentlich-rechtlichen Mediums - vor allem in seiner Unterscheidung zu den kommerziellen Sendern und in seiner möglichst scharfen Abgrenzung zum rein ökonomisch ausgerichteten Markt. Im Jahre 2015, vor dem Hintergrund eines sich europaweit zuspitzenden Kampfes um die Finanzierung des Public Service, hat die EBU eine deutlich offensivere Gangart der Qualitätsdiskussion forciert. Die eigene Qualitätskultur mit Stichworten wie Zuverlässigkeit, Vertrauen, Unabhängigkeit und Exzellenz wird mehr und mehr proaktiv als ein besonderer Benefit für die Gesellschaft deklariert und die Qualitätsdiskussion mit dem Begriff der "Contribution to society" erweitert. Das Selbstverständnis dahinter ist eng an die selbstbewusste Vorstellung angelehnt, dass die Qualitäten des Public Service in großem Stil die Gesellschaft bereichern und dieser einen unverzichtbaren Dienst leisten. Und daraus ergibt sich - so die Schlussfolgerungen von rund 20 Sendern, die bei der neugegründeten Aktion "contribution to society" mitarbeiten - ein achtsamerer und offensiverer Umgang mit dem Thema Profil, Qualität und Substanz.
Ganz besonders weitgehend und für das Qualitätsmanagement bedeutsam ist das Beispiel der Schweiz. Dort hatte sich 2017 eine "eidgenössische Volksinitiative zur Abschaffung der Fernseh- und Radiogebühren" gegründet, die im März 2018 mit 71,6% Neinstimmen ziemlich souverän abgeschmettert werden konnte. Der aggressive und die SRG anfangs sehr massiv in die Defensive bringende Diskussionsverlauf der "No Billag"- Kampagne hat im Verlauf der politisch radikalisierten Debatte den Senderverantwortlichen deutlich gemacht, dass der Bestand und das Überleben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks davon abhängen, dass die SRG künftig das in der Kampagne entwickelte Narrativ der "contribution to society" und der gegenüber den kommerziellen Konkurrenten überlegenen Qualität glaubwürdig ausbauen muss. Strukturen und Sendungen, die in den Augen des Publikums als besonders qualitativ erscheinen, sollen nachhaltig forciert werden. Ein systematisches Monitoring für die neuen Ziele soll zeitnah aufgebaut werden und die Kommunikation über die neue Strategie ganz neu intoniert werden. Vor allem der Dialog mit dem Publikum mittels Zuschauerbefragung und neuartigen Meetings wurde als Mittel der Wahl entschieden ausgebaut. Ein Qualitätssicherungsprozess, der "zirkulär und iterativ" in allen vier, sprachlich unterschiedenen Gruppierungen der SRG jährlich das Erreichen der Ziele überprüft, wird samt Leitlinien und einem neu eingerichteten nationalen Qualitätsrat implementiert.
Die Entwicklungen in der Sendergruppe SRG zeigen exemplarisch, dass sich in jüngster Zeit in den Fragen der Qualitätsdefinition, ihrer methodischen Sicherung, ihres professionellen Managements und ihres belastbaren Monitorings in den Public Service-Sendern Europas ein Schub nach vorne ereignet hat. Die neuen Anstrengungen - von unterschiedlichen Motivationen getrieben - sind mit unterschiedlichen Verfahren unterwegs und auf gutem Weg. Zumeist aber verstehen sich die neuen Engagements als Qualitätsmanagement im Sinne von "contribution to people", also als Leistung zum Wohl der Gesellschaft. Aus den ersten gemeinsamen Erfahrungen mit diesem neuen offensiven Qualitätskonzept wird aber deutlich, dass es wichtig und erfolgskritisch bleiben wird, dass das, was der ORF nach den ersten Jahren des Umgangs mit dem Gesetz für sich erarbeiten musste, auch dort gelebt wird: Qualitätsmanagement darf nicht eine abstrakte Pflicht für die Mitarbeiter sein. Qualitätssicherung muss konkret und für jeden Teil des Senders als eine Bringschuld des Unternehmens für die Gesellschaft verstanden werden.
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