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Katharina Schenk, Leiterin Fernsehfilm #78 Darf man träumen dürfen? Filme, Reihen, Serien, Sitcoms, Kurzfilme - alles Fiktionale, das wir gerne schauen hat sich einen neuen Lebensraum erobert, und das nicht erst seit gestern. Von der linearen Rezeption im klassischen Fernsehen haben sich unzählige Geschichten über Streaming, VOD, SVOD, über Mediatheken, Soziale Netzwerke und Sharing-Plattformen in die Wohnzimmer und vor allem mobilen Geräte der Zuschauer*innen vorgearbeitet. Fiktionale Produktionen sind aus der digitalen Welt nicht mehr wegzudenken. Ich möchte davon ausgehen, dass digitale Ausspielwege das lineare Fernsehen nicht vollständig verdrängen werden. Aber man muss so ehrlich sein zu wissen, dass man ohne digitalem Outlet als Fernsehsender an Präsenz einbüßt.

Der ORF kann bislang die Vielfalt der Online-Möglichkeiten nicht für sein Programm nutzen. Damit könnte die Betrachtung zur österreichische Fiktion im Internet auch schon zu Ende sein. Ist sie aber nicht. Denn ihr Auftritt im Netz ist über die Jahre ähnlich kreativ geworden, wie ihre Inhalte.
Der direkte digitale Weg zu Film, Serie & Co. made by ORF ist derzeit die Möglichkeit des 7 days catch-up auf der Tvthek und die Plattform Flimmit. Aber das ist nur die Oberfläche.
Um unseren Zuschauer*innen ein breiteres digitales Angebot bieten zu können, gibt es in der Fiktion einerseits die mittlerweile etablierte Tradition des sendungsbegleitenden Contents auf der einen Seite und auf redaktioneller Ebene eine Fülle an Angeboten, die auf die hoffentlich bald anbrechende Zeit größerer Möglichkeiten abzielt.

Aber eines nach dem anderen.

In Kooperation mit jenen Kolleg*innen, die den Auftritt des ORF auf social media koordinieren und betreuen, wird vor allem im Serienbereich content mitgedacht und entwickelt, der sendungsbegleitend verwendet werden kann. Ein Beispiel? Zur ersten Staffel "Walking on Sunshine" gab es eine Reihe an pointierten Bauernregeln, die die Hauptfigur, der selbstverliebte Wettermoderator Otto Czerny-Hohenburg (dargestellt von Robert Palfrader), für die FB-Gemeinde des ORF zum Besten gab.
Zum Sendestart der Serie "Letzter Wille" standen die Hauptdarsteller Johannes Zeiler und Brigitta Kanyaro mit einem Wordrap auf Instagram.
Outtakes und Berichte der Darsteller*innen von den Dreharbeiten gehören mittlerweile ebenfalls zum fiktional-digitalen Alltag.

Nicht alltäglich sind aber jene Möglichkeiten, die sich eröffnen würden, wenn sich der Aktionsradius des ORF in der digitalen Welt vergrößern würde, wenn es plötzlich möglich wäre, Inhalte für online only bereitzustellen.
Hier gliedern sich die redaktionellen Überlegungen (man müsste derzeit noch fast sagen: Träume) in vier Kategorien: dual nutzbare Projekte, spin-off Formate, Themenleisten und schließlich der "Spielplatz".

Dual nutzbare Projekte sollen derart angelegt sein, dass sie zwei verschiedene Formatierungen anbieten, wobei sich die eine Formatierung für die lineare Ausstrahlung eignet, die andere aber eine digitale Nutzung nahelegt. Das kann ganz klassischer Weise die 45-Minuten-Formatierung bei einer zusammenhängenden Reihe an abendfüllenden Spielfilmen sein - eine Strategie, wie sie von ZDF und ARD für die Nachnutzung in der Mediathek gefahren wird. Das können aber auch Projekte sein, die von Beginn an so gedacht werden. Ein derartiges Projekt, das wir entwickeln ist ein Episodenfilm, der unabhängige Geschichten erzählt, die thematisch miteinander verbunden sind und insgesamt eine Länge von 90 Minuten ergeben. Die einzelnen Episoden können aber auch als selbständige Kurzfilme jenseits des Sendeschemas online konsumiert werden. Hier ergibt sich zusätzlich die Möglichkeit, vor allem auf der Drehbuchseite arrivierte Filmschaffende mit Nachwuchstalenten zusammen zu bringen.

Spin-off-Formate sind kleine Erzählwelten, die sich aus einer Serie oder Reihe ergeben können. Ob es 2-10minütige Episoden mit einer Nebenfigur einer Serie sind (z.B. "Lammert's Leichen", eine Webserie mit dem Tatort-Pathologen des MDR) oder zum Beispiel die Einblicke einer fiktiven Polizistin aus einer Krimi-Serie in ihr Tun - hier gibt es viele Möglichkeiten.

Themenleisten wiederum wären leicht zu bestücken und könnten u.U. auch Bereiche des fiktionalen Schaffens in Österreich beleuchten, für die es keine adäquaten Sendeflächen gibt. Zu denken wäre hier Beispielsweise eine kuratierte Fläche für das österreichische Kurzfilmschaffen (das vom ORF über das Film/Fernsehabkommen mit finanziert wird). Oder eine Kooperation mit der Filmhochschule, um Abschlussarbeiten breiter zugänglich zu machen.

Und schließlich der "Spielplatz". Hier könnte von der Original-Webserie bis zum Kurzfilm-Wettbewerb alles stattfinden. Das ist und bleibt eine Frage der Möglichkeiten und Ressourcen. Aber träumen muss man dürfen.

Nicht zuletzt hat das Jahr 2020 gerade im fiktionalen Bereich - und hier besonders beim Kinofilm - einen starken Schub hin ins Digitale gebracht. Ganze Festivals haben auf Online umgestellt, mit virtuellen Screeningräumen und Netzwerkplattformen. Bei der Diagonale `20 gab es eine Kooperation zwischen Diagonale und Flimmit, um das Filmschaffen an ein breites Publikum zu bringen. Die AFC bietet mit "All you can watch" (https://watch.austrianfilms.com/page/all-you-can-watch) einen digitalen Eingang zur Welt des österreichischen Kinofilms.

Alles in allem geht es beim Thema der Fiktion im digitalen Raum - wie in jeder Geschichte - um überraschende Wendungen, innovative Zugänge und grenzüberschreitendes Denken. Der digitale Raum ist für fiktionale Programme nicht einfach nur eine Fläche zur Nachnutzung, er birgt Möglichkeiten der Weiterentwicklung und neuer Kooperationen in sich. Es ist redaktionell eine unglaublich spannende Aufgabe, sich darüber Gedanken zu machen. Und irgendwann wird die Fiktion dann auch real digital.