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Roland Schupfer, Technischer Leiter ORF Steiermark #73 Was heißt „iterativ“ auf steirisch? …ist ein Leitsatz, der so sicher in keinem Pflichtenheft steht, der das Jahr 2020 allerdings stark geprägt und uns damit im Prozess der digitalen Transformation einen großen Schritt voran gebracht hat. Wir haben in vielen Bereichen "agiert" statt nur "reagiert" - nie zweifelnd, dass wir am Ende unser Ziel erreichen, aber stets gespannt, welche neuen Wege sich uns dadurch ergründen werden.
Digitale Transformation - was bedeuten diese zwei Begriffe überhaupt und wofür stehen sie? Ist damit die rein technische Komponente gemeint, die neue Chancen eröffnet? Oder liegt es nicht auch an den Menschen, aus neuen technischen Möglichkeiten überhaupt erst Innovationen entstehen zu lassen - mit entsprechendem Mut zur Veränderung und Begeisterung am Schaffen neuer Perspektiven? Aus meiner Sicht: Es braucht beides, vor allem aber ein motiviertes und lösungsorientiertes Team, das diesen Spirit mitträgt. Eine Retrospektive auf das Corona-Jahr, das im privaten und wirtschaftlichen Bereich für viele vor allem mit Einschränkung, Rückschritt oder gar Stillstand verknüpft war.

Es war auch im ORF Steiermark ein Jahr wider alle Standards, das von allen Kolleginnen und Kollegen ein Handeln unter völlig neuen Voraussetzungen erforderte. In vielen Bereichen mussten Lösungen bei teils sogar eingeschränkten Ressourcen - Stichwort Kurzarbeit, Isolationsbetrieb oder Homeoffice - noch schneller und vereinfacht umgesetzt werden. Ein "Spagat", der dem steirischen Team gelungen ist und noch mehr - im Landesstudio Steiermark konnte von Stillstand keine Rede sein, im Gegenteil: Die Krise erwies sich als "Booster" für kreative Ideen und bisher als bestes Teambuilding-Seminar.

Den Auftakt aller Herausforderungen im Jahr 2020 machte - noch vor dem ersten Corona-Lockdown - das "Benefizkonzert für Kerstin", eine private Initiative für die Familie eines Gewaltopfers. Der ORF Steiermark übernahm die Übertragung des Konzerts im Livestream aus dem Grazer Orpheum und setzte damit nach außen hin nicht nur ein Zeichen der Solidarität, sondern lieferte damit zugleich ein Paradebeispiel für digitale Transformation. Der mobile Schnellreportagewagen (mSRW) wurde kurzerhand zu einem "Multicam-Vehicle" adaptiert, immerhin waren es sieben Kameras, die den mehrstündigen Konzertabend und elf Musikgruppen mit emotionalen Bildern festhielten und via steiermark.ORF.at einem breiten Publikum zugänglich machten.

Spätestens mit Beginn des ersten Lockdowns galt es unter völlig anderen Voraussetzungen und noch nie da gewesenen Bedingungen zu arbeiten. Nicht nur einmal wurden kurzfristig Pressekonferenzen einberufen, die aus technischer Sicht mit "fliegendem Equipment" rasch und kostengünstig besetzt werden konnten - mit dem Ziel, die steirische Bevölkerung möglichst schnell trimedial zu informieren. Meistens war der ORF Steiermark mit drei Kameras im Einsatz.

Der kulturelle Bereich lag heuer nahezu brach und dennoch bzw. umso mehr blieb es unser Ziel, das kulturelle Radio-, TV- und Online-Angebot so gut es geht aufrechtzuerhalten und den steirischen Kultur- und Musikschaffenden vor allem eine neue Bühne zu bieten. So gelang es in diesem Jahr neben vielen anderen Programm-Aktionen etwa - technisch weitgehend unaufgeregt, aber mit durchwegs kreativen Lösungen - die ORF Steiermark-Kulturveranstaltung "Hör- & Seebühne" zu streamen. Die Erfahrungswerte aus vorangegangenen Produktionen, die mittlerweile schon vorhandenen technischen Voraussetzungen, gepaart mit individuellem Fachwissen und teils auch kreativen Herangehensweisen haben dazu beigetragen, die schon traditionelle Sommer-Lesung am Funkhausteich in ein "uniques" Format zu bringen, wodurch zugleich ein neues Publikum angesprochen werden konnte.

Wie kann guter Journalismus auch in Zeiten von Homeoffice und strikten Abstandsregeln gelingen? Auch mit dieser völlig neuen Frage waren wir im abgelaufenen Jahr von einem Tag auf den anderen konfrontiert. Die redaktionellen Möglichkeiten im Homeoffice, so stellte es sich sehr bald heraus, sind stark eingeschränkt: Via Messenger arrangierte Interviews lieferten zwar eine gute Tonqualität, erlaubten aber keine kritischen Interviews mit Zwischenfragen. Aus diesem Grund wurde mit wenig Equipment ein Prototyp für mobile "Mischpulte" entwickelt, die schließlich kostengünstig "in Serie" gehen konnten. Somit war es möglich, Gespräche via Smartphone oder Audio-Live-Mitschnitte aufzuzeichnen und digital zu bearbeiten.

Am Ende des Jahres wurde aus der Idee einer TV-Ankündigung für das Radio Steiermark-Adventsingen mit "ein wenig unplugged im Homevideo-Stil" letztendlich eine trimediale Reihe aus "Mini-Konzerten" für den Licht-ins-Dunkel-Adventkalender. 24 steirische Künstlerinnen und Künstler besuchten uns unter strengsten Corona-Auflagen und spielten live und "akustisch" aus einem einfach adaptierten Büro - reduziert auf "Molton (Dekostoff) meets Lichterkette". Die positive Response war intern wie auch extern enorm.

"Tua ma amoi, dann seg'n ma scho…" - und, was ich am Ende des abgelaufenen Jahres sehe, ist, dass vieles, um nicht zu sagen alles, gelungen ist - eben nicht nur mit Hilfe technischer Mittel und innovativem Equipment. Mein persönlicher Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen, die mit technischem Know-how, aber auch unkonventionellen Lösungsansätzen sowie mit Motivation an der lösungsorientierten Realisierung aller Projekte mitgewirkt haben. Ich bin daher überzeugt, dass mit all diesen Erfahrungen im Gepäck bzw. Hüfttascherl auch künftig Großartiges gelingen wird - in Hinblick auf die neuen Herausforderungen und Perspektiven, die vielleicht schon bald der ORF-Player offenbart - durchaus auch im Sinne der digitalen Transformation.