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Josef Estermann, Rechtssoziologe Vicesse #87 Was gilt in der Schweiz zu Digitalisierung und öffentlich-rechtlichen Medien? Fernsehen und Rundfunk sind und waren schon immer "neue Medien" auf Basis der elektronischen Übermittlung von Informationen zum Zwecke der Wissensvermittlung, Bildung und Unterhaltung. Fernsehprogramme werden zunehmend nicht linear konsumiert, sind interaktiv abrufbar. Ihre Inhalte werden überproportional häufig in den sozialen Medien geteilt. Wie bei allen Medien ist Qualität und Wert für die Öffentlichkeit abhängig von den Bedingungen der Produktion: Muss ein Medium Profit für Unternehmer abwerfen oder wird es als kulturelle Leistung von der Gemeinschaft getragen? Die zweite Meinung scheint hier mehrheitsfähig: in Österreich und in der Schweiz haben Abstimmungen die Bereitschaft der Bürgerinnen gezeigt, dass sie für diese Leistung auch Gebühren zu zahlen bereit sind, obwohl "Steuern" hier und da nicht allzu beliebt sind. Obwohl die staatliche Kontrolle öffentlicher Medien vor allem im letzten Jahrhundert zu rücksichtsloser Propaganda benutzt wurde, konnte sich nach 1945 eine Struktur demokratischer Kontrolle etablieren, welche Informationsqualität und grobe Propaganda verhindert und von der Möglichkeit von "Zuschauerräten" und Konsultativgremien Gebrauch macht. Der Gedanke verankert sich, dass es sich hier um "unsere" Medien handelt, deren Qualität für das gute Bestehen von Gesellschaft notwendig ist. In Österreich wie auch in der regional, kulturell und sprachlich hoch differenzierten Schweiz - diese Differenzierungen bilden dort die Grundlage des Staates überhaupt - ist die ausreichende Berücksichtigung von Minderheiten nur durch öffentlich finanzierte Medien möglich. Es gibt für Medieneigner keine pekuniäre Profitabilität unter diesen Differenzierungsanforderungen, sie müssten sich also in Abhängigkeit von zahlungskräftigen, interessierten und nicht dem demokratischen Prozedere unterliegenden Kreisen begeben. Es gibt immer auch Politiker, die sich gerne ein Medium kaufen möchten, um für ihre Sache Stimmung zu machen. Die Digitalisierung im Sinne einer breit abgestützten interaktiven Kommunikation über Medieninhalte ist eine Chance, die wir ergreifen und weiterführen sollten.


Zur Admeira-Studie "Medien der Zukunft 2022"

Die Studie zeigt, dass der lineare Konsum von Fernsehen und Radio vor allem bei jüngeren Mediennutzenden abnimmt, zugunsten von Streaming-Diensten und Social Media (mit Plattformen wie Facebook, Twitter, Instagram, Reddit etc.). Dies gilt für kostenpflichtige und kostenlose Dienste gleichermassen. Werbeunterbrechungen scheinen so unangenehm, dass gerne nicht allzu hohe Kosten für einen ungestörten Konsum in Kauf zu nehmen sind.

Die Wahrnehmung von Inhalten differenziert sich nicht nur nach Medien (Print, bewegtes Bild, bildloser Ton), sondern vor allem durch deren Moderation. Den Nutzern von Social Media ist sehr wohl bewusst, dass Produzenten von Inhalt persönlichen Interessen folgen und den Ansprüchen der Geldgeber unterworfen sind. Qualität von Inhalt ist also abhängig von Professionalität (Kontrolle der persönlichen Interessen) und Finanzierung (Durchgriff der Werbung und der privaten und staatlichen Mächte auf die Inhalte, Bezahlung der Medienschaffenden). Es ist der abtretenden US-Administration zu verdanken, dass der Begriff "Fake News" eine solch fulminante Karriere hingelegt hat. "Fake" oder "Real" entscheidet sich nämlich durch die Art der Produktion und die Zuverlässigkeit der ProduzentInnen. Es ist wünschenswert, wenn beide Gegenstand eines demokratisch moderierten, transparenten Diskurses sind, was die öffentlich-rechtlichen Medien am besten zu garantieren in der Lage sind.