Digital Me
next
next

DE | EN
DE | EN
Zurück zur Übersicht

Lukas Klingan, Content-Entwickler, ORF Player #2 Wie ist die Ausgangslage? Vorweg: Ja, der ORF erreicht seine jungen Zielgruppen via Fernsehen und Radio noch ausgezeichnet. Auch via ORF.at, Facebook und Instagram erreichen wir junge Menschen, primär mit Information, aber auch Sport und Unterhaltung werden oft - speziell im Vergleich mit den Mitbewerbern - sehr gut genützt.
Trotzdem muss der ORF sich jetzt bewegen. Wir müssen dorthin gehen, wo sich die jungen Zielgruppen zum großen Teil ihrer Zeit aufhalten. Durch die neuen Technologien wird Bewegtbild von Jahr zu Jahr wichtiger. Gleichzeitig wird die Schnittmenge von ORF-Content mit den Bedürfnissen der jungen Online-Only- Zielgruppen immer weniger. Eine Auseinandersetzung mit Jugendkultur findet im Bewegtbildbereich zu wenig statt. Der Künstler Capital Bra polarisiert stark in den jungen Altersgruppen, auf YouTube wurden seine 42 Videos in den letzten zwei Jahren mehr als 700 Millionen Mal geklickt. Sneaker wurden in den letzten Jahren zur Wertanlage, für sogenannte Sneaker-Drops campieren junge Menschen regelmäßig vor Sneaker-Stores. Gaming bzw. der Konsum von Gaming-Streams sind mittlerweile fester Bestandteil des Medienalltags junger Menschen, nur acht Prozent der 12-19-Jährigen spielen keine digitalen Spiele, fast 70% zocken täglich, speziell junge Mädchen holen hier stark auf. Hiphop, Sneaker, Videospiele sind nur drei Elemente, die seit vielen Jahren Jugendkultur nachhaltig prägen. Keines dieser Themen wurde im Bereich Bewegtbild in den letzten Jahren angemessen abgebildet.
Es fehlt hier schlicht an Angeboten. Die Abwesenheit von Angeboten ist jedoch nicht das primäre Problem. Selbst wenn wir regelmäßig in unseren linearen Sendeflächen angemessene Inhalte abbilden würden, würden wir damit nur bedingt die gewünschte Zielgruppe erreichen. Denn eine Zielgruppe, die sich primär online bewegt, erwartet primär online Content. Jede Plattform entspricht ihrer eigenen Logik, vergleichbar mit der menschlichen Sprache. In Frankreich will dich mit Englisch auch niemand verstehen, ebenso funktionieren lineare Inhalte nur bedingt auf Online-Plattformen. Kleiner Unterschied: In Frankreich bekommst du wenigstens noch ein stures Kopfschütteln, auf Social Media kommst du nicht einmal vor, wenn du nicht die richtige Sprache sprichst. Aktuell sprechen wir nur vereinzelt die richtige Sprache- und versuchen es auch zu selten. Aktuell bilden wir meist unseren linearen Content ab - gut für die Marke, im besten Fall hilft es vielleicht sogar der linearen Produktion.
Es fehlt also an Präsenz und an Distributionsmöglichkeiten. Und zusätzlich fehlt es an Interaktionsmöglichkeiten. Interaktionen sind ein zentrales Element von Online-Angeboten: Jedes Posting, jedes Video ist nur so viel Wert wie der Grad an Interaktion. Ohne Interaktion keine Präsenz, keine Relevanz. Die Perspektive: Wir müssen uns bewegen. Dort stattfinden, wo sie sind. Mit den Inhalten, die sie suchen. In der Form, wie es die bespielte Plattform vorgibt. Dafür brauchen wir das beschriebene Verständnis. Dieses lässt sich aber erst entwickeln, wenn wir einerseits wieder mehr ehrlichen Austausch suchen, andererseits die dafür notwendige Kultur schaffen. Dafür brauchen wir mehr junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch mehr Kooperationen und Allianzen mit jungen Content-Schmieden. All das zahlt in das Verständnis ein, das es braucht, um junge Menschen tatsächlich zu erreichen.

Mit den neuen Angeboten des ORF Players reagiert das Unternehmen auf das veränderte Nutzungsverhalten: Wir werden auf jenen Geräten adäquat vertreten sein, die vom Publikum bevorzugt genützt werden. Dafür benötigen wir neue On-Demand-Angebote und eine zeitgemäße User-Experience, die sich auf Augenhöhe mit den großen Plattformen bewegt. Es gilt, eigene Angebote für Online-Channels zu schalten, dieser Handlungsbedarf geht weit darüber hinaus, klassisches Fernsehen auf möglichst vielen Geräten darzustellen.

Für das Publikum bedeutet der ORF Player im ersten Schritt eine bessere On-Demand Verfügbarkeit unserer traditionell produzierten Inhalte und im zweiten Schritt zusätzliche online-adäquate Angebote. Für das junge Publikum bedeutet der ORF Player frische Inhalte, die auf die Plattformen ausstrahlen, auf denen sie sich primär aufhalten, sozialisieren und konsumieren. Zusätzlich gilt es neue Touchpoints zu schalten, um bestimmte Zielgruppen besser zu erreichen.

Im Fokus stehen dabei die Sinusgruppen, die wir jetzt mit unseren linearen Angeboten nur noch selten erreichen. Neben der Distribution müssen sich auch die Inhalte selbst verändern und präziser den Ansprüchen ihrer Zielgruppen gerecht werden. Auch wenn sie am Streaming-Markt mit kommerziell ausgerichteten Mitbewerbern konkurrieren, müssen sie dem öffentlich-rechtlichen Anspruch gerecht werden und einen klar erkennbaren Nutzen für Publikum und Gesellschaft stiften. Für das Unternehmen bedeutet der ORF Player der Beginn eines umfassenden Struktur- und Kulturwandels. Das Player-Projekt entsteht über alle Bereiche hinweg, eine Durchlässigkeit in Struktur und Organisation ist dafür notwendig. Eine Durchlässigkeit, die nicht nur über interne Abteilungsgrenzen hinweg, sondern auch mit externen Partnern im Online-Bereich gelebt werden muss.