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Thomas MATZEK, Leiter TV-Bildungsredaktion #3 Wissen: Wie geht der digitale Bildungsauftrag? Digitalisierung ist mehr als ein Schlagwort – sondern bietet völlig neue Möglichkeiten der Vermittlung. Unser Publikum sind nicht mehr nur jene, die ein TV-Gerät oder einen Radioapparat haben, sondern letztlich alle, die einen Internetzugang haben, egal ob am PC oder am Handy. Damit können wir mehr Menschen in Österreich Bildungsinhalte anbieten – und neue Publikumsschichten erreichen. Der ORF wird damit mehr denn je ein „Rundfunk“ der Gesellschaft.

In der Zeit von Fake News und Verschwörungstheorien ist journalistisch gesicherter Inhalt, der Orientierung gibt, ein Wettbewerbsvorteil. Im Mittelpunkt steht mehr denn je die gut recherchierte Story. Digitalisierung ermöglicht, deren Inhalt auf unterschiedlichste Weise für die verschiedensten Zielgruppen aufzubereiten. Multimediales Themenmanagement ist Chance und Herausforderung zugleich.

Nehmen wir ein Beispiel für Wissenschaftsberichterstattung – das Thema Artenvielfalt. Was in einer Dokumentation von 45 Minuten Länge auf einem Großbildschirm in hochauflösenden detailreichen Bildern vermittelt wird, muss nicht funktionieren beim User, der seine Infos am Smartphone Display auf der Fahrt in der U-Bahn abruft. Hier werden Clips aus dem gleichen Material, kurze, plakative Sinneinheiten besser funktionieren - gestaltet nach der Logik von bereits erfolgreichen Plattformen. Das bedeutet Versionierung wird eine Kernaufgabe einer multimedialen ORF-Wissenschaftsabteilung.

Wie Bildungsinhalte mit der Logik von digital natives funktionieren können, zeigt die Plattform Edutube, die anlässlich der Corona-Krise als Unterstützung beim Home-schooling aufgebaut wurde. Zu acht Kategorien – von Politik/Europa über Mensch/Kultur zu Medien/Digitales finden sich hier fast 1000 Beiträge, großteils exklusiv für die Plattform hergestellte Fünf-Minuten-Beiträge. Diese sind durch Tags und Algorithmen miteinander verknüpft. Das heißt, wer einen Beitrag über Kaiser Maximilian ansieht, bekommt von der Plattform Vorschläge, die inhaltlich dazu passen, wie Beiträge über andere Habsburger Herrscher. Je mehr die Plattform benutzt wird, umso mehr richten sich die Angebote nach den persönlichen Präferenzen aus – wie bei kommerziellen Plattformen - mit dem Unterschied, dass die Inhalte journalistisch qualitätsgesichert sind und das Ziel der Plattform die Neugier nach Wissen fördern soll.

Völlig neue Perspektiven ermöglichen auch 3D-Rundgänge. Dabei werden Schauplätze mit eigenen Techniken abgefilmt und digitalisiert mit zusätzlichen Informationen und Content verknüpft. Bei der virtuellen Besichtigung z.B. des Amphitheaters von Carnuntum kann man beim Anklicken eines Info-Punkts zum Beispiel eine animierte Rekonstruktion des Bauwerks abrufen, oder das Video eines Gladiatorenkampfes, der hier stattgefunden hat, oder das Interview mit Wissenschafter/innen. Vermittlung von Bildung und Wissensinhalten, wird durch die Digitalisierung in einer völlig neuen Art möglich. Nicht nur in Zeiten von Corona von unschätzbarem Wert.

Digitalisierung erfordert aber auch soziale und ökologische Verantwortung. Die Fähigkeiten, die neuen Tools zu nutzen sind, in der Gesellschaft noch nicht gleich verteilt. Wer sie zu nutzen weiß, hat bald einen enormen Wettbewerbsvorteil. Wer die Möglichkeiten nicht nutzen kann, läuft Gefahr, „Modernisierungsverlierer“ zu werden. So wird eine der wesentlichen Aufgaben für den ORF die Förderung der digitalen Kompetenz sein.
Angesichts des hohen Energie-Verbrauchs von Datenverarbeitung, Speicherung, Streaming oder immer mehr hochauflösenden Bildschirmen, stellt sich für einen „Rundfunk der Gesellschaft“ auch die Frage der Nachhaltigkeit. Wenn wir auf der einen Seite Mobilität einschränken, um den individuellen CO2-Ausstoß zu senken, darf nicht die Digitalisierung diese Fortschritte zunichte machen. In den Konzepten der Europäischen Union ist deshalb bereits jetzt die Digitalisierung-Offensive mit der Bereitstellung „grüner“ Energie verknüpft, Teil eines Green Deals. Dieser könnte auch Vorbild für die digitale Bildungsoffensive im ORF sein. Digitalisierung heißt auf jeden Fall – neu denken!