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Siegfried Steinlechner, Redakteur TV-Kultur #62 #wiewirstdudigital ORF? Der digitale Wandel erfasst sämtliche Lebensbereiche der Gesellschaft. Der ORF muss sich auf die neuen Gegebenheiten einstellen und dementsprechend seine Inhalte und Organisationsstrukturen, Prozesse, Angebote und Dienstleistungen digital transformieren.

Ich frage mich, welches MINDSET damals vorhanden war, damit der ORF 1969 das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker im Rahmen des Farbfernsehversuchsprogramms als erste Farbfernsehsendung - eine für damalige Zeiten große, innovative und nachhaltige Veränderung - ausstrahlen konnte.
Technik, Programm und Geschäftsführung förderten über mehrere Jahre das Zustandekommen dieses nachhaltig wirksamen Projekts. Einzelne Mitarbeiter/innen aus unterschiedlichen Technik- und Programmbereichen arbeiteten jenseits ihrer hierarchischen Position mit ihrem Wissen und Können, ihrer Ausdauer und Kooperationsbereitschaft daran, es umzusetzen. Wo notwendig holte man sich Expertise von außen - das meiste konnte man mit den RESSOURCEN im Haus schaffen.

Und heute? Wie kann heute digitale TRANSFORMATION gelingen?
Wir benötigen eine MISSION und VISION für die digitale Transformation und damit einen Maßstab für die notwendige Innovation. Es muss klar sein, was wir wollen: Dann lässt sich auch operationalisierte, konkrete Innovation umsetzen. Wir müssen zuerst wissen, auf welches Fundament wir unsere digitale Zukunft stellen wollen.
INNOVATION und Digitalisierung müssen zu den zentralen Treibern unserer Ideen und unseres Handelns werden. Dementsprechend muss es eine Digitalstrategie geben, die das Wort "digital" nicht als Buzzword verwendet, sondern die entsprechend den Bedürfnissen der diversen Publika und den sich ständig verändernden inhaltlichen wie technischen Möglichkeiten, Inhalte erzeugen und distribuieren lässt. Wenn Innovation erfolgreich sein will, muss sie sich mit den dominanten Vorstellungen von Innovation und Journalismus auseinandersetzen, anstatt sie nur blind zu erfüllen. Wenn Innovation im Journalismus wirklich erfolgreich sein will, muss sie es schaffen, diese Lücke zwischen Vorstellung und Realität zu schließen. Ansonsten wird sie sich damit begnügen müssen, wieder und wieder dem nächsten Hype hinterherzulaufen.

Think Big: Wir müssen es groß machen! Um von einem teilweise digitalisierten zu einem modernen digitalen Medienunternehmen zu werden, müssen wir das ganze Thema groß - konzernweit ohne Ausnahmen - und sicher auch RADIKAL gemeinsam denken und umsetzen. Es geht nicht alles auf einmal! Kleine, iterierbare aber konkrete Schritte: Prozesse, für die andere Jahre bzw. Jahrzehnte benötigt haben, können wir nicht in wenigen Monaten schaffen.

Skills, die dabei unumgänglich sind, sind ausreichende technische wie inhaltliche Expertise, Mut, Experimentierfreudigkeit, Kooperationsfreudigkeit, Entscheidungsfreudigkeit, Fehlerkultur und eine grundlegende Freude an den multiplen Möglichkeiten der Veränderung, die in der digitalen Welt auf ein modernes Medienunternehmen mit öffentlich-rechtlichem Auftrag warten! Der Umgang mit dem Wandel muss angstbefreit und ohne Überforderungen für alle tragbar sein.
Zum großen Wurf gehören viele kleine Schritte, Training und Ausdauer: Was im RUCKSACK für die Besteigung des digitalen Gipfels drinnen sein soll, muss sorgfältig überlegt werden. Niemand würde eine solch abenteuerliche ERSTBESTEIGUNG mit unnötigem Ballast oder gar falscher Ausrüstung und ohne dafür trainierte Teams wagen.
Wir müssen alle lernen, dass die digitale Transformation kein rein technisches Thema ist und uns einen Plan erarbeiten, wie wir eine digitale Kultur ins Unternehmen bringen. Die Konflikte und Kooperationen zwischen Technik und Programm sind es bis heute, welche technisch-kreative und innovative Projekte ermöglichen. Digitales Wissen und Denken muss nachhaltig und im ganzen Konzern verankert werden.
Das Denken in fertigen und perfekten Beiträgen, Artikeln und Sendungen ist anachronistisch. Alle Redaktionen sollten mit dem Wissen und den Daten über das Publikum und dessen Bedürfnisse arbeiten. Wir müssen die Fähigkeit, die Perspektiven unserer Nutzer/innen einzunehmen, erlernen und einsetzen. Wir müssen unser Mindset langfristig ändern: Wir dürfen kein reines Sendebewusstsein mehr haben. Wir sind Vermittler, Händler, Unterhalter und Ermöglicher.

Der alltägliche, positive Umgang mit Tri-, Cross- und Transmedialität, da wo es für die Bedürfnisse unserer Nutzer/innen gut ist, gehört als gemeinsames Ziel definiert. Echt digitalisieren bedeutet nicht nur analoge Workflows und Sendungen zu digitalisieren, sondern alle Prozesse von Grund auf digital zu denken und alle Inhalte in eine echte digitale Storytelling-Welt zu bringen. Das Re-Mixen, Wiederholen und Imitieren alter oder fremder digitaler Stories ist keine Innovation.
INNOVATION an sich muss unternehmensweit professionalisiert und so betrieben werden, dass sie als normaler Prozess, den man hinterfragen und mitgestalten kann, verstanden wird. Vorurteile und Widerstände dagegen zu bearbeiten, ist Teil einer adaptierten UNTERNEHMENSKULTUR. Innovation ist dabei weder etwas für Einzelkämpfer und Schrebergärtner und schon gar nicht darf sie auf technische Entwicklungen beschränkt sein.

Und was haben wir benötigt, um 2016 aus dem Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker ein spannendes 360-GradVR-Erlebnis zu produzieren? Genau dieselben "Zutaten" wie schon 1969 bei der Erstausstrahlung des Neujahrskonzerts in Farbe.