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Öffentliche Infrastruktur ist nicht gratis. Alle, die in Österreich leben, zahlen z.B. für Wasserversorgung und Gesundheitssystem, für Schulen und Universitäten, für Straßen und Bahn, für Museen, Theater und Oper – und für den österreichischen Rundfunk. Warum?

Der Medienökonom Univ.-Prof. Mag. DDr. Matthias Karmasin von der Universität Klagenfurt führt aus.

Die triviale und damit schnelle Antwort auf diese Antwort lautet: weil der Gesetzgeber nach einem Urteil des VfGH, das eine langfristige und unabhängige Finanzierung des ORF, die keine potenziellen Nutzer:innen des Programms ausnimmt, fordert, eine Haushaltsabgabe beschlossen hat.

Für eine umfassendere Begründung lassen sich aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive drei Zugänge zusammenfassen:

Einen öffentlichkeitstheoretischen bzw. demokratietheoretischen, der auf den Zusammenhang von Demokratie und Öffentlichkeit abstellt und den deliberativen Charakter von Öffentlichkeit auf Basis von Fakten und Evidenzen zentral sieht, zumal dies in strukturell versagenden Märkten wie dem Medienmarkt durch Wettbewerb allein nicht zu leisten ist. Dieser nimmt den wesentlichen (wenn auch nicht exklusiven) Anteil des ORF an dieser Öffentlichkeit in den Blick.

Die Möglichkeiten zur Teilnahme und Teilhabe an einer gemeinsam geteilten demokratischen Öffentlichkeit auf Basis eines gemeinsamen Wissensraumes ist unter den Prämissen von „News Avoidance“ (Nachrichtenvermeidung), gut geölten „Owned Media“ und PR-Maschinen, „Dark PR“ und fragmentierter Öffentlichkeit wichtiger denn je. Unter anderem der wohl prominenteste Chronist des Strukturwandels der Öffentlichkeit, Jürgen Habermas (2021, S. 500), der resümiert: „In einer schwer vorstellbaren ‚Welt‘ von Fake News, die nicht mehr als solche identifiziert, also von wahren Informationen unterschieden werden könnten, würde kein Kind aufwachsen können, ohne klinische Symptome zu entwickeln. Es ist deshalb keine politische Richtungsentscheidung, sondern ein verfassungsrechtliches Gebot, eine Medienstruktur aufrecht zu erhalten, die den inklusiven Charakter der Öffentlichkeit und einen deliberativen Charakter der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung ermöglicht.“ Einen medienökonomischen Zugang, der die Kompensation von Marktversagen etwa im Vorhalten von Angeboten, die sich über Werbe- und Vertriebserlöse nicht refinanzieren lassen – z. B. für Zielgruppen, die für die Werbewirtschaft uninteressant sind, oder spezifisch regionalen oder sprachlichen Charakter haben etwa auch im Bereich von Filmen oder bei Sportereignissen – betont und die Finanzierung des ORF durch die Allgemeinheit in der Produktion öffentlicher Güter durch diesen begründet sieht. Duale Rundfunksysteme (bzw. triale Rundfunksysteme, wenn man die Community und die nicht-kommerziellen Medien auch in den Blick nimmt) zur Sicherung von Medien- und Meinungsvielfalt sind auch aus europarechtlicher Sicht als Freistellung von der Wettbewerbsregel und Ausnahme vom Beihilfenverbot erwünscht. Auch im Bereich elektronischer und digitaler Medien wird öffentliche Finanzierung im Sinne eines breit gefächerten Angebotes als ausdrücklich zulässig erachtet. Gerade in kleinen Märkten mit hoher Konzentration, „Cross Ownerships“, beschränkten Refinanzierungsmöglichkeiten und hohen Erlösabflüssen in Richtung der „Intermediäre“, aber gleichzeitiger Existenz eines hochdifferenzierten gleichsprachigen und kulturell ähnlichen Marktes, ist dies Auftrag an die Medienpolitik, den trialen Markt in Richtung einer möglichst hohen Qualität und Vielfalt von Öffentlichkeit zu gestalten. Dies schließt eben auch – wenn auch nicht exklusiv – den öffentlich -rechtlichen Rundfunk ein.

Letztlich einen medienethischen Zugang, der die Unabhängigkeit von wirtschaftlichen und politischen Einflüssen und die Verpflichtung auf die höchsten Standards professioneller Ethik als wesentlichstes Argument für die Finanzierung durch alle sieht. Im Fokus steht dabei nicht nur der Journalismus (auch wenn dieser besonders relevant ist), sondern auch Unterhaltung, Sport, Kultur und das Management – besonders im Hinblick auf redaktionelle Autonomie, aber auch die Refinanzierung (z. B. Werbung, Product Placement und die Trennung von Redaktion und Werbung).

Als Rundfunk der Gesellschaft erfüllt der ORF auch in Österreich eine öffentliche Aufgabe – er steht im Dienst der liberalen Demokratie und ist ein wesentlicher Teil der demokratischen Infrastruktur. Allein deswegen sollte er sich in allen Bereichen höchsten und vorbildlichen professionsethischen Standards zu unterwerfen.

Warum hat man das nicht mit einer Paywall gelöst? Einerseits würde dies der Idee des allgemeinen und universellen Zugangs („Rundfunk der Gesellschaft“) widersprechen, weil dann Inhalte nur von jenen konsumiert werden können, die es sich auch leisten können. Andererseits bestehen Zweifel, ob dadurch auch die höchstgerichtlichen Vorgaben erfüllen würden – besonders was die wirtschaftliche Unabhängigkeit betrifft – selbst wenn man eine Art von Subvention für jene, die es sich nicht leisten können, einführt. Wenn man andererseits davon ausgeht, dass jene Menschen, die bereits vor der gesetzlichen Änderung den Beitrag bezahlt haben, angesichts der Programmfülle auch weiterhin ca. 50 Cent pro Tag dafür bezahlen würden, dann scheint das wirtschaftliche Risiko für den ORF überschaubar – es sind also eher prinzipielle Erwägungen.

Warum wird der ORF, wenn es schon eine universelle Abgabe für alle ist, nicht aus dem Budget finanziert? Ein Blick in jene Länder, in denen das der Fall ist, zeigt, dass dadurch die Unabhängigkeit von der jeweils amtierenden Regierung und die Qualität und Vielfalt der Angebote nicht gerade höher wird. To say the least. Eben diese Unabhängigkeit wird in einem weiteren Urteil (vom 5. Oktober 2023) des VfGH deutlich eingefordert – in diesem Fall in Bezug auf die Beschickung von Stiftungs- und Publikumsrat. Da auch nur der Anschein der Befangenheit vermieden werden sollte, ist diese Reform (aber nicht nur diese) dringend geboten. Ob es der Medienpolitik in Österreich indes nachhaltig gelingt, die Medien durch die Politik vor der Politik zu schützen, bleibt abzuwarten.

https://orf.beitrag.at/

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