21 - Wie hält es der ORF mit der Religion?
Barbara Krenn, Religion und Ethik
160 Fernsehstunden Religion und Ethik auf ORF 1 und ORF 2, über eine Stunde wöchentlich im Radio, 3.887 Storys auf religion.ORF.at: Das ist ein Teil der quantitativen Leistungsbilanz zu Religion und Ethik für 2023.
Aber: Wie ist es um die Qualität bestellt? Wie beantwortet die Leiterin des Bereichs,
Barbara Krenn, die Gretchenfrage? Hier ist sie im Interview mit
Konrad Mitschka, ORF Public Value.
KM
Liebe Barbara, was ist der Stellenwert der Religion im ORF?
BK
Für viele Menschen in Österreich sind Glaube und Spiritualität - wenn auch nicht immer und nicht unbedingt institutionell gebunden - wertvoll und wichtig. Glaube, Religion und Sinnsuche spielen für viele Menschen im Leben zumindest an wichtigen Lebensabschnitten und Lebensübergängen eine große Rolle. Der ORF ist den Bürgerinnen und Bürgern Österreichs verpflichtet. Das bedeutet: Vielfalt und Diversität sind zentral. Genauso wie der ORF aktuelle Information und Unterhaltendes bietet, hat er Sportbegeisterte, Kulturinteressierte, Menschen am Rande der Gesellschaft und auch Religionsaffine anzusprechen. Für die Religionsabteilung bedeutet das: Menschen über ihre Glaubens- und Wertvorstellungen miteinander ins Gespräch zu bringen; der Frage nach dem Stellenwert von Religion in einer aufgeklärten Gesellschaft nachzugehen und auch das Verhältnis von Religion und Politik, von Glaube und Vernunft zu diskutieren. Und es bedeutet - dazu verpflichtet das Gesetz - über alle gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften in Österreich - derzeit sind es 16 - angemessen zu berichten. In kritischer Distanz wohlgemerkt. Denn: Als Journalistinnen und Journalisten der Religionsabteilung sind wir - wie alle anderen Journalisten des ORF auch - dem ORF-Gesetz verpflichtet. Wir haben daher nicht nur das Recht auf Unabhängigkeit, sondern auch die Pflicht dazu.
KM
Unabhängigkeit gerade bei Religion, das stelle ich mir schwer vor - man glaubt ja oder eben nicht: Wie entgeht man der Falle, in die eigene Überzeugung zu tappen - oder, ganz anders, aber nicht besser, in einer gewissen Beliebigkeit allem Glauben gegenüber zu verharren?
BK
Vor dieser Herausforderung stehen ja alle ORF-Journalistinnen und Journalisten, egal ob es um die politische Berichterstattung geht, um die Kultur-Berichterstattung oder um die Religionsberichterstattung. Es gehört zu unserer Profession, dass die persönliche Meinung irrelevant für unsere Berichterstattung ist. Wer das nicht kann oder will, ist auch im Religionsjournalismus falsch am Platz. Die grundsätzliche Gleichwertigkeit aller Religionen ist eine wichtige Richtschnur für unsere Arbeit - das meint aber keine Beliebigkeit. Selbstverständlich wollen wir unserem Publikum Orientierung am so genannten "Markt der Religionen" bieten. Wir wollen jede Religion - ohne sie zu vereinnahmen - einerseits mit ihrem Ursprung konfrontieren und andererseits mit dem humanen Ethos - mit den Menschenrechten beispielsweise. Und weil wir uns dem kritischen Programm der Aufklärung verpflichtet fühlen, fragen wir nach dem Verhältnis von Glaube und Vernunft, dem Verhältnis von Religion und Politik, nach dem Verhältnis zur pluralen Gesellschaft. Selbstverständlich immer auch, wie es um Mitbestimmung, um Gleichheit und Gleichberechtigung steht.
KM
Religion ist also der Ausgangspunkt für programmliche und inhaltliche Vielfalt: Trägt die Abteilung auch der gesellschaftlichen Veränderung Rechnung? Also beispielsweise der Tatsache, dass es mehr Nicht-Gläubige und mehr Musliminnen und Muslime gibt?
BK
Wir behandeln mit unserer Berichterstattung ja keine Sonderwelt. Ausgangspunkt unserer Berichterstattung ist immer die plurale Gesellschaft, in der es viele Meinungen, Religionen und Weltanschauungen gibt. Und so wie sich die Gesellschaft ändert, so sind auch Glaube und Religion im Wandel. Mit unserem großen ORF-Projekt "Was glaubt Österreich?" wollen wir diesem Wandel noch mehr auf die Spur kommen. Wir kooperieren bei dem Abteilungs-Projekt mit dem Forschungszentrum "Religion and Transformation in Contemporary Society" der Universität Wien unter der wissenschaftlichen Leitung von Regina Polak und Astrid Mattes-Zippenfenig und verschränken wissenschaftliche Forschung einerseits und Medienarbeit andererseits. Am Ende des Projekts soll eine repräsentative Studie vorliegen, die Auskunft darüber gibt, was die Wert- und Glaubensvorstellungen der Menschen in Österreich charakterisiert angesichts der großen gesellschaftlichen Entwicklungen wie Säkularisierung, Pluralisierung und Digitalisierung. Und die Ergebnisse dieser Studie sind dann wiederum Grundlage für unser Programm. Die wissenschaftliche Forschung wird außerdem vom Zukunftsfonds der Republik Österreich gefördert.
KM
A propos "Was glaubt Österreich?" - die persönliche Frage am Schluss: Was bzw. woran glaubt denn die Chefin von "Religion und Ethik" im ORF?
BK
An die Wirkmacht der Aufklärung - und dass guter Journalismus ein unverzichtbarer Teil davon ist.
Die Qualitätsvorstellungen in Bezug auf Sendungen und Programme zu Religion und Ethik sind präzise im "
Qualitätsprofil" zusammengefasst. Dieses wurde von einem sozialwissenschaftlichen Institut evaluiert und ist inklusive Evaluierung auf der Seite der ORF-Qualitätssicherung veröffentlicht.
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