19 - Ist der ORF eigentlich nur was für "die Alten"?

Dodo Roščić, FM4

Eine Antwort von Dodo Roščić

Ist Zusammenhalt nur etwas für Alte? Die gute alte Demokratie? Die Fähigkeit einer Gesellschaft, auch Andersmeinenden zunächst gute Absichten für das gemeinsame Ganze zu unterstellen und sich, um am Diskurs teilnehmen zu können, unabhängig informieren zu wollen? Sind das aus der Zeit gefallene Werte, ein bisschen peinlich und ewiggestrig wie das Strickdeckchen auf dem Fernseher und darauf die kleine venezianische Gondel? Etwas, das einen irgendwie traurig macht wie ein Paar Stützstrümpfe?

Ist es nur für Alte, so etwas wie die durchsichtige Bluse bei "Wünsch dir was" auch nach Jahrzehnten nicht vergessen zu haben oder André Hellers Stimme im Radio? Ist es nur für Alte, wenn eine ganze Generation sich noch immer daran erinnert, als Max Schmiedl "Taxi Orange" gewonnen hat? Oder an das fliegende Klavier und Christina Stürmer als Zweitplatzierte beim Finale von "Starmania"? Ist es für immer vorbei wegen der ganzen Streamerei, dass uns dieses gesellschaftliche und generationenübergreifende Lagerfeuer freitags um 20:15 vereint? Kann man auf diese letztlich wirklich gemeinsamen Erlebnisse ergriffen seufzend zurückblicken und sie dann entschlossen einfach abtun? Tempi passati, unwiderbringlich vorbei?

Der Zeit vorzuwerfen, dass sie sich ändert, war noch nie ein guter Rat. Jene, die ihn befolgt haben, sitzen am Ufer des vorbeirauschenden Flusses ihrer Möglichkeiten, eine Gesellschaft zu erreichen, mit ihrem an den Hut gestecktem Kultur- und Medienpessimismus.

Natürlich sind "die Jungen" nicht mehr aus Alternativlosigkeit auf den ORF angewiesen, sondern suchen sich auf den erfolgreichsten Plattformen der Welt frei aus, wo und wie sie sich informieren und unterhalten wollen. Sie konsumieren nicht das, was wir vorgeben, sondern ausschließlich, was sie interessiert. Sie sind deswegen weder unpolitischer noch oberflächlicher - sie sind einfach freier. Und wählerischer. Um als Medienmacher:innen in der heutigen Zeit große gesamtgesellschaftliche Momente zu schaffen, wird man mehr als die berühmte "extra mile" zurücklegen müssen. Zum Standard-Repertoire jeder Convention für Medienleute gehört es, jemanden auf die Bühne zu stellen, der das größte Rätsel der aktuell agierenden Medien-Menschheit geknackt hat: Wie gewinnen wir die Jungen wieder zurück? Naja klar, indem wir dort sind, wo die Jungen sind. Und das ist auf den Socials. Sofern es gesetzich gedeckt ist, so lautet die Erfolgsformel, hat man seine Marke und deren Angebote auf jenem größten Marktplatz der Welt, auf dem alle jungen Menschen sich tummeln, möglicht auffindbar zu machen. Geschenkt.


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Was aber ist unsere inhaltliche Mehrleistung, an die die heutigen jeweiligen "Next Gens" sich erinnern werden? Geht das überhaupt noch?

Altersgemäß gehöre ich zur ersten Generation von FM4-User:innen. FM4 war 1995 für uns in Linz-Urfahr nicht einfach das neue alternative Radio. Es war ein Fenster zur Welt. Und außer MTV auch ehrlich gesagt das einzige. Es war eine Sauerstoffmaske, die Rettung, eine noch nie da gewesener Überfluss an Lebens-Möglichkeiten, die der Pop uns da in die Seelen gezaubert hat. Wir waren angewiesen auf FM4 und die kuratierte Coolness. Nur die bei FM4 wussten, was die neue coole Musik ist! Schnitt.

Niemand unter 25 dreht FM4 auf (vulgo: verwendet die FM4-App oder SOUND, unseren Audio-Player) um zu hören, was es musikalisch Neues gibt und was cool ist. Das weiß man nämlich schon längst von einer im fernen China programmierten Plattform namens TikTok. FM4 ist für niemanden in diesem Land mehr das einzige Fenster zu Welt. Im Gegenteil: Unendlich viele Fenster, eine ganze riesige Welt voller sich dauernd weitermultiplizierender gläserner Möglichkeiten tragen wir alle dauernd in unseren Händen. Das eigentlich und einzig wahre Massenmedium unserer Zeit ist das Smartphone. Es demokratisiert alle Angebote, und durchsetzen wird sich das Interessanteste für das jeweilige Individuum. Oder das, das aus welchen berechtigten oder unberechtigten Gründen auch immer den größten aktuellen Hype genießt.

Und? Wo bleibt dann FM4? Ganz nah an den Herzen und Ohren unserer User:innen, wenn wir alles richtig machen! But we need to try harder! Letztlich befinden wir uns alle in einer Konkurrenz um die Zeit der User:innen und diese Konkurrenz ist in internationalen Multis organisiert, sehr, sehr groß und zahlt wenn, dann woanders Steuern. Die Öffentlich-Rechtlichkeit muss schon deswegen auch etwas für Junge sein, als es das breit kommunizierte Selbstverständnis unseres Unternehmens ist: ORF FÜR ALLE.

Den Jungen muss, schon aus gesellschaftspolitischer Orientierung auf die gemeinsame Zukunft der österreichischen Gesellschaft bei diesen "allen", für die der ORF da sein will, besonderes Augenmerk geschenkt werden. Der diversifizierte Konsum von Information und Unterhaltung dieser Jungen bringt traditionelle Angebote quer durch alle immer größer werdenden Medien-Märkte in Bedrängnis und hinterlässt die weniger Beweglichen ratlos. Stünden Angebote wie jenes von FM4, der jüngsten Marke des ORF, nicht zur Verfügung, dann hieße das ja, dass der ORF sich selbst zum Auslaufmodell erklärt und mit "den Alten" den Weg allen Fleisches geht, sich aufgegeben hat und sich zum Verstauben neben die venezianische Gondel auf das Stickdeckchen legt.

Eine sich selbst ernst nehmende Marke hingegen verschreibt sich selbstverständlich zukunftsfähige Strategien zur Selbst-Erneuerung und setzt sie selbstbewusst um. Daran arbeiten wir bei FM4 jeden Tag.


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