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Ein Beitrag von Klaus Unterberger, ORF Public Value.

Wer alt genug ist, kann sich erinnern. Da gab es mal im ORF: „Teleobjektiv“, „Club 2“, die „Alpen- und die Arbeitersaga“, „Ohne Maulkorb“, „Prisma“, „Argumente“. Gesellschaftskritisch, provokant, irritierend, experimentell, gegen den Mainstream gerichtet, kontroversiell, bürgernah – daher häufig unter lautstarkem Protest der Regierungsparteien.

Man sage ruhig ich sei nostalgisch, die „guten alten Zeiten“ verklärend. Aber sie fehlen mir: Die streitbaren Menschen mit ihrer ständigen Kritik, ihren oft radikalen Ideen und dem unentwegten Ruf nach „mehr Demokratie“. Und erst recht die ORF-Momente: Der erratische „Kottan“ und der pöbelnde „Mundl“. Das versenkte Auto bei „Wünsch Dir was“. Die schnarrende Stimme von Claus Gatterer und das sanfte Timbre von Axel Corti. Das hintergründige Lächeln von Trautl Brandstaller und der strenge Ton von Helmut Pfitzner. Dazwischen der rasende Reporter Hugo Portisch. Kuno Knöbl mit dem schelmenhaften Blick und Walter Schiejok, immer volksnah. Die Staatsoperette, bei der das Establishment in Ohnmacht gefallen ist. Kein Jahr ohne Skandal. Kein Jahr ohne Rebellion. Ach, war das schön. Auf- und anregend. Öffentlich-rechtlich in Reinkultur.

Die Rebell:innen von einst hatten freilich etwas, das heute schmerzlich fehlt: Geld. Ressourcen. Budgets. Eben jene Mittel, um eine provokante Doku, eine neue Sendereihe zu produzieren, einen unkonventionellen Spielfilm zu erfinden, ein riskantes Experiment zu wagen. Heute leben wir in einer Welt, in der „cost cutting“ das Entwicklungstempo vorgibt. Die Politik, die mit großer Geste Geld verteilt, fordert vom ORF gefälligst downzusizen. Wenn am Ballhausplatz der Gürtel enger geschnallt wird, bleibt den Journalist:innen (nicht nur am Küniglberg) die Luft weg. Und wir gewöhnen uns ans Home Office, bei dem wir unsere Arbeit nicht mehr aufgeregt diskutieren, sondern in der Mailbox abliefern. Die Arbeitswelt wird immer mehr zu einem Tetris-Spiel: was nicht passt, stört, das Angepasste fügt sich ein und verschwindet nach unten. Möglichst schnell, möglichst geräuschlos.

Richtungsweisend und vielversprechend ist es daher, wenn gerade jetzt der ORF über seine Zukunft nachdenkt und seine Strategie neu denkt. Nichts bleibt, wie es ist. Das gilt in Zeiten digitaler Disruption erst recht. Gerade jene, die als Innovatoren der Digitalwirtschaft gelten – Google und Co. – machen aber auch deutlich: Nicht jede Innovation ist ein Fortschritt. Bequem am Sofa einkaufen um den Preis seine persönlichen Daten auszuliefern? Nachrichten auf Knopfdruck aus der Quelle unüberprüfbarer und nicht vertrauenswürdiger Algorithmen? Faszinierende Bilderwelten Künstlicher Intelligenz um den Preis versteckter Manipulation? Auslagern, um am Ende schwächer dazustehen? Einsparen zu Lasten der Qualität? Fehlt da nicht: der Widerspruch?

Könnte es nicht sein, dass Qualität eben nicht entsteht, indem sie vollmundig eingefordert wird und gleichzeitig die Ressourcen gekürzt werden? Ist es möglich, dass Journalismus kein Gratismuster ist? Dass nicht zu viele, sondern zu wenige Menschen im Journalismus arbeiten? Dass vertrauenswürdige Nachrichten von Menschen (und nicht von der KI von Elon Musk) geprüft werden müssen? Netflix produziert seine Filme nicht mit Muscheln. Die Dienstwagen der Politiker:innen fahren nicht mit Abwasser. Die Bauwirtschaft wird nicht mit DKT-Geld bezahlt. Warum sollte gerade Qualitätsjournalismus ein Downsizing-Projekt sein? Warum sollten sich 3.065 ORF-Mitarbeiter:innen die Gehälter von 62 Stars und Manager:innen vorwerfen lassen, wenn gleichzeitig die Lohnzettel aller anderer Branchen schön brav unter Verschluss gehalten werden? Mit Blick auf die Medienproduktion: Was wird eigentlich mehr, wenn wir nicht ersetzen, was fehlt? Was geht verloren, wenn das Downsizing im Tempo des immer schneller werdenden Tetris-Spiels hochgeschraubt wird? Was ist daran falsch, die Gesellschaft daran zu erinnern, dass Medienwirtschaft und Qualitätsjournalismus selbstverständlich auch Ressourcen brauchen?! Wenn 5-Sterne-Nobelhotels systemrelevant sind, ist es dann Qualitätsjournalismus nicht?! Vielleicht fehlen ja einfach die richtigen Fragen.

Tatsache ist: Wer Qualität und Innovation will, braucht nicht weniger Geld, sondern mehr, nicht effizientere Anpassung an die Umstände, sondern gelegentlich den Widerspruch dazu, vor allem einen Freiraum für kritische Geister, die Ideen der Nerds und Neinsager, den Protest der Widerborstigen und Kritiker:innen. Vielleicht sollten wir jenen, die sich erwarten, dass Medien tunlichst keine Kosten erzeugen sollten und am besten steuerbar sind, wenn die Nabelschnur kurz ist, widersprechen. Wenn es um die Qualität der Medien, um den öffentlichen Diskurs als Grundlage für das Gelingen der Demokratie geht, sollten wir vielleicht mal etwas anderes als Tetris spielen und -durchaus mit Blick auf die Vergangenheit – einfordern, was fehlt.

#unternehmenswert