Wie Streaming-Dienste mit Werbung umgehen
Warum leuchtet uns bei Netflix-Serien häufig das bekannte Apfel-Zeichen entgegen, wenn die Charaktere in diversen Szenen auf ihren Laptops herumtippen und warum wird dieses Zeichen bei vielen öffentlich-rechtlichen Produktionen zugeklebt? Über den Einsatz von Produktplatzierungen in Filmen und Serien.
Auf den ersten Blick ist das Angebot von Streaming-Diensten, wie Netflix oder Amazon vielversprechend: Mit einem monatlichen Entgelt hat man als Nutzer/in Zugriff auf eine Reihe von Serien, Filmen und Dokumentationen - und das ohne Werbeunterbrechung. Doch sind zum Beispiel von Netflix produzierte Serien alles andere als werbefrei.
So berichtet Philipp Walulis in der aktuellen Ausgabe der von "funk"(Content-Netzwerk von ARD/ZDF) produzierten Webserie "Walulis", wie insbesondere Netflix Produktplatzierungen umfangreich und gezielt einsetzt, um seine Originalserien zu produzieren. Laut Walulis arbeitet Netflix, dabei mit der Firma BEN (Branded Entertainment Network) zusammen, die sich auf Produktplatzierungen bzw. auf "Brand Integration", also auf Markenintegration spezialisiert hat.
Gerade bei der Markenintegration verspricht BEN auf seiner Website, dass eine Marke durch die Integration in eine Story, 100 Prozent mehr Sichtbarkeit habe, sowie der deren Wiedererkennungswert um 35 Prozent steige, als dies bei traditioneller Werbung der Fall wäre.
Wenn in Serien wie "Orange is the New Black" die Hauptdarsteller/innen in Donuts eines bestimmten Herstellers beißen und diese Donuts Teil der Geschichte werden, dann ist das kein Zufall, sondern bereits lange im Voraus geplant. Denn wie Walulis berichtet, werden Erzählstränge von Serien und Filmen zum Teil auf gewisse Produkte zugeschnitten. Dies funktioniere über eine Plattform von BEN, die als Schnittstelle zwischen Produzenten und Werbetreibenden fungiere. Darüber könnten Hersteller bereits geplante Serienproduktionen einsehen und nach ihren Wünschen durchsuchen und dann ein Angebot abgeben. Diese Auswahl würde etwa zwei Jahre vor Ausstrahlung einer Serie stattfinden.
Ende April gab BEN bekannt, 2018 rund 6.000 Markenintegrationen mit einem Marktwert von über 1,2 Milliarden Dollar und damit einen Anstieg von 20 Prozent im Vergleich zu 2017 erreichen zu wollen. Das allein zeigt schon, welches Potential für den Werbemarkt in dieser Art von Marketing steckt. Um zielgerichtet werben zu können, werden laut Walulis auch die Nutzer/innendaten ausgewertet.
Im fiktionalen Unterhaltungssektor scheint damit der Trend zur Kommerzialisierung eine neue Ebene zu erreichen. Denn wo früher bei lästiger Werbung im TV einfach das Programm gewechselt, oder Online ein Ad-Blocker installiert wurde, ist bei dieser neuen Art von Produktplatzierungen bzw. Markenintegration, wie sie BEN vermarktet, die Werbung nicht eindeutig als solche erkennbar.
Zu fragen ist: Wird Unterhaltung ohne Werbung überhaupt noch auskommen? Und was bedeutet das für die Gesellschaft, wenn zukünftig nur mehr Filme und Serien produziert werden, die der Werbemarkt für relevant empfindet? In einer Gesellschaft, die zunehmend fast ausschließlich über die Medien erfahrbar ist, stellen auch Unterhaltungsformate, darunter Filme und Serien, ein mächtiges Instrument dar, um die heutigen Lebensrealitäten darzustellen und abzubilden. Bei der Produktplatzierung, wie BEN sie betreibt, sollen Waren und Dienstleistungen authentisch in unsere Lebenswelt integriert werden. Doch ab wann manipuliert Werbung diese Lebenswelt?
Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es klare Regelungen: Beim ORF dürfen Produktplatzierungen in Serien- oder Filmproduktionen, die vom ORF selbst oder durch mit ihm verbundene Firmen produziert oder in Auftrag gegeben wurden, nur bei eindeutiger Kennzeichnung vorkommen, und nur in einer Form, in der die redaktionelle Unabhängigkeit gewahrt bleibt. Ausgenommen von der Kennzeichnungspflicht sind Sendungen, die keine Eigen- oder Auftragsproduktionen darstellen und bei denen keine Kenntnis über Produktplatzierungen herrscht.
Auch die EU regelt Produktplatzierungen: Grundsätzlich sind diese laut der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (RICHTLINIE 2010/13/EU) untersagt (Art. 11, Abs. 2). Ausnahmen stellen Kinofilme, Filme, Serien etc. und Sendungen leichter Unterhaltung dar, wenn dafür kein Entgelt gezahlt wurde, sondern "Waren und Dienstleistungen wie Produktionshilfen und Preise im Hinblick auf ihre Einbeziehung in eine Sendung bereitgestellt wurden." (Art. 11, Abs. 3b). Sendungen, die im Rahmen dessen, Produktplatzierungen beinhalten, müssen nicht nur gekennzeichnet sein, sondern müssen unter anderem die Anforderung erfüllen, dass das Produkt "nicht zu stark herausgestellt" wird. (Art. 11c). Gerade auch bei diesen Punkten, dürfte die Art und Weise wie Produkte bei einigen Netflix-Produktionen in die Handlung integriert werden, mehr als fragwürdig sein.
Links:
https://www.funk.net/channel/walulis/geheime-werbung-auf-netflix-die-perfiden-product-placements-bei-netflix-originals-walulyse
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32010L0013&qid=1533647359335&from=DE
https://ben.productplacement.com/
https://ben.productplacement.com/Branded+Entertainment+Network+Announces+Record+Revenue+and+a+Host+of+New+Clients
ORF-G (Artikel 16 Produktplatzierungen)