DE | EN
DE | EN
© Foto: ORF

Vier reiche Männer und der Sport

Hans Peter Trost, ORF-Sportredaktion


Für ein öffentlich-rechtliches Medium wie den österreichischen Rundfunk ist Sportberichterstattung in ihrer Ganzheit ein wesentlicher Bestandteil seines Auftrages. Die Programmphilosophie spiegelt daher auch für 2019 nicht nur Sportveranstaltungen im Inland, sondern auch das Antreten österreichischer Sportlerinnen und Sportler außerhalb österreichischer Grenzen, vor allem aber auch in einem europäischen Kontext, wider.

Spitzensport, Breitensport, aber auch Schul- und Universitätssport stehen in den Sport-Sendegefäßen in ORF 1 und im Spartenkanal SPORT + im Fokus der Berichterstattung. So hat die ORF-Sportredaktion im Jahr 2018 an die 1.500 Stunden über Sportarten mit direktem Europabezug berichtet. Neben diversen Großereignissen wie Europameisterschaften in verschiedenen Disziplinen – etwa Ski alpin und nordisch, Fußball, American Football usw. – spannt sich der Bogen der Berichterstattung über verschiedenste Live-Sport-Ereignisse von Kanufahren, Boxen, Biathlon, Golf, Rad, Rodeln, Tanzen, Handball, Volleyball, Basketball, Schul- und Parasport, bis zu Eishockey und Schwimmen. Special-Interest-Magazine über z. B. Skibergsteigen, Yoga, Schul- und Behindertensport sowie Klettern ergänzen das Angebot. Selbstverständlich dabei ist, dass sowohl Männer- wie auch Frauensport berücksichtigt wird – und dass höchste journalistische Sorgfalt ausgeübt wird.

Die Redaktion sieht Sport als Kulturgut und wesentlichen Bestandteil einer Gesellschaft. Das betrifft nicht nur die aktive, persönliche Ausübung, sondern auch die passive Nutzung, die mediale Rezeption. Hier stellt der ORF-Sport weitestgehend die barrierefreie Teilhabe aller Bevölkerungsschichten sicher. Bei der Auftragserfüllung aber stößt ein öffentlich finanziertes Unternehmen wie der ORF dabei an Grenzen, denn Sport wird immer mehr zum Spielball und Betätigungsfeld von Hedgefonds, Finanzierungs- und Kapitalisierungsmodellen. Gerade Live-Sport ist dabei ein besonders begehrtes Gut, schließlich verspricht das Mediengeschäft ordentliche Gewinne. Jedenfalls ist als Trend zu beobachten, dass nur einige wenige Personen – bzw. Firmen, die sich auf diese zurückführen lassen – trachten, weltweit Sportübertragungsrechte zu erwerben.

Es sind dies vier der 200 reichsten Menschen der Welt, konkret zum einen John Malone (Platz 174, laut Forbes 7,7 Milliarden Dollar). Malone besitzt Liberty Global / Discovery, zum Konzern gehören 47 TV-Sender, 16 Sportsender mit einem Umsatz von mehr als 18 Milliarden und mehr als 37.000 itarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Konzern hat die Rechte an der Formel 1 und den Olympischen Spielen erworben. Zum zweiten ist Rupert Murdoch zu nennen, dem zahlreiche Medien, darunter Fox News, gehören. Auf Platz 86 der Reichenliste, 13,1 Milliarden Dollar schwer, besitzt er via 21st Century Fox, News Corp und Sky 200 TV-Sender und 50 Sportsender mit über 21.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und damit indirekt die Kontrolle über Rechte an Fußball-Bewerben, Wimbledon oder die ATP Tour 1000/500. Der vierzigreichste Mensch der Welt, Len Blavatnik, wiegt 20 Milliarden Dollar und besitzt u. a. DAZN / Perform Group. Neben dem Erwerb bedeutender Fußballrechte (UEFA Champions League, Europa League, Nations League …) und verschiedener US-Sport-Rechte spielt Blavatniks Imperium auch eine wichtige Rolle im Geschäft mit „Betting Rights“ und Datenrechten.

Wang Jianlin ist mit lt. Forbes 31,3 Milliarden Dollar achtzehntreichster Mensch der Welt und regiert Wanda/Infront. Über die Agentur Infront kontrolliert der Wanda-Konzern (Rechte vom bzw. indirekt über) den Skisport (FIS Weltcup und WM), die IIHF-Eishockey-WM, EHF-Handball-Bewerbe u. v. m.

Der Zugang zu den aufgezählten Rechten ist global und daher europaweit letztendlich fast nur über Bezahlschranken möglich. Free-TV-Anbieter, vor allem öffentlich-rechtliche Sender mit gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, haben keine Chance mehr auf den Erwerb wertvoller Sportrechte. Das Ergebnis, wie es die Wissenschaft formuliert: Soziale Exklusion. Soll heißen: Nur wer Geld hat, kann Sport live schauen, weniger Wohlhabende werden nach und nach ausgeschlossen. Letztlich wird aber auch journalistische Qualität im Sinn unabhängiger und objektiver Berichterstattung schwierig, wenn nicht verunmöglicht: Kritiker meinen, dass die Interessenskollision innerhalb der globalen Konzerne – man will ja das Zusehen bei Sportereignissen „verkaufen“, versucht das aber mit konzerninternem Journalismus zu verquicken – zu Lasten des Journalismus geht. Motto: Kein Pay-TV-Operator wird sein erworbenes Sportrecht und daher auch seine daraus generierten Produkte in einer Art und Weise darstellen, die dem Absatz seiner Abonnements schaden könnte. Auch schlechte Matches, langweilige Partien müssen „schöngeredet“ werden. Hinzu kommt die Gefahr der inhaltlichen Kontrolle: Sportlerinnen und Sportler dürfen dann eventuell jenen, die keine ökonomischen Rechte dazu besitzen, keine Interviews geben bzw. dürfen diese z. B. keine Eigendrehs mehr durchführen etc. Am Ende des Tages ist auch die Frage zu stellen, inwieweit globale Konzerne, die Sportübertragungsrechte besitzen, nicht auch etwa auf Austragungsorte, Regelwerk o. ä. Einfluss nehmen wollen. Was, wenn ein Achtmillionenmarkt wie Österreich nicht so interessant ist wie der Heimatmarkt des Wanda-Besitzers Jianlin? Ade Schladming, willkommen in Beijing?

Das ist freilich Zukunft, und zwar eine Variante davon, die hoffentlich nie eintreten wird. Noch hat Österreich ein starkes öffentlich-rechtliches Medium, den österreichischen Rundfunk. Noch tragen alle, die können, via Gebühr dazu bei, und jene, die ärmer sind, bekommen die mehr als 140.000 Programmstunden jedes Jahr, darunter zahlreiche mit Österreichs National­ sport, dem Alpin-Ski, viele Fußballvergnügen etc. gratis. Unabhängiger Sportjournalismus, fachlich kompetenter Kommentar, Barriere­freiheit inklusive. Ob das auch in Zukunft so sein wird, wird nicht zuletzt die österreichische Gesetzgebung bestimmen. •


Vier reiche Männer und der Sport, Hans Peter Trost, ORF-Sportredaktion abspielen
© Foto: ORF
Vier reiche Männer und der Sport
Hans Peter Trost, ORF-Sportredaktion
Sport: Segen und Fluch?, Minas Dimitriou, Universität Salzburg abspielen
© Foto: Dimitriou
Sport: Segen und Fluch?
Minas Dimitriou, Universität Salzburg