Wie steht es um die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland? Zu dieser Frage hat das Medienmagazin
"journalist" 17 Stimmen gesammelt. Das Ergebnis: 17 Interviews mit Expert/innen aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, mit Journalist/innen aus den privaten Medien und mit Politikern. Sie sprachen über Neuerungen am Markt und bei den Formaten. Dass gerade von Seiten der Privaten und der Politiker auch Kritik kam, überrascht nicht. Doch auf den Mehrwert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird man auch in Zukunft nicht verzichten können, so der Tenor.
Neue Zeiten…
Natürlich verändern sich die Medienlandschaft und die Ansprüche der Konsument/innen. So müssen die Öffentlich-Rechtlichen sich und ihre Arbeit dem Publikum wieder mehr erklären, erkennt Medienjournalist Steffen Grimberg. Transparenz, etwa über Intendant/innengehälter, sei hier wichtig. Er begrüßt Neuerungen, aber: "Ein mehr als 60 Jahre altes System kann man nicht von jetzt auf gleich in die Zukunft schleudern."
Auch Streaming-Dienste wie Netflix und Amazon Prime haben an Bedeutung gewonnen. Der Vergleich mit ihnen hinkt aber, sagt Thomas Laudersweiler, ARD.de-Redaktionsleiter: "Netflix und Amazon sind angetreten, um Unterhaltungsinhalte anzubieten. Bei den öffentlich-rechtlichen Anbietern, also ARD und ZDF, liegt ein völlig anderer Auftrag vor. Es geht um eine Grundversorgung in allen Bereichen des Lebens." Deshalb können die Öffentlich-Rechtlichen auch mit ihren Mediatheken nicht zum nächsten Netflix werden. Dennoch arbeiten sie daran, mit der Digitalisierung mitzuhalten. Das Nutzungsverhalten hat sich geändert, die On-Demand-Nutzung nimmt immer mehr zu. "Wir müssen und wollen auch in diese Richtung. Wir müssen Angebote machen, die Nutzer ganz leicht auf Smartphones abrufen können", sagt Laudersweiler.
… fordern neue Maßnahmen
Die Zukunft braucht auch neue Formate, die sich an den Nutzungsgewohnheiten der jüngeren Zielgruppen orientieren. Eine große Rolle spielt hier YouTube, meint Julia Rehkopf. Sie verantwortet als stellvertretende Redaktionsleiterin das
Y-Kollektiv von Funk, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF für junge Menschen. Das Y-Kollektiv bietet wöchentlich Reportagen und Dokumentationen, in denen die Jungjournalist/innen als teilnehmende Beobachter/innen subjektiv an die Geschichten herangehen. Authentizität sei für das junge Publikum besonders wichtig.
Auch Sebastian Katthöver, Teamleiter Audience Development der Deutschen Welle, setzt auf Neue Medien. Er verantwortet mehr als 200 Social-Media-Accounts. "Wir sehen, dass wir immer mehr Menschen über Social Media erreichen", sagt er. Clarissa Corrêa da Silva, Moderatorin des WDR-Kindermagazins "Wissen macht Ah!" findet es wichtig, Kindern zu zeigen, mit sozialen Medien umzugehen. "Ich glaube, das ist unsere Aufgabe", sagt sie. Die Tagesschau hat vor Kurzem die YouTube-Sendung "Mics News" ins Leben gerufen. Dort präsentiert der Moderator ausgewählte Themen in einem lockereren Ton. Redaktionsleiter Andreas Lützkendorf erklärt das Motiv: "Als öffentlich-rechtlicher Sender haben wir die Pflicht, die Menschen zu informieren - und zwar dort, wo sie sind."
Comedian Florentin Will wirkt beim "Neo Magazin Royale" mit und ist Moderator beim Livestream-Kanal Rocket Beans TV. Er weiß über interaktive Formate, etwa mit Live-Votings während einer Sendung: "Votings sind ein schwieriges Thema. Nicht alles wird durch Interaktivität besser."
Dass öffentlich-rechtliche Medien auch im Internet vertreten sein müssen, sehen auch die Privaten so. "Ich kann ja einem Menschen, der sich für die Tagesschau interessiert, aber keinen Fernseher mehr besitzt, nicht sagen: Kauf dir einen Fernseher!", sagt Leonard Ottinger, Geschäftsführer der RTL-Journalistenschule. Axel Link, Journalist und TV-Betreiber verweist hier auf den gesetzlichen Auftrag öffentlich-rechtlicher Medien. Sie müssen die Bevölkerung vorurteilsfrei mit guter journalistischer Arbeit aufklären. "Diesen Auftrag können sie nach meinem Dafürhalten in allen Bereichen erfüllen", sagt Link.
Auch Medienjournalist Michael Hanfeld von der FAZ erkennt an, dass die Öffentlich-Rechtlichen im Internet vertreten sein müssen. Er wünscht sich aber eine Beschränkung bei Online-Texten.
Öffentlich-Rechtliche trotz Kritik unverzichtbar
In den Interviews ernten die Öffentlich-Rechtlichen natürlich auch Kritik. So würden sie etwa zu viel Unterhaltung bringen. "Die Öffentlich-Rechtlichen kopieren aufgrund des Wettbewerbs und der Quotennotwendigkeit die Privaten zu sehr", sagt Leonard Ottinger (RTL). Außerdem sei ihr Internet-Angebot zu wenig von jenem von Verlagen unterscheidbar, wie Hanfeld (FAZ) kritisiert.
Dennoch ist den Privaten klar, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen Mehrwert für die Gesellschaft bietet, der auch in Zukunft wichtig sein wird. Ottinger will nicht auf öffentlich-rechtliche Programme verzichten: "Es gibt für mich einfach bestimmte Themen und Formate, die sich nur die Öffentlich-Rechtlichen leisten und die auch nur sie machen können. Mir würde definitiv etwas fehlen", sagt er. Axel Link betont hier vor allem die Glaubwürdigkeit. Nachrichten haben viel mit Vertrauen zu tun. "Das ist die Domäne der Öffentlich-Rechtlichen, und die werden sie, wenn sie sich darauf konzentrieren und es gut machen, auch behalten", denkt er. Die Glaubwürdigkeit von ARD und ZDF liegt bei etwa 80 Prozent. "Als Marke für Glaubwürdigkeit und Seriosität stehen, das kann das Internet nicht", sagt Link.
Christoph Bökamp, der für die Produktionsfirma Meworks arbeitet, gibt zu bedenken: "Wenn wir keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk hätten, würden in unserer Gesellschaft unfassbar viele Unwahrheiten kursieren. Das wäre destabilisierend für unsere Demokratie". Gerade in der heutigen Zeit, in der Fake News für viel Unsicherheit sorgen, ist dieser Gedanke ein wichtiger.
Mehr Informationen:
http://www.journalist-magazin.de/hintergrund/interviewreihe-der-oeffentlich-rechtliche-rundfunk
https://presse.funk.net/format/y-kollektiv/