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In Zeiten der sogenannten Sozialen Medien

#Ernst Gelegs, Korrespondent Budapest


Die Sinnhaftigkeit von Auslandskorrespondent/innen wird manchmal bezweifelt. Zu Recht?

Viktor Orbán, der rechtspopulistische Ministerpräsident Ungarns, arbeitet seit Jahren sehr erfolgreich daran, in seinem Land eine illiberale Demokratie zu errichten. Das ist streng genommen eine Staatsform, die man als Autokratie mit demokratischen Zügen bezeichnen kann, die in Ungarn folgendermaßen funktioniert: eine kleine Gruppe rund um Orbán entscheidet was „gut“ für das Land ist. Diese Entscheidungen werden von den zahlreichen Juristen im Büro des Ministerpräsidenten zu Gesetzestexten formuliert, die dann einem Abgeordneten der Orbán-Partei Fidesz zugesandt werden. Der Abgeordnete hat daraufhin die ehrenvolle Aufgabe, die Gesetzestexte als Gesetzesvorschlag dem Parlament zur Abstimmung vorzulegen, meist im Eilverfahren. Das geht alles so schnell, dass viele Parlamentarier/innen gar nicht wissen, wofür oder wogegen sie stimmen.

Diese Ahnungslosigkeit wird für die hier in Budapest ansässigen Korrespondenten und Beobachter/innen des politischen Geschehens immer dann deutlich, wenn während der Abstimmung „Betriebsunfälle“ passieren: wie etwa, als der Landwirtschaftsminister irrtümlich gegen seinen eigenen Gesetzvorschlag gestimmt hat und damit – sehr zum Ärger des Ministerpräsidenten – ein für Orbán wichtiges Bodengesetz verhindert hat. Der Irrtum des Landwirtschaftsministers war aus Sicht Orbáns deshalb so ärgerlich, weil für die Verabschiedung dieses Bodengesetzes eine zwei Drittelmehrheit erforderlich war, die die Orbán-Partei Fidesz unmittelbar nach der schief gelaufenen Abstimmung auf Grund des Ablebens eines Parlamentariers verloren hat. Die Nachwahl im Wahlkreis des verstorbenen Mandatars hat – ebenfalls sehr zum Ärger Orbáns – ein Kandidat der Opposition gewonnen, womit die verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit für die Orbán-Partei Fidesz dahin war. Während die unter Regierungskuratel stehenden ungarischen Medien den folgenschweren Irrtum des Landwirtschaftsministers weitgehend ausgeblendet haben, habe ich dieses doch amüsante und für das Orbán- Regime bezeichnende Detail im Zuge meiner ORF-Berichterstattung über das ungarische Bodengesetz sehr wohl erwähnt, vermutlich wieder sehr zum Ärger Orbáns, der mit dem ORF-Büro hier in Budapest ein Medium sitzen hat, das er nicht kontrollieren kann. All seine Versuche, gegen mich und das ORF-Büro Budapest zu intervenieren, sind bisher vergeblich gewesen. Kritische Berichterstattung über die Politik der Orbán-Regierung findet derzeit nur im Internet (auf diversen ungarischen Nachrichtenportalen wie index.hu oder 24.hu) oder in der Auslandspresse statt. Doch ausländische Journalist/innen haben es mit Vertretern der Orbán-Regierung nicht leicht. Kaum wer bekommt ein Interview mit einem Minister, geschweige mit dem Ministerpräsidenten. Viktor Orbán lässt sich nicht von Journalist/innen befragen, schon gar nicht kritisch.

Die Idiot/innen aus dem Ausland
Korrespondent/innen ausländischer Medien werden hierzulande tendenziell als ahnungslose Idiot/innen betrachtet, die kein Verständnis für die ungarische Identität und das ungarische Denken hätten. Viele Auslandskorrespondent/innen, die über Osteuropa und damit auch über Ungarn berichten, haben den Nachteil, dass ihr redaktioneller Sitz in Wien angesiedelt ist. Die Osteuropabüros vieler bedeutender Medien, wie etwa ARD, ZDF, Süddeutsche Zeitung oder Frankfurter Allgemeine, um nur einige zu nennen, berichten aus ihren Büros in Wien über das politische und wirtschaftliche Geschehen in Ungarn, Polen, Tschechien oder Slowakei. Das heißt jetzt nicht, dass die Korrespondent/innen ständig in ihren klimatisierten Wiener Büros hocken und Osteuropa nur aus Reiseführern kennen, aber sie sind eben nicht immer am Ort des Geschehens. Und diese Tatsache verwenden Vertreter der ungarischen Regierung gegen die ausländischen Journalist/innen. Immer dann, wenn kritische Artikel veröffentlicht oder Berichte gesendet werden, behaupten sie, dass diese Korrespondenten das politische Geschehen in Ungarn ja nur aus der Ferne betrachten würden und daher gar nicht objektiv und ausgewogen berichten könnten. Ein Argument, das gegen den ORF nicht verwendet werden kann.

Obwohl die Orbán-Regierung nicht glücklich über die Anwesenheit des ORF-Korrespondentenbüros in Budapest ist, so hat sie sich diesen Umstand auch schon zunutze gemacht, und zwar am Höhepunkt der Flüchtlingskrise: Anfang September 2015, als hunderttausende Flüchtlinge über die Balkan-Route nach Ungarn und dann weiter nach Österreich und Deutschland strömten, hat die Orbán-Regierung damit begonnen, an der ungarisch-serbischen Grenze einen Zaun zu errichten, eine Befestigungsanlage, die heute stärker, höher und bedrohlicher erscheint als einst der Eiserne Vorhang. Während Orbán immer wieder von der Notwendigkeit sprach, die EU-Außengrenze zu schützen, hagelte es Kritik aus fast ganz Europa, besonders aus Wien. Die damalige Bundesregierung unter Kanzler Faymann sah sich an die dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte erinnert und verurteilte die ungarische Flüchtlingspolitik auf das Schärfste. In dieser Zeit hatte ich im Büro des Ministerpräsidenten mehrfach um ein Interview angefragt, doch Orbán ließ stets wissen, dass er leider keine Zeit für ein Gespräch mit dem ORF-Korrespondenten habe. Ende September geriet Ministerpräsident Orbán zunehmend in die Defensive. Er fühlte sich gezwungen, dem Ausland seine Maßnahmen gegen Asylsuchende zu erläutern, vor allem den Menschen im liberalen Nachbarland Österreich zu erklären, warum der Zaun ein notwendiger Bestandteil seiner Flüchtlingspolitik sei. In dieser außenpolitisch heiklen Phase dürfte sich Orbán daran erinnert haben, dass der ORF in Budapest ein Büro hat. Und plötzlich hatte ich Regierungssprecher Zoltán Kovács am Telefon, der mir in knappen Worten mitteilte, dass der Herr Ministerpräsident jetzt bereit für ein Interview sei, und dass ich mich bitte beeilen möge, weil die Zeit des Herrn Ministerpräsidenten sehr knapp sei. In entscheidenden Phasen machen Korrespondentenbüros offenbar für jede/n einen Unterschied. Denn auf die dort in Unabhängigkeit erzeugte Nachrichtenqualität ist Verlass.


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