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Idee Österreich

Klaus Unterberger, ORF Public Value



2018

war das Jahr der Republik. 100 Jahre sind seit der Ausrufung der Ersten Republik vergangen. Es war eine Ära extremer sozialer und politischer Spannungen, einer barbarischen Diktatur und eines weltumspannenden Vernichtungskrieges ebenso wie eine Zeitspanne ermutigender Demokratiebewegungen der Zweiten Republik, die im ORF 2018 intensiv beleuchtet wurde. Die Herausforderung dabei: Was kann der ORF dazu beitragen, dass aus der Erinnerung an die eigene Geschichte auch eine Erfahrung, ein Lernprozess für die Zukunft wird?

Laufende gesellschaftliche Entwicklungen wie Populismus, eine bewusst inszenierte Empörungsbewirtschaftung, eine alarmierende Polarisierung, die an die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erinnert, die Einhegung gesellschaftspolitischer Perspektiven in reale und gedankliche Grenzen und eine erschreckende Nivellierung des politischen Diskurses lassen daran zweifeln, dass es unseren Gesellschaften gelingt, aus ihrer Vergangenheit zu lernen und Perspektiven für eine weltoffene Demokratie zu entwickeln. Liegt das auch an den Medien? Reagieren sie mit ausreichenden Mitteln auf die gesellschaftliche Fragmentierung? Haben sie wirksame Antworten auf Fake- und Propaganda-News? Verteidigen sie entschieden genug ihre Unabhängigkeit von wirtschaftlichen und politischen Interessen? Erreichen sie jene Menschen, die sich von traditionellen Medien abwenden? Sind sie zu belehrend, zu elitär? Fragen sie, wenn über die Republik der Vergangenheit geredet wird, auch die Jungen, die ihre Zukunft noch vor sich haben? Sind sie ausreichend kreativ und innovativ? Verbinden sie das Erlebte mit dem zukünftig Möglichen? Wenn es Angst vor den Schatten der Vergangenheit gibt: Wie gehen sie damit um? Haben sie den Mut zu Risiko, Kritik und Selbstkritik, zu Widerspruch und demokratischer Streit-kultur? Leisten sie einen wirksamen Beitrag zu Aufklärung und zum sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft?

Nach dem Ende eines Jahres voller staatstragender Jubiläen stehen – auch für den ORF – unbequeme Fragen.

2019

könnte ein Jahr werden, in dem wir uns an die Zukunft erinnern. Daran, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist, sondern im Anlassfall auch verteidigt werden muss. Daran, dass Medien nicht nur ein Geschäftsmodell sind, sondern eine öffentliche Aufgabe erfüllen. Daran, dass es auch in der digitalen Netzwelt nicht unkontrollierbare Algorithmen sind, die eine Gesellschaft zusammenhalten, sondern die Orientierung am Gemeinwohl. Es mag ein Widerspruch zu den beobachtbaren Krisen der Demokratie sein, aber es ist möglich: Engagierte Österreicher/innen haben soeben eine europäische Bürgerinitiative für „leistbares Wohnen“ initiiert. In der Schweiz macht „Operation Libero“, eine zivilgesellschaftliche Bewegung junger Menschen, deutlich, dass es eine wirkungsvolle Alternative zu politischer Apathie und vorauseilendem Gehorsam gibt. Europaweit demonstrieren öffentlich-rechtliche Medien ihre demokratiepolitische Bedeutung für die Gesellschaft, indem sie auf Vielfalt, Inklusion, Kultur- und Bildungs-aufträge, kritische Information, relevante Unterhaltung und soziale Verantwortung setzen.

Es ist spürbar und könnte einen Wandel im vorherrschenden Zeitgeist auslösen: Die „res publica“, die gemeinsame „öffentliche Sache“, hat nicht nur eine erinnerungswürdige Vergangenheit, sondern ist eine entscheidende Chance für die Zukunft unserer Demokratie. Die Herausforderung dabei: Welchen Beitrag kann der ORF als „Rundfunk der Gesellschaft“ für eine zukunftsorientierte „Republik von morgen“ leisten? Wie kann er einen medialen öffentlichen Raum schaffen, der als Plattform der gesamten Gesellschaft zugänglich ist und von ihr auch genützt wird? Welche Rolle kann der österreichische Rundfunk bei der Entwicklung der „digitalen Demokratie“ übernehmen?

Wenn die Vergangenheit und die Jubiläen vorbei sind – warum sollte 2019 nicht mit einem Freiraum für eine Idee beginnen, die gesellschaftliche Verantwortung und Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellt?


2019 ..., Alexander Wrabetz, Generaldirektor des ORF abspielen
© Grafik: ORF, Bild: ORF/Thomas Ramstorfer
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Alexander Wrabetz, Generaldirektor des ORF
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