Der 29. März - und damit das Austrittsdatum Großbritanniens aus der EU - nähert sich mit großen Schritten. Nachdem Theresa Mays Deal mit der EU vom britischen Parlament mit einer großen Mehrheit abgelehnt wurde, ist nach wie vor unklar, zu welchen Bedingungen Großbritannien die EU verlässt. Ein zweites Referendum und eine Verschiebung des Austrittsdatums schließt die Premierministerin aber
weiterhin aus.
Fest steht, dass der Brexit umfassende Auswirkungen auf die Wirtschaft in Großbritannien und der europäische Union haben wird. Doch wie sieht es mit dem Medienmarkt aus? Obwohl auch hier noch unklar ist, wie es genau weitergeht, zeichnen sich Entwicklungen in zumindest drei Bereichen ab: bei der Produktion von Inhalten, in finanziellen und in rechtlichen Belangen.
Das Vereinigte Königreich ist der
größte audiovisuelle Markt in der EU. Obwohl nur 12% aller Fernsehhaushalte in der EU auf das Land entfallen, werden dort 21% der EU-Einnahmen im audiovisuellen Sektor lukriert. Nach Frankreich werden im Vereinigten Königreich am zweitmeisten Kinofilme produziert (16% aller Filme EU-weit). Außerdem ist das Land der wichtigste Standort für Fernsehkanäle und Abrufdienste. 29% aller Fernsehsender der EU sind im Vereinigten Königreich niedergelassen. Zudem haben drei der zehn größten Medienkonzerne der EU ihren Sitz im Vereinigten Königreich: Sky, BBC und ITV.
Es geht um Produktion und Personal…
Für die britische Filmbranche spielen Koproduktionen eine große Rolle. 35 % der britischen Filme sind Koproduktionen, in erster Linie mit anderen EU-Ländern. Dafür wird das Übereinkommen über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen des Europarats genutzt. Auch hier wird man nach dem Brexit neue Regelungen finden müssen.
Eine der wohl größten Befürchtungen der Medienbranche betrifft das Essenzielle einer jeden Produktion: das Personal. Etwa
15 % der Arbeitskräfte in der Kreativwirtschaft stammen aus anderen EU-Ländern. Viele Arbeitsverhältnisse sind befristet oder werden kurzfristig - je nach Bedarf - ausgeschrieben. Das braucht schnelle, flexible Möglichkeiten, Personal anzustellen. Nach dem Brexit kann die britische Kreativbranche nicht mehr so schnell wie bisher auf Fachkräfte aus der EU zurückgreifen. Man fürchtet Engpässe im Personal. "Sollte Großbritannien mit dem Ende seiner EU-Mitgliedschaft kein belastbares Nachfolgeabkommen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit schließen, werden Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft verstärkt über einen Standortwechsel nachdenken", sagt Werner Ballhaus, Leiter des Bereichs Technologie, Medien und Telekommunikation bei PwC Deutschland. Auch für die Medienbranche ist ein sogenannter
Brexodus also ein mögliches Szenario.
… ums Geld…
Für die britische Kreativbranche sind Förderungen aus EU-Programmen ein großes Thema. Schließlich ist unklar, ob und in welcher Höhe EU-Förderungen nach dem Brexit vom britischen Staat übernommen werden, thematisiert etwa die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle in ihrem
Bericht zum Brexit.
Bei den Einnahmen zeichnen sich vor allem Auswirkungen für die britische audiovisuelle Branche ab. Bei Filmen hat das britische Publikum nämlich einen sehr nationalen und US-geprägten Geschmack. Es werden kaum Filme aus anderen EU-Staaten importiert. Jedoch ist das Land ein großer Exporteur von Filmen in andere EU-Länder. Nach Frankreich exportiert das Vereinigte Königreich die meisten Kino- und Fernsehfilme, bei Exporten von On-Demand-Inhalten ist das Land sogar
Nummer eins.
Auch Abwanderungen von großen Medienunternehmen machen dem britischen Medienmarkt zu Schaffen. Der Streamingdienst DAZN hat kürzlich eine
Lizenz in Deutschland beantragt. Bisher war der Dienst bei der britischen Ofcom lizenziert. Die Lizenz galt automatisch für alle Länder innerhalb der EU. Mit dem Brexit verliert die Lizenz für Länder außerhalb des Vereinigten Königreichs die Gültigkeit. Um auch ab April weiterhin gesichert in EU-Länder senden zu können, beantragen deshalb immer mehr vormals in UK lizenzierte Sender Lizenzen in anderen EU-Staaten.
… und um rechtliche Vorschriften
Wird kein Abkommen mit der EU getroffen, endet die Geltung aller EU-Rechtsvorschriften im Vereinigten Königreich am 30. März. Laut
Europäischer Audiovisueller Informationsstelle wird das erhebliche Auswirkungen auf den Rechtsrahmen für den britischen audiovisuellen Sektor haben, da die meisten Fragen dort derzeit durch EU-Recht geregelt sind.
Auch im
Urheberrecht wird man sich auf große Änderungen einstellen müssen. Für Rundfunkanstalten etwa ist die Richtlinie 93/83/EWG wichtig. Sie regelt, dass Rundfunksender die Rechte für Werke, die durch Satellit in mehreren Ländern ausgestrahlt werden, nur für das Land erwerben müssen, in dem sie das Signal einspeisen. Mit dem Brexit können Rundfunkveranstalter im Vereinigten Königreich davon nicht mehr Gebrauch machen, wenn sie Programme in andere EU-Länder ausstrahlen. Gibt es kein alternatives Abkommen, müssen sie dann die Rechte für alle Staaten erwerben, in denen man das Signal empfangen kann. Auch Sender von EU-Mitgliedsstaaten müssen die Rechte für Inhalte, die sie in das Vereinigte Königreich ausstrahlen wollen, extra erwerben.
Wie gravierend die Auswirkungen auf die Medienbranche in Großbritannien und in den anderen EU-Ländern tatsächlich sein werden, lässt sich erst nach dem Brexit beurteilen. Auch, ob die möglichen Folgen noch durch Abkommen mit den EU-Staaten abgefangen werden können, steht noch aus.
Mehr Informationen:
ORF.at: "May spielt in Brexit-Poker auf Zeit"
Europäische Audiovisuelle Informationsstelle: "Brexit: Die Auswirkungen auf den audiovisuellen Sektor"
PWC: "Der Brexit als Chance für die deutsche Medien- und Kreativbranche"
Medientage München: "Brexit oder Brexodus"
DWDL: "Brexit: Auch DAZN beantragt Lizenz in Deutschland"
Europäische Audiovisuelle Informationsstelle
EU "Notice to Stakeholders"