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Sabine Funk Vertrauen schaffen "Da hat sich jemand etwas dabei gedacht." Mit diesen Worten begründete ein Teilnehmer eines ORF-Publikumsgesprächs, warum er eine bestimmte ORF-Sendung als positives Beispiel für qualitative Berichterstattung ausgewählt hatte. Publikumsgespräche sind eine der vielen Maßnahmen, die der ORF regelmäßig zur Qualitätssicherung durchführt. Dabei diskutieren ORF-Nutzer:innen mit Programmgestalter:innen gemeinsam die Stärken und Schwächen des ORF-Angebots - und das, was der junge Mann hier als sein persönliches Kriterium für gute Berichterstattung nannte, bringt gleichzeitig auch ein wesentliches Ziel dieser Qualitätssicherung auf den Punkt: dass das Publikum darauf vertrauen kann, dass ORF-Angebote fundiert, seriös und verlässlich gestaltet sind, im besten öffentlich-rechtlichen Sinne.

Um die Qualität und Glaubwürdigkeit der ORF-Berichterstattung sicherzustellen, hat sich der ORF - neben dem ORF-Gesetz als Basis - zahlreiche Guidelines und Bestimmungen selbst auferlegt, angefangen vom Redaktionsstatut, den ORF-Programmrichtlinien, dem ORF-Verhaltenskodex bis hin zu Gleichstellungsplänen und Jugendschutzmaßnahmen. Wie und ob die Umsetzung dieser Anforderungen an die Berichterstattung gelingt, wird im Rahmen eines umfassenden Qualitätssicherungssystems überprüft. Dieses ist im ORF-Gesetz vorgeschrieben, wobei die konkrete Ausgestaltung vom ORF entwickelt wird und vom ORF-Stiftungsrat genehmigt werden muss.

Jede Form der Qualitätssicherung im Medienbereich steht vor der besonderen Herausforderung, dass die Beschaffenheit von Berichten, Sendungen oder Programmen nicht vor der Herstellung eindeutig vorhersagbar, sondern durch soziale Prozesse und Interaktionen geprägt ist - etwa im Zusammenspiel von Interviewer:in und Interviewpartner:in, von Redakteur:in und den im Beitrag dargestellten Personen, von Moderator:in und Showgäst:innen oder von Kamerateam und Regisseur:in. Weder Ausgangslage noch Ergebnis des Entstehungsprozesses sind vollständig kontrollierbar. Daher würde es zu kurz greifen, Medienqualität ausschließlich nach vorgegebenen Kennwerten abzugrenzen.

Die Qualität eines Programms oder eines Beitrags wird immer auch durch das subjektive Erleben seiner Nutzer:innen definiert - also was sie als gut empfinden, was sie gerne nutzen, womit sie zufrieden sind, auch im Unterschied zu anderen Angeboten. Für den ORF ist es folglich von zentraler Bedeutung, die Nutzer:innen als Teil dieses Qualitätsprozesses zu verstehen, denn nur wenn die gebotenen Inhalte auch bei ihnen ankommen, von ihnen genutzt und verstanden werden, kann der Qualitätsanspruch wirksam werden. Die Sicht der Nutzer:innen auf die Medienprodukte wird im ORF-Qualitätssicherungssystem durch die Integration eines breiten Spektrums empirischer Publikumsforschung berücksichtigt, und es wird gewährleistet, dass die Bandbreite an Einflussfaktoren auf das Qualitätserleben von Medieninhalten wie unterschiedliche Bedürfnisse, Nutzungssituationen oder Vorkenntnisse Beachtung findet.

Das ORF-Qualitätssicherungssystem wird im Jahreszyklus durchgeführt, ORF-intern von den Abteilungen Public Value und Markt- und Medienforschung organisiert und überwiegend in Zusammenarbeit mit externen Marktforschungsinstituten umgesetzt. Die im ORF-Gesetz vorgeschriebenen Programmstrukturanalysen Fernsehen und Radio stellen quantitative Beschreibungen der Programmanteile des ORF-Fernseh- und -Radioprogramms dar. Der inhaltsanalytische, quantifizierende Zugang mit über die Jahre stabilen Auswertungskategorien ermöglicht eine kontinuierliche Beobachtung der Größenverhältnisse zwischen den Programmsäulen - etwa von Information, Unterhaltung, Kultur und Sport. Ziel dieser Maßnahme ist die Sicherstellung der Ausgewogenheit des Inhaltsangebots im ORF-Fernsehen und ORF-Radio.

Der Public Value-Bericht als weiteres deskriptives Element der Qualitätssicherung blickt - über diese reine Quantifizierung hinausgehend - detaillierter auf Inhalte und Ausgestaltung dieser Programmsäulen und dokumentiert die Leistungserfüllung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags des ORF anhand qualitativer Kriterien: Diese sind in mehrere Qualitätsdimensionen und Leistungskategorien gegliedert, abgeleitet aus dem ORF-Gesetz, den ORF-Programmrichtlinien, den ORF-Leitlinien sowie aktuellen Anforderungsbedingungen in Gesellschaft und Medienentwicklung.

Die weiteren Maßnahmen des Qualitätssicherungssystems erfolgen publikumszentriert, wobei quantitative wie qualitative Zugänge gewählt werden, um auch der Vielfalt der Anforderungen auf Nutzer:innenseite bestmöglich Raum geben zu können. In der ORF-Overallbefragung wird mittels Repräsentativbefragung etwa die Zufriedenheit der Österreicher:innen mit dem ORF und seinen Programm- und Inhaltsangeboten insgesamt ermittelt. Ähnlich wie bei der Programmstrukturanalyse ermöglicht die Kontinuität in den Fragestellungen über viele Jahre das Erkennen von Veränderungen in der Bewertung des ORF mit der Gesamtheit seiner Angebote. Mit der Evaluation der ORF-Qualitätsprofile wird der Fokus auf bestimmte ORF-Inhalte bzw. spezifische Themenbereiche gelegt und eingehender mit den Nutzer:innen diskutiert.

Bei den Qualitätsprofilen handelt es sich um eine Art Soll-Vorgabe, die sich die Redaktionen selbst auferlegen und die aus allgemeinen Auftragswerten und spezifischen Eigenschaften bestehen, die sich auf konkrete, jeweils unterschiedliche Bedingungen und Anforderungen der Arbeitspraxis in einzelnen Programmbereichen beziehen. Im Rahmen der Evaluation wird dieses ORF-interne Soll-Bild mittels Befragung auf Stimmigkeit beim Publikum überprüft, also ob dieses von den Nutzer:innen als relevant und erfüllt eingestuft wird. Dabei können die Befragten bei ihren Bewertungen ins Detail gehen und diese auch ausführlich begründen.

Bei den - eingangs bereits erwähnten - Publikumsgesprächen sind ausgewählte Publikumsgruppen eingeladen, in strukturierten Gruppendiskussionen mit Programmverantwortlichen in Dialog zu treten und ihre Kritik, Ansprüche und Erwartungen zu den ORF-Programmen darzulegen. Seit 2011 konnten so insgesamt rund 1.500 Teilnehmer:innen aus dem Publikum in direkten Austausch mit Sendungs- und Senderverantwortlichen treten: Für das Publikum wird dadurch erfahrbar, unter welchen Rahmenbedingungen die ORF-Angebote entstehen, die ORF-Verantwortlichen wiederum erhalten Inputs zur Weiterentwicklung ihrer Programme und Inhalte. In Ergänzung findet jährlich ein Expert:innengespräch statt, das den Dialog zwischen ORF-Programmverantwortlichen und Fachleuten im jeweils thematisierten Bereich vertieft. Damit wird auch der Erfahrung und Einschätzung von Fachleuten und Wissenschafter:innen breiter Raum gegeben.

Auf ausgewählte Fragstellungen wird schließlich in den ORF-Jahresstudien eingegangen. In der ORF-Publikumsratsstudie fokussiert der Publikumsrat, der laut ORF-G zur Feststellung der Interessen der Hörer:innen und Seher:innen jährlich eine repräsentative Teilnehmer:innen-Befragung in Auftrag geben kann, einen ausgewählten Bereich des ORF-Angebots. Zuletzt wurden hier etwa die Anforderungen des Publikums an fiktionale bzw. non-fiktionale Unterhaltungsangebote im ORF näher beleuchtet und daraus Empfehlungen für die Programmarbeit abgeleitet.

Darüber hinaus beauftragt der ORF jährlich eine Public Value-Jahresstudie, die sich auf einen besonderen Aspekt seines Leistungsumfangs und Funktionsauftrags bezieht und eine vertiefende Evaluierung ermöglichen soll, die neben der Qualitätskontrolle auch eine zukunftsorientierte und praxisnahe Grundlage für die Programmarbeit ergibt, im Jahr 2022 etwa zum Themenfeld "Unterhaltung in öffentlich-rechtlichen Medien". Die angeführten Maßnahmen der Qualitätssicherung liefern eine Vielzahl an Informationen und Hinweisen zur Akzeptanz des bestehenden ORF-Angebots und der Programmgestaltung. Diese Ergebnisse und Erkenntnisse werden intern an die Programmverantwortlichen und -gestalter:innen weitergeleitet, diskutiert - und fließen so in die laufende Programmproduktion und Weiterentwicklung der Inhalte ein.

Neben diesem internen Kommunikationsprozess erfolgt eine Ergebnisbewertung auch von außen: Der ORF-Stiftungsrat hat gemäß ORF-Gesetz eine unabhängige, sachverständige Person zu bestellen, die die Ergebnisse aller Bestandteile des Qualitätssicherungssystems beurteilt. Für die Periode 2020 bis 2024 wurde mit dieser Aufgabe Ingrid Deltenre, die frühere Direktorin des Schweizer Fernsehens und ehemalige Generaldirektorin der European Broadcasting Union, betraut. Sie legt jeweils bis zum Juni des Folgejahres ein Gutachten darüber vor, ob der ORF auf Basis der Berichte aus dem Qualitätssicherungssystem den festgelegten Qualitätskriterien entsprochen und die Vorgaben des Gesetzes zur Qualitätssicherung erfüllt hat. Bis jetzt konnte der ORF diesen Vorgaben jeweils entsprechen.

Genauso wenig wie Qualität Selbstzweck ist, ist es die Sicherung von Qualität - dementsprechend wird auch das Qualitätssicherungssystem selbst laufend kritisch hinterfragt. Unter anderem fließen hier Inputs der Gutachterin wie auch Erkenntnisse aus regelmäßigen Workshops mit allen am Prozess beteiligten ORF-Abteilungen und Markt- und Sozialforschungsinstituten in die Weiterentwicklung mit ein. Die breite Anlage des Qualitätssicherungssystems bietet hier die Möglichkeit, auch auf gesellschaftlichen Wandel und Änderungen in der Mediennutzung durch Adaptionen einzugehen, um damit auch in Zeiten der Veränderung und neuer Herausforderungen sicherzustellen, dass die Menschen den ORF-Angeboten vertrauen können - weil sich dort "jemand etwas gedacht hat."