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Alexandra Mantler Integration – zwischen den Welten "Es ist, als schwanke man zwischen zwei Wegen, als balanciere man zwei Welten. Zwischen zu fromm und nie fromm genug. Zwischen Assimilationsrufen und Vorwürfen des Identitätsverlusts. Zwischen 'die Arme, Schwache muss gerettet werden' und' die Edle, Ehrenvolle vertritt uns alle'. Hier ist alles gegeben - nur mich kann ich nirgends finden", bringt Fariza Bisaeva die Ansprüche und Herausforderungen auf den Punkt, denen sich viele junge Frauen mit Migrationshintergrund gegenübersehen. Fariza Bisaeva ist Studentin der Islamischen Religionspädagogik, spricht neben Deutsch und Englisch auch Tschetschenisch und ist Preisträgerin des ORF-Redewettbewerbs "Sag's Multi".

Sie ist eine von sechs jungen Frauen, die sich in der Ö1-Sendung "Gedanken für den Tag" zum Internationalen Frauentag zu Wort gemeldet hat. "Wenn mich das Lechzen nach Gleichstellung zu einer sogenannten 'angry black woman' macht, then it be so", ergänzt die 18-jährige Tracy Cindy Agbogbe, die vor kurzem maturiert hat und jetzt Politik- und Kommunikationswissenschaft studiert. Kein Blatt vor den Mund nimmt sich auch Elodie Arpa, die Wirtschaftsrecht studiert und eben ihr erstes Buch "Freiheit" veröffentlicht hat: "Alte, weiße Männer sind die Subjekte der Gesellschaft. Sie reden, sie bestimmen. Die Phrase 'alter, weißer Mann' dreht den Spieß um. Plötzlich werden diejenigen begutachtet, die sonst immer nur selbst begutachten."

Die "Gedanken für den Tag", eine Sendung der Abteilung Religion und Ethik multimedial, wollen eine Plattform sein für die ganze Bandbreite der Ö1-Hörer:innen: Künstler:innen, Wissenschaftler: innen, Theolog:innen und Journalist:innen - Denker: innen mit unterschiedlichem philosophischen, spirituellen und gesellschaftspolitischen Background reflektieren, werden persönlich und laden zum Weiterdenken ein. Junge Menschen sollen hier ebenso zu Wort kommen wie ältere, Frauen wie Männer, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Sie alle eint der Umstand, dass sie etwas zu sagen haben: Kritisches und Ernstes, wie die aus der Ukraine stammende Schriftstellerin Tanja Maljartschuk, die am Jahrestag des russischen Überfalls auf ihr Herkunftsland formuliert: "Auch wenn sie sich momentan in Sicherheit befinden, nehmen die Kleinen diese blutige Zeit als Ausgangspunkt für ihr weiteres Leben. Es herrschte Krieg in meiner Kindheit, werden sie irgendwann mit möglichst wenigen Details erzählen. Ich habe da mehr Glück gehabt. In meiner Kindheit gab es viel Schnee." Manchmal laden die "Gedanken für den Tag" auch zum Schmunzeln ein, wenn etwa die Kabarettistin Aida Loos anlässlich des persischen Nouruz-Festes, schildert, wie einst ihre Mutter einer schimpfenden Pelzmützenträgerin im Billigsupermarkt erzürnt entgegenzischt: "Wir sind keine Tschuschen. Wir sind Perser!" Und dabei akustisch anschaulich ausführt: "Vor 'Perser' machte sie eine theatralische Pause, und ich war mir sicher, dass sie beim 'P' aufgrund des Gewichts, das sie diesem Wort gab, etwas spuckte."

Der aus Bosnien stammende muslimische Gefängnisseelsorger Džemal Šibljaković überschreitet Grenzen und baut Brücken zwischen Religionen und Kulturen, wenn er in seinen "Gedanken für den Tag" erzählt: "Die mit Abstand schönste Zeit in der Schule war für mich die Weihnachtszeit. Und ja, das sage ich als praktizierender Muslim. Es war eine Zeit, wo wir alle 'Kevin allein Zuhause' schauen konnten und uns auf die Ferien freuten." Doch er lädt seine Hörer:innen auch zu einer Erweiterung ihrer Perspektive ein: "Irgendwann kommt das Ramadanfest, oder das Opferfest und komischerweise ist da nicht diese festliche Stimmung zu spüren. Kein:e Lehrer:in wünscht dir ein frohes Fest, niemand schmückt die Schule, und frei ist da schon gar nicht. Nicht nur unsere Feste waren es nicht wert gefeiert zu werden, unsere Namen waren zu schwierig, unsere Musik zu nervig, und unser Dasein einfach nicht erwünscht. Auf einmal war auch Weihnachten nicht mehr so toll. Somit hatten viele von uns gleich zwei Feste verloren, anstatt dazugewonnen."

Die Ö1-Sendung "Gedanken für den Tag" ist nur ein Beispiel für den Stellenwert von Diversität in den Sendungen der ORFAbteilung Religion und Ethik. Die Vielfalt der religiösen und ethischen Überzeugungen, die in unserer Gesellschaft existieren, wird auch in anderen Radiosendungen wie "Tao - aus den Religionen der Welt" oder "Praxis - Religion und Gesellschaft" oder TV-Sendungen wie "kreuz und quer" und "Religionen der Welt" beziehungsweise auf religion.ORF.at sichtbar. Fragen von Religion und Ethik sind oft sehr persönlich und für viele Menschen emotional. Mehr Wissen voneinander kann auch mehr Nähe schaffen und ermöglicht den Hörer:innen und Seher:innen, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen und Weltanschauungen besser zu verstehen.

Medien können Ressentiments schüren, aber sie können auch helfen, Vorurteile und Stereotypen abzubauen und einen Dialog zwischen verschiedenen Gruppen zu fördern. Wichtig ist uns dabei, in unseren Programmen nicht nur über Menschen zu sprechen, sondern sie selbst zu Wort kommen zu lassen: als qualifizierte Protagonist:innen und Analyst:innen ihres eigenen Lebens. Durch die Darstellung von Diversität möchten wir dazu beitragen, Missverständnisse und Fehlinformationen zu reduzieren und eine Atmosphäre der Toleranz und des Respekts zu schaffen. "Wer in einer Gesellschaft die Macht innehat, bildet die Norm. Und was normal ist, darüber spricht man nicht", hat Elodie Arpa in ihren "Gedanken für den Tag" formuliert. Das möchten wir mit unseren Sendungen ändern.

Zahlen, Daten und Fakten zur Leistungskategorie Integration, finden Sie im Datenteil des Public Value Berichts 2022/2023.