next
next

DE | EN
DE | EN
Zurück zur Übersicht

Stefan Müller Qualitätssicherung im ZDF Qualität hat viele Perspektiven. Im Falle eines öffentlich-rechtlichen Senders zum einen die des Auftraggebers, also die demokratisch gewählten Länderparlamente, die gesellschaftliche Ansprüche als Rahmensetzungen an das herzustellende Programm formulieren. Zum anderen die der Sender und im eigentlichen Sinne seiner Journalist:innen, Redakteur:innen und Produzent:innen, die ihren professionellen Ansprüchen folgen. Dann die der Nutzerschaft, die das angebotene Programm wiederum nach ihren persönlichen Erwartungen bewertet. Und schließlich die des aktuellen, sich im schnellen Wandel befindenden Marktes, der eigene Standards bei Produktionswert, Ansprache der Zielgruppen und Dramaturgie auf den verschiedenen Ausspielplattformen setzt.

Qualitätssicherung ist demnach komplex und kann heutzutage nur gelingen, wenn sie multiperspektivisch gedacht ist, wenn sie offen bleibt für Anpassungen, und es dennoch schafft, mit einem einheitlichen, verständlichen und anerkannten Instrumentarium und klaren Zielen zu operieren. Im ZDF wurde hierfür der ZDF KOMPASS als zentrales Steuerungsinstrument entwickelt, der die Dimensionen Nutzung, Qualität, Wirkung und Akzeptanz einbezieht. Einige Aspekte daraus möchte ich im Folgenden skizzieren. Die Gesellschaft formuliert ein wesentliches Qualitäts-Kriterium in Form des Auftrags an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In Deutschland sollen, so z. B. das ZDF, allen Bürgerinnen und Bürgern ein Angebot machen, das sie informiert, bildet, berät, auf angemessene Weise unterhält und ihnen Kultur vermittelt. Die Erfüllung dieses Auftrags bildet in Summe eine spezifisch öffentlich- rechtliche Qualität in Abgrenzung zu den marktgetriebenen Medienangeboten privater Unternehmen.

Ob die Umsetzung im Programm gelingt, unterliegt jedoch in erheblichem Maße dem Urteil der Betrachtenden. Eine Auftragserfüllung, die nicht anerkannt wird, läuft ins Leere. Eine Wirkung, die bei den Nutzern als persönlicher Mehrwert erzielt wird, muss durch Befragungen und Studien überprüft werden und die Ergebnisse wieder in die redaktionelle Arbeit zurückfließen. Glaubwürdigkeit ist die conditio sine qua non des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie ist die Grundlage für seine Rolle in der Demokratie, die Menschen nicht nur über alle wichtigen Ereignisse und Entwicklungen zu informieren, sondern dies unabhängig von der politischen Führung und anderen Mächtigen im Land zu tun. Der Berufsethos unserer Journalist:innen darf dabei in der Rezeption nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Die Kritik von kleinen, aber lauten Bevölkerungsgruppen und einigen Medien, die dies zu ihrem Vorteil ausnutzen, ist hörbar. Deshalb gilt es hier, journalistische Qualität und Verlässlichkeit durch maximale Transparenz, Kommunikation und Aufklärung sichtbarer zu machen, Vertrauen immer wieder im Dialog mit den Zuschauenden neu zu erarbeiten und zu erhalten. Und in Umfragen zu überprüfen, ob diese Qualität dauerhaft anerkannt wird.Der ÖRR kann Medienkompetenz in der Bevölkerung nicht erzwingen, aber ggf. Partner sein für gesellschaftliche Bildungseinrichtungen in ihrem Bemühen, diese zu erhöhen.

Ein weiteres übergeordnetes Qualitätsmerkmal ist zum Beispiel die Stärkung der Gemeinschaft in der Demokratie. Das Programm soll bei den Bürger:innen Empathie und Verständnis für ihre Mitmenschen schaffen und zum Miteinander beitragen. Ob dies gelingt, kann aus Befragungen dazu abgeleitet werden, ob sich die Meinungsvielfalt und die Vielfalt der Lebenswelten im Programm wiederfindet; und durch Auswertungen, ob sich die gesellschaftliche Vielfalt auch in den Menschen spiegelt, die das Programm herstellen. Maximale Zugänglichkeit zum Programm durch Barrierefreiheit gehört dazu wie auch die Verwurzelung öffentlich-rechtlicher Sender in der Gesellschaft durch Kooperationen mit anderen zivilgesellschaftlichen Institutionen und dem Dialog mit seinen Nutzer:innen. Hierfür wird im ZDF ein nationales Zuschauerpanel etabliert, das einen regelmäßigen wie auch spontanen Austausch der Programmmacher:innen mit der Bevölkerung ermöglicht. Eine notwendige und an Bedeutung zunehmende Eigenschaft in der Organisation der öffentlich-rechtlichen Arbeit ist eine gelebte Fehlerkultur. Die schnellen Entwicklungs- und Anpassungszeiten des digitalen Zeitalters bedingen sie geradezu. Durch permanentes (Nach-)Steuern kann Programmarbeit an die Marktstandards, Innovationen und Nutzergewohnheiten und -erwartungen angepasst werden. Hier können automatisierte Messsysteme sowie Zielvereinbarungen und Reviews in den Redaktionen helfen, regelmäßige Kurskorrekturen bei den Programmmachern und Verantwortlichen zu etablieren, und diese nicht als Scheitern, sondern als die Qualität erhöhendes Steuerungsinstrument zu betrachten.

Ein solches, alle Ausspielwege und Qualitätskriterien integrierendes Reviewsystem auf Formatebene wird auch im ZDF derzeit entwickelt. Qualität beginnt bereits in der Entwicklung von neuen Formaten. Hier haben wir im ZDF für Redaktionen die Möglichkeit etabliert, mit der jeweiligen Zielgruppe früh in den Dialog zu treten. Die inhaltliche Erwartung der potenziellen Nutzer:innen und die dramaturgische und formale Konzeption eines Formats bis hin zu möglichen Sendungstiteln können so frühzeitig getestet und angepasst werden. So wurde im ZDF z. B. die Neuentwicklung der Mediathek-First-Doku-Reihe "Die Spur" mit einem aufwändigen Dialogformat zwischen Redakteur:innen und Menschen aus der Zielgruppe begleitet und die neuen Formate auf dem ZDFkultur-YouTube-Kanal "Unbubble" in unterschiedlichen Entwicklungsstadien von Nutzern online getestet und bewertet.

Qualität kann sich nur wirksam entfalten, wenn sie gefunden und genutzt wird. Das Erreichen möglichst vieler Menschen in der Bevölkerung ist dafür notwendig. Das kann nur gelingen, wenn man allen Gruppen ein passendes Angebot macht. Dazu gehört die verständlich übermittelte Information in Nachrichten und Dokumentationen für alle Altersgruppen, aber auch unterhaltende Genres und Formatierungen, die auf besondere Weise geeignet sind, wertvolle Inhalte zu vermitteln. Die Bearbeitung wichtiger gesellschaftlicher Entwicklungen als Spielfilm oder Serie wie z. B. das Thema Umwelt in der Öko-Thriller-Serie "Der Schwarm" sowie Investigation in Kombination mit Satire und Show im "ZDF Magazin Royale" sind Beispiele aus dem ZDF-Programm. Eine Ausweitung der Genrevielfalt im Bereich Fiktion und Factual Entertainment sind in diesem Zusammenhang ebenfalls zu nennen.

Die Medienwelt in ihrer komplexen Angebots-, Distributions- und Nutzungsvielfalt, verbunden mit dem spezifischen gesellschaftlichen Auftrag, erfordert auf Seiten des ÖRR eine komplexe Antwort in Form eines Bewertungs- und Steuerungssystems zur Qualitätssicherung. Der Blick auf den Markt reicht nicht mehr aus; die Zuschauer:innen und ihre Bewertung des ÖRR rückt ins Zentrum der Betrachtung. Die Herausforderung besteht darin, je nach Unternehmens-, Kanal- oder Formatziel die passenden Instrumente anzuwenden und diese in einem kommunizierenden System zur Gesamtsteuerung zu verbinden.