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Philipp Emberger, Redakteur, FM4 Mutig ins goldene Audiozeitalter "Hast du schon die neue Folge von [hier beliebigen Podcast einfügen] gehört?" So beginnt mittlerweile jedes zweite Treffen mit Freund/innen, denn Podcasts und die aktuell beliebtesten Formate sind regelmäßig Gesprächsthema. Was junge Menschen heute nutzen, wird morgen schon den Medienkonsum dominieren. So war es mit sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram, so wird es mit TikTok passieren und auch Podcasts sind auf dem besten Weg dahin, in der breiten Masse anzukommen. Alleine schon deshalb muss es im Interesse von Nutzer/innen öffentlich-rechtlicher Medien sein, möglichst rasch ein erstzunehmendes Angebot zu bekommen und Strukturen für Produzent/innen in diesen Medien zu wissen.

Der schwedische Audio-Riese "Spotify" zählte im vierten Quartal 2020 bereits über 50.000 deutschsprachige Podcasts auf seiner Plattform. Mit neuen Mediennutzungen ist es leider nicht so wie mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Sind Bus oder U-Bahn weg, kommt in wenigen Minuten die nächste Transportmöglichkeit. Ist hingegen der Podcast-Zug einmal abgefahren, ist es schwer bis unmöglich noch aufzusteigen. Öffentlich-rechtliche Medien müssen also die Bevölkerung auch mit Podcasts erreichen, um ein "differenziertes Gesamtprogramm", wie es das ORF-Gesetz vorschreibt, anzubieten.

Worin liegen aber nun die Stärken von Podcasts und wie können wir als Journalist/innen unsere Kompetenzen nutzen und die Schwächen ausmerzen, um gegen Giganten zu bestehen? Was braucht es, um moderne Podcasts auf Augenhöhe für und mit dem Publikum zu produzieren? Die gute Nachricht: Als öffentlich-rechtliche Journalist/innen haben wir sehr viele gute Voraussetzungen, die es zu nutzen gilt. Allerdings dürfen wir uns nicht darauf ausruhen.

Für (Radio-)Journalist/innen sind Podcasts ein auditives Paradies und verlangen journalistisches Handwerk, das wir bereits seit jeher erfolgreich im ORF anweden. Podcasts bieten die Möglichkeit, eine spitze Zielgruppe gezielt zu erreichen und dabei inhaltlich in die Tiefe zu gehen. Ich würde wetten, dass viele von uns schon mal vor endlosen Stunden von gutem Audiomaterial gesessen sind, mit der Aufgabe, es für eine kompakte Radiogeschichte zu kürzen. Bei Podcasts ist diese Herausforderung viel geringer ausgeprägt, es bleibt mehr Zeit für die inhaltliche Auseinandersetzung. Bei FM4 passiert das mit dem "FM4 Film Podcast", ein Podcast maßgeschneidert für Cineast/innen, dem Plauderpodcast "FMqueer" für die queere Community oder mit "FM4 Philosophie und Pizza", der neben Salami und Artischocken auch an gesellschaftsrelevanten Fragen knabbert. Journalistisches Know-how muss aus öffentlich-rechtlicher Sicht das Fundament sein, um daraus informative und unterhaltsame Podcasts zu entwickeln. Wir Journalist/innen beschäftigen uns tagtäglich mit den verschiedensten Themen von Politik, Kultur und Sport bis hin zur aktuellen Popkultur wie Filme, Serien und Musik. Aus dieser Stärke heraus gilt es Podcasts zu entwickeln.

Es genügt aber keineswegs, alte Denkweisen und Strukturen auf Podcasts zu übertragen. Eine gute Radio-Geschichte ist noch lange kein guter Podcast. Podcast-Hörer/innen schätzen die direkte und persönliche Ansprache. Das stellt unser Selbstverständnis als Journalist/innen vor eine Herausforderung. Wir müssen uns bei der Entwicklung mit unserer eigenen Haltung zum jeweiligen Thema auseinandersetzen - Wie stehen wir zu der Geschichte? Warum interessiert sie uns? Warum erzählen wir sie?

Podcasts dürfen sich als Format etwas trauen, sie können Grenzen austesten und vielleicht auch überschreiten. Dieser Freiraum schafft wunderbares kreatives Potenzial, das eine öffentlich-rechtliche Anstalt in Hinblick auf die Zukunft zulassen und fördern muss. Junge Journalist/innen müssen Ressourcen, Platz und Vertrauen bekommen, um innovative Formate zu entwickeln. In den wenigsten Fällen gelingt es, Radiogeschichten sinnvoll 1:1 als Podcasts auszuspielen. Zu unterschiedlich sind Bedürfnisse, Formalität und Ansprache. Deshalb braucht es ein klares Bekenntnis, native Geschichten für Podcast zu entwickeln.

Das mag sehr fordernd klingen und ist es auch. Daraus kann aber Gutes entstehen und großartiges kreatives Potenzial freigesetzt werden. Davon profitieren am Ende alle: der ORF, Journalist/innen und zuletzt und am wichtigsten unsere Zuhörer/innen. Als Jung-Journalist sage ich: Lasst uns etwas ausprobieren, lasst uns auch mal scheitern. Es gilt, mutig in das goldene Audiozeitalter aufzubrechen.