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Gerald Heidegger, Chefredakteur ORF.at #96 Kennen wir die Antwort schon? Der ORF muss sich ändern. Der ORF wird sich ändern. Dem ORF bleibt gar nichts anderes über, als sich zu ändern. All diese Sätze sind bekannt und hören meist auf die Schlüsselphrase: die Herausforderung der Digitalisierung. Nun sind wir schon seit eineinhalb Generationen in dieser Digitalisierung unterwegs. Wer bei ORF.at Ende der 1990er Jahre zu arbeiten begonnen hat, darf sich mittlerweile über Kollegen und Kolleginnen glücklich schätzen, die mit ORF.at aufgewachsen sind, ja dieses digitale Medium aufgesogen haben wie die analoge Muttermilch (um mal ein ganz banal brachiales Bild zu bedienen). Jetzt, so hören die Alten wie die Jungen, würden wir zum Plattformunternehmen umgebaut. Und müssten diesen Umbau doch selber denken. Was schwierig klingt, weswegen wir Consultants fragen, die uns Antworten geben. Zum Beispiel: Ihr braucht neues Storytelling. What?, fragen wir, und buchen den nächsten Kurs. Dabei, so scheint es, könnten uns ganz alte Tugenden helfen.

Tatsächlich tun und können wir mehr, als wieder selber zu überblicken in der Lage sind. Wir produzieren umfangreich, solide, leichtfüßig und ebenso in die Tiefe gehend auf drei Standbeinen: im Radio, im Fernsehen und im Online-Bereich. Das ist gut. Und sollte uns stolz machen. Doch der Stolz folgt noch einer alten Logik, nämlich der, dass ein Medium sein Umfeld produziert. Die Sub-Revolution der Digitalen Revolution, quasi, die digitale Revolution in a nutshell, handelt davon, dass wir in ein Gadget verliebt sind, dass uns auf Schritt und Tritt folgt und das wir nur im Moment des Schlafens zur Seite legen. Das im Leben nicht mehr wegzudenkende Smartphone hat alles geändert. Es sagt uns Medienmachern, dummerweise: Die Situation bestimmt die Form des Mediums, das ich nutzen will.

Manchmal verlangt die Situation nach Text und Bild. Manchmal erlaubt sie ein Video. Und mitunter auch ganz laaaange Audios. Das Gebot der Stunde, dem sich der alte Saurier ORF verschreiben sollte, muss, ja dem er nicht abschwören kann, lautet: Schaffe aus deinem bekannten Angebot das richtige Angebot für die richtige Situation.

Ein Bericht hat damit das, was man altmodisch "Koppelung" nennen könnte. Er ist schneller beim Thema, wenn er ein Video ist. Er ist stand alone und in jeder "Sharing Situation" verständlich, auf dem Punkt und macht neugierig. Vor allem hat er aber immer einen "Partner" mit sich: zum Beispiel eine Story, die gerade in der Situation funktioniert, in der keine Zeit für das Video ist. Aber wo man an der Story kleben bleibt.

Unsere Zukunft sind starke Stories. Doch bevor wird uns in den vielen, durchaus relevanten Debatten über das richtige Storytelling verlieren, müssen wir die Grundbauformen für die digitale Welt liefern. Und die sind bi-medial. Einmal leg ich mein Handy quer und schaue ein Video. In der anderen Situation nutze ich es klassisch horizontal und bleibe an der textlastigen Geschichte dran. Weil mich die Story in jeder Situation begleitet.

Die Antwort auf die digitale Revolution heißt simpel: stick with it. Wenn mich ein Medium nie verlässt, dann werde ich ihm mein Zeitbudget schenken. Und wenn es vertrauenswürdig ist, wird es mich sicher machen, in einer Welt, in der sich ohnedies alles wandelt - und auch Fakten im Auge des Betrachters zu liegen scheinen.

Wir müssen uns in mehr als eine Medienform denken, wenn unsere Geschichten situationselastisch sein sollen. Und wir müssen unsere Stories, ob fiktional oder journalistisch, in serialisierte Form denken. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt haben wir schlicht zu viel im Angebot: deshalb müssen wir unser eigenes Programm kuratieren, Orientierung schaffen und Neugierde provozieren. Wenn wir dazu die richtigen Situationsangebote haben - und Mehrteiler, die all unseren Umfang konsumierbar machen, hätten wir die Plattformwelt internalisiert. Mit dem Vorteil: wir würden sie nutzen, als sie zu fürchten.