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Eva Reiter-Kluger, Leiterin TVthek #91 Welches Mindset braucht Innovation? "Internet wird in absehbarer Zeit kein Massenmedium sein." Das hat Anfang 2001 ein durchaus prominenter Zukunftsforscher in Aussicht gestellt. Kurze Zeit später sind dank des ORF-Online-Pioniers Stefan Lauterer die damals durchaus noch belächelten ersten Livestreams der Bundesland-heute-Sendungen online gegangen. 2005 konnten jene Menschen, die die Attraktivität von "Fernsehen wann und wo sie wollen" bereits erkannt hatten, alle neun Sendungen aus den Landesstudios über einen Livestream online mitverfolgen. 2009 wurde die TVthek gegründet. Ein Schaufenster für das ORF-Fernsehprogramm in einer damals noch oftmals entweder skeptisch bewerteten oder nicht ganz ernst genommenen Online-Welt war geschaffen. Seitdem wird der öffentlich-rechtliche Videocontent des ORF - stetig wachsend - über die TVthek auf allen relevanten Plattformen ausgespielt. Die Nutzung von Bewegtbild im Internet hat im vergangenen Jahrzehnt in einer erstaunlichen Geschwindigkeit zugenommen, beim jungen Publikum überholte die Streaming-Nutzung zuletzt das lineare TV, eine Trendumkehr ist ausgeschlossen.

Der US-amerikanische Psychologe Carl Rogers meinte 1979 in seinem Buch "Lernen in Freiheit": "Die einzige Person, die gebildet ist, ist diejenige, die gelernt hat, wie man lernt und wie man sich verändert." Das kann man allgemein auf den ORF umlegen und im Speziellen auf die TVthek, deren Gestalter auf vielerlei Art und Weise dazugelernt haben: Durch die Entwicklungsgeschichte der TVthek, von einer Website mit 70 als Video-on-Demand verfügbaren Sendungen und circa 20 Livestreams zu einer Plattform mit mehr als 220 regelmäßigen Sendungen, einem breiten Livestream-Angebot über alle Sender hinweg, zahlreiche Live-Spezial-Übertragungen und einem History-Bereich mit mehr als 3.000 Videos aus dem ORF-Archiv zur Zeit- und Kulturgeschichte Österreichs.

Weiterentwickelt hat sich die TVthek aber insbesondere auch durch das wertvolle Feedback von Userinnen und Usern über den Kundendienst, Kommentare in den Apps, Hinweise auf Twitter und in anderen Sozialen Medien, Befragungen von Nutzerinnen und Nutzern, oder durch persönliche Begegnungen mit unseren Seherinnen und Sehern bei den ORF-Publikumsgesprächen. Das TVthek-Team versucht diese Hinweise rasch zu prüfen und Wünsche möglichst zeitnah umzusetzen. Das geht nicht immer so schnell, wie wir uns das selbst erhoffen würden. Gesetzliche Rahmenbedingungen wie die 7-Tage-Abrufdauer, von deren Existenz unser Publikum oft nicht weiß oder kein Verständnis dafür hat, liegen nicht in unserer Hand. Bei Verbesserungen der Usability - sei es eine Altersverifikation für Erwachsene, um Sendungen mit Jugendschutz-Sperren ganztägig abrufbar zu machen oder eine Device-übergreifende Nutzung - haben wir noch einige Entwicklungsschritte vor uns.

Wichtig war und ist die Reflexion über die eigenen Fehler und der Wille, sich immer wieder neu auszurichten und dabei nie aus den Augen zu verlieren, wofür man steht: für das Unternehmen ORF, seine Glaubwürdigkeit, Vielfalt und sein Angebot aus Information, Kultur, Sport und Unterhaltung. Und die TVthek dafür, dieses Angebot möglichst vielen Österreicherinnen und Österreicher zugänglich zu machen und mit den Menschen trotz aller digitalen Veränderungen in Beziehung zu bleiben. Die Zahlen bestätigen, dass uns dieser Auftrag gelingt: Im Jahr 2020 wurde die ORF-TVthek von den Userinnen und Usern so stark genutzt wie nie zuvor: Laut interner Statistik erzielte die Videoplattform 2020 im Monatsschnitt zwölf Millionen Visits (zusammenhängende Besuche) und verbuchte damit einen Rekordwert seit Bestehen der Videoplattform. Doch so erfreulich diese Momentaufnahme ist, der Blick muss in die Zukunft gerichtet sein. Einmal Versäumtes lässt sich schwer nachholen. Um auch in Zukunft bestehen zu können, gilt es neben rechtlichen Rahmenbedingungen die Herausforderungen insbesondere in Hinblick auf Online-Gestaltungsformen und Soziale Medien anzunehmen. An dieser Stelle gilt für die TVthek und alle digitalen Produkte, die noch folgen werden, die bisherigen Werte und die neuen Ziele im Sinne des Publikums und des öffentlich-rechtlichen Auftrages optimal zu verknüpfen und sich dem Chance-Prozess laufend zu stellen. Denn wie schon Einstein festgestellt hat: "Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert."