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Julien Winkelmann
Qualitätssicherung in der SRG
Die publizistische Qualität des SRG-Angebots ergibt sich aus der Summe definierter, definierbarer und undefinierbarer Elemente.
Definierte Elemente: Relevanz, Professionalität, Unabhängigkeit, Vielfalt und Zugänglichkeit sind die qualitativen und ethischen Kriterien, die der SRG gemäß Artikel 4 der Konzession vorgegeben werden. Sie sind verbindlich. Alle Inhalte der SRG müssen diesen Anforderungen entsprechen.
Definierbare Elemente: Die SRG ist verpflichtet, bei der Ausübung ihrer Tätigkeit Qualitätskriterien zu berücksichtigen, kann diese aber selbst definieren. Maßgebend für die Definition dieser Kriterien sind die Meinung und die Bewertung der Fachexperten:innen. So versteht die SRG unter dem allgemeinen Begriff "Vielfalt", dass die Programme und Produktionen auf die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, die heute in unserem Land leben, zugeschnitten sind, insbesondere hinsichtlich Alter, Geschlecht, Bildungsstand, sozioökonomischen Hintergrund und ethnische Herkunft. Das Angebot muss folglich aus einer Palette an Inhalten verschiedenster Genres und Formate bestehen und ein möglichst breites Spektrum an Meinungen abbilden. Die Qualitätskriterien haben Einfluss auf die Unternehmens- und Angebotsstrategie der SRG sowie auf die Angebotscharta der SRG und die publizistischen Leitlinien der Unternehmenseinheiten der SRG (RSI, RTR, RTS, SRF, SWI). Zudem sorgt das Qualitätssicherungssystem des SRG-Angebots dafür, dass diese Kriterien dank regionaler Umsetzung eingehalten werden.
Nicht definierbare Elemente: Auch wenn die SRG sie nicht beeinflussen kann, sind die nicht definierbaren Elemente für den Markterfolg ihres Angebots entscheidend. Zum einen gibt es kulturelle wie auch vektorenspezifische Unterschiede. Was in der Deutschschweiz als "gut" bewertet wird, kommt in der Westschweiz nicht zwangsläufig gleich gut an. Der kulturelle Kontext, in dem sich die Medien bewegen, kann variieren. Er wirkt zudem bildend. Das gleiche gilt für die Vektoren. Wenn etwas im Fernsehen "gut" ankommt, muss das nicht heißen, dass es im Radio automatisch genauso gut ankommt. Das Kriterium "aktuell" etwa ist bei Onlinenews viel wichtiger als bei Nachrichten im Fernsehen. Die Medien konditionieren das Publikum. Der entscheidende Faktor hier ist die öffentliche Meinung, die sich mit Umfragen und Nutzungsmessungen evaluieren lässt. Zu den erwähnten undefinierbaren Elementen kommt ein "subjektiver Restwert" hinzu. Journalistische Produkte werden nicht industriell am Fliessband gefertigt. Sie sind gewissermassen das Ergebnis kreativer Prozesse und werden häufig völlig unsystematisch bewertet. So gehen manche Programme "viral", andere verfehlen ihr Publikum und werden kaum beachtet. Hier ist die Perspektive des Publikums entscheidend, die sich mit Nutzungsmessungen und Interviews bestimmen lässt.
Das Konzept "Angebotsqualität" ist komplex: Entscheidenden Einfluss haben die Wahrnehmung der Inhalte durch die produzierenden Berufsleute, die Wahrnehmung des Publikums sowie jene weiterer Akteure wie z. B. jene des BAKOM, der Aufsichtsbehörde, die die Einhaltung der SRG-Konzession überprüft. Das Qualitätsmanagement des SRG-Angebots betrachtet nicht alle diese Dimensionen, sondern konzentriert sich ausschliesslich auf die Sichtweise der Berufsleute, die mit der Produktion von Inhalten befasst sind. Dafür sichert die SRG die Qualität ihres Angebots auf unterschiedliche Weise ab: Die Abteilung Markt- und Publikumsforschung der GD SRG, ermöglicht durch die Wahrnehmung des Angebots durch das Publikum eine globalere Sicht und das Projekt "Public Value" untersucht die Qualität unter dem Gesichtspunkt der Legitimität. Das Qualitätsmanagement des SRG-Angebots liegt in der Verantwortung jeder einzelnen Unternehmenseinheit der SRG, deren Redaktionen Inhalte produzieren. Bei der GD SRG liegt das Qualitätsdossier bei der Direktion Entwicklung und Angebot, die in erster Linie über die nationale Fachgruppe "Qualität" die Arbeit in den Unternehmenseinheiten koordiniert (vgl. Entscheid der SRG-Geschäftsleitung 10/2018). Das Qualitätsmanagement, das im Qualitätssicherungssystem konkret ausgestaltet ist, besteht aus einer Reihe interner Kontrollen und Instrumente, mit denen die Übereinstimmung von Angebot und den oben erwähnten Kriterien geprüft wird. Dies geschieht in einem zirkulären und iterativen Prozess über vier Phasen:
Eine zentrale Koordinationsstelle stellt sicher und überprüft, dass die Unternehmenseinheiten die Prinzipien anwenden und einhalten. Dies unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Unternehmenseinheit. Gegebenenfalls werden die Prinzipien angepasst und in ergänzenden Reglementen festhalten. Den Unternehmenseinheiten steht es frei, eigene redaktionelle Leitlinien zu definieren, die dem kulturellen Umfeld ihrer Region besser entsprechen. Das Qualitätssicherungssystem des SRG-Angebots ist lediglich eines der Elemente, die das unternehmensweite Qualitätsmanagement ausmachen. Praktisch alle Bereiche unseres Medienhauses tragen zur Qualität bei. Technologie, Verwaltung, Finanzen und besonders Human Resources und die Aus- und Weiterbildung ermöglichen es den Redaktionen, ein Angebot in der gewünschten bzw. geforderten Qualität aufzubereiten und anzubieten. Jede Unternehmenseinheit bestimmt eine:n Qualitätsverantwortliche:n, der bzw. die für die internen Kontrollen und die Weiterentwicklung zuständig ist. Die Qualitätsverantwortlichen treffen sich regelmässig zum Erfahrungs- und Wissensaustausch betreffend Qualitätsstandards im Rahmen der nationalen Fachgruppe "Qualität". Aufgabe der Fachgruppe ist es, die Anforderungen der Aufsichtsbehörde gemäss Artikel 4 der Konzession zu konkretisieren, das Qualitätssicherungssystem fortlaufend zu verbessern und ihre Normen an die im In- und Ausland anerkannten medienwissenschaftlichen Erkenntnisse auszurichten. Das Mandat der Fachgruppe legt formell deren Kompetenzbereiche fest. Für die Koordination und das Backoffice dieses Gremiums ist der Qualitätsverantwortliche der GD SRG (Direktion Entwicklung und Angebot) zuständig. Aus Governance-Sicht untersteht das Gremium sowohl dem Content Board, dem obersten Organ für die interregionale Zusammenarbeit für alles Redaktionelle, als auch der Direktion Entwicklung und Angebot, die über ein Budget für nationale Projekte verfügt. Zu beachten ist, dass interregionale Organe wie die Chefredaktoren-Konferenz (CRK), die im Content Board vertreten sind, ihre Expertise in die Projekte der Fachgruppe "Qualität" einbringen können. Die Geschäftsleitung der SRG als oberstes Entscheidungsorgan des Unternehmens ist die übergeordnete Stufe. Sie genehmigt die Entscheide des Content Board, was sich auch auf die Arbeit der Fachgruppe auswirkt. Ferner bedürfen bestimmte Projekte der Fachgruppe (z. B. Angebotscharta SRG) der Genehmigung durch den Verwaltungsrat SRG als höchste Instanz des Konzerns.
Auch wenn das Qualitätsmanagement des SRG-Angebots in erster Linie über interne Prozesse gesteuert wird, berücksichtigen die Qualitätsverantwortlichen und Redaktionen der Unternehmenseinheiten die Beobachtungen und die Behandlung der Beschwerden des Publikumsrats bzw. der Ombudsstellen der SRG, beides Organe der Trägerschaft. Der Qualitätsverantwortliche der GD SRG hält im Übrigen engen Kontakt mit den Präsidentinnen und Präsidenten des Publikumsrats, mit denen er sich regelmässig austauscht. Dass die Erwartungen des BAKOM berücksichtigt werden, versteht sich von selbst. Um den Dialog zu fördern und einen konstruktiven Austausch zu pflegen, finden regelmässig formelle und informelle Treffen zwischen BAKOMVertretern und dem Qualitätsverantwortlichen der GD SRG bzw. Mitgliedern der nationalen Fachgruppe "Qualität" statt.
Artikel 4 der Konzession verlangt, dass externe Sachverständige das Qualitätssicherungssystem der SRG periodisch kontrollieren. Für die Jahre 2020-22 wurde die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) mit dieser Aufgabe betraut. Ausgewählt wurde sie aus einer Reihe Organisationen, die im Bereich Auditing von Qualitätsmanagement privater Sender aktiv sind. Die Prüfungen wurden bei mehreren redaktionellen Einheiten der UE durchgeführt und konzentrierten sich in erster Linie auf die Relevanz und Wirksamkeit des Qualitätssicherungssystems. Erfreulicherweise fielen die Ergebnisse der Prüfberichte durchweg positiv oder sehr positiv aus. Die Empfehlungen der Berichte, die auf eine kontinuierliche Verbesserung der Qualitätsprozesse bei der SRG abzielen, wurden Jahr für Jahr von allen Qualitätsverantwortlichen in den jeweiligen UE umgesetzt. Nach einer neuen Ausschreibung für die Jahre 2024, 2026 und 2028 - die Audits werden nun alle zwei Jahre durchgeführt - wurde die Fachhochschule Graubünden (FHGR) ausgewählt, um die zukünftigen Audits durchzuführen und möglicherweise die bisherigen Ergebnisse zu bestätigen. Das vom Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich herausgegebene "Jahrbuch Qualität der Medien" dient allen Unternehmenseinheiten der SRG und den meisten Schweizer Medienhäusern als Referenz in Sachen vertiefter Analyse der Qualität von Informationsangeboten.
Auch wenn das Qualitätskonzept eher politisch zu betrachten ist (Beitrag an die Demokratie und die Meinungsbildung), stellt die Studie eine wichtige Quelle für die Qualitätsverantwortlichen dar, um ihr akademisches Wissen im Bereich Medienqualität aktuell zu halten. Damit sie ihre Aufgaben erfüllen und sich weiterentwickeln, berücksichtigen die Redaktionen weitere Studien, die das BAKOM punktuell in Auftrag gibt, um die Qualität des Angebots spezifischer zu beleuchten. Wie in der Konzession festgehalten, müssen die Aktivitäten und Ergebnisse der SRG-internen Qualitätskontrollen jährlich im SRG-Geschäftsbericht im Kapitel "Qualität" ausgewiesen werden. Der Geschäftsbericht ist auf der Website des Konzerns abrufbar: www.srgssr.ch. Auf dieser Plattform werden auch die Ergebnisse der Qualitätsaudits ausgewiesen (auf einer spezifischen, der Qualität gewidmeten Seite). Die Dokumentation zum Qualitätsmanagement des SRG-Angebots wurde in den letzten Jahren systematischer organisiert und Inhalte wurden zusammengefasst, was mehr Übersicht und Ordnung schafft. Zu Informationszwecken wird die Hierarchie der Dokumente hier abgebildet: